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Neurodermitiker wollen beraten werden

Beatrice Rall

Würden Sie sich freiwillig mit Dreck beschmieren lassen? Den beiden Damen auf unserem Titelbild scheint es jedenfalls Spaß zu machen. Vielleicht fühlen sie sich aber auch einfach zum ersten Mal seit langem wieder wohl in ihrer Haut. Denn was nach lustiger Schlammschlacht aussieht, hat einen ernsten Hintergrund: Schlammbaden ist einer von unzähligen Therapieversuchen für eine Krankheit, die die Betroffenen buchstäblich aus der Haut fahren lässt – die Neurodermitis. Rund vier Millionen Menschen sind alleine in Deutschland davon betroffen, die Hälfte davon Kinder.

Warum und wann ein Mensch an Neurodermitis erkrankt, ist nach wie vor eines der großen Rätsel der Medizin. Der Ausbruch kommt oft völlig überraschend. Der Vorsitzende des Bundesverbands Neurodermitiskranker in Deutschland e. V. beschreibt es auf der Verbands-Website beispielsweise folgendermaßen: "Am 24. Februar 1983 legten wir abends einen gesunden Säugling ins Bettchen, morgens holten wir ein schwerst an Neurodermitis erkranktes Kind aus dem Bett. Das Kind hatte – vermutlich selbst von der Krankheit überrascht – im Alter von sechs Monaten seinen Strampelanzug aufgerissen, um an die Beinchen, die Brust und andere Körperteile heranzukommen und den Juckreiz durch Kratzen zu befriedigen." Für Außenstehende lässt sich nur erahnen, welche Qualen dieses sechs Monate alte Kind durchgemacht haben muss, um derartige Kräfte zu entwickeln – und was für einen Schock dieser Anblick für die Eltern bedeutete.

Schock und Qualen, die nur der Beginn einer Leidensgeschichte sind, wie sie viele Neurodermitis-Patienten erzählen könnten und für die es leider kein Happy-End gibt. Denn nicht nur über die Ursachen der Krankheit ist wenig bekannt, auch die Therapiemöglichkeiten sind nach wie vor unbefriedigend. Zwar gibt es eine Vielzahl an Arzneimitteln und eine noch größere Fülle an ergänzenden oder alternativen Heilversuchen – einen Überblick über die zur Verfügung stehende Arzneitherapie finden Sie in unserem Fortbildungsartikel ab S. 60 – eine kausale Behandlung der Neurodermitis ist bislang jedoch nicht möglich. Erschwert wird die Situation zusätzlich dadurch, dass es "den" Neurodermitis-Patienten nicht gibt. Ob ein Neurodermitiker auf den einen oder anderen Behandlungsansatz anspricht und wenn ja, wie gut und für wie lange, kann im Voraus niemand zuverlässig sagen.

Neurodermitikern bleibt in den meisten Fällen leider nichts anderes übrig, als sich so lange durch die verschiedenen Therapien hindurchzuprobieren, bis sie etwas finden, das ihnen hilft. Das kann im schlimmsten Fall Jahre dauern – und zumindest bei schweren Krankheitsverläufen gibt es bislang kaum eine Alternative zur unbeliebten Cortisontherapie. Daran können leider auch Sie in der Apotheke nichts ändern – und doch haben Sie es zu einem guten Stück in der Hand, wie gut oder schlecht ein Betroffener bzw. dessen Eltern mit der Situation zurecht kommen.

Neurodermitis-Patienten sind Musterpatienten für die pharmazeutische Betreuung. Nicht nur muss ihre Compliance bezüglich der Arzneimitteltherapie gestärkt werden, auch begleitende Maßnahmen gehören dazu, damit sie sich in ihrer Haut wieder wohl fühlen. Hier bietet sich Ihnen ein enormes Beratungs- und auch Verkaufspotenzial. Was kann in der Apotheke im Rahmen der Selbstmedikation empfohlen werden? Welche Hautpflege eignet sich für Neurodermitiker? Und worauf sollten Erkrankte im Alltag besonders achten? Antworten auf diese Fragen erhalten Sie in unserem Beitrag ab S. 69. Zusätzlich möchten wir Sie mit Tipps zum Neurodermitis-Beratungsgespräch (S. 73), Empfehlungen verschiedener Neurodermitis-Ratgeber (S. 66) und Adressen von Neurodermitis-Websites (S. 72) bei Ihrer Beratungstätigkeit unterstützen. Es lohnt sich, sich mit dem Thema Neurodermitis näher zu beschäftigen – für Ihre Patienten, für Sie selbst und in der Außenwirkung für den gesamten Berufsstand.

Beatrice Rall

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