Arzneimittel und Therapie

Migräne: Herzfehler möglicherweise für Attacken verantwortlich

Wer immer wieder unter heftigen Migräne-Attacken leidet und mit Schmerzmitteln keine ausreichenden Erfolge erzielt, wird sich früher oder später nach vorbeugenden Maßnahmen umschauen. Neben Betablockern und anderen bewährten Prophylaxe-Strategien kommen dafür in Zukunft möglicherweise auch Herzeingriffe in Betracht, denn ein Defekt zwischen den Vorhöfen könnte möglicherweise für viele Attacken verantwortlich sein.

Der Verdacht, dass für viele Migräne-Attacken ein Herzfehler verantwortlich ist, erhärtet sich immer mehr. Erste Hinweise hatten Wissenschaftler bereits vor ein paar Jahren gefunden. In einer italienischen Studie fiel damals auf, dass fast 50% der Migräne-Patienten, deren Attacken sich mit Sehstörungen und anderen Aura-Phänomenen ankündigten, ein Loch zwischen dem rechten und linken Herzvorhof aufwiesen. Unter Gesunden kommt dieser Defekt, der als offenes Foramen ovale bezeichnet wird und ein Überbleibsel des vorgeburtlichen Blutkreislaufes darstellt, dagegen nur bei etwa 25% vor.

Blutgerinnsel lösen Attacke aus

Bestätigt wird der Verdacht nun von Ergebnissen einer Schweizer Studie. Wissenschaftler der Universität Bern hatten 215 Patienten befragt, bei denen ein solches offenes Foramen ovale aus unterschiedlichen Gründen mit einem Katheter-Eingriff verschlossen wurde. 48 der 215 Studienteilnehmer litten zusätzlich unter Migräne durchschnittlich seit 25 Jahren mit 1,2 Attacken pro Monat. Nach dem Herzeingriff reduzierte sich die Anfallshäufigkeit bei Migräne vom Aura-Typ im Durchschnitt um 54% und bei Migräne ohne Aura um 62%.

Warum ausgerechnet ein Herzfehler für Migräne-Attacken verantwortlich sein soll, lässt sich vermutlich mit dem veränderten Blutfluss erklären, der bei diesem Defekt häufig auftritt. Normalerweise fließt das Blut, bevor es vom Herz in den Körperkreislauf gepumpt wird, durch die Lunge. Dabei werden kleine Blutgerinnsel, die im Blut mitschwimmen, von den hauchdünnen Lungengefäßen zurückgehalten und schließlich aufgelöst.

Dagegen kann das Blut bei einem offenen Foramen ovale die fehlerhafte Öffnung zwischen den beiden Herzvorhöfen als Abkürzung nutzen und somit die filternde Lunge umgehen. Folglich können kleine Blutklümpchen mit dem Blutstrom in die Organe gepumpt werden. Gelangen diese Blutgerinnsel ins Gehirn, kommt es nach derzeitigen Vorstellungen zu Migräne-Attacken.

Alle Migräne-Patienten auf Herzfehler testen?

Trotz der viel versprechenden Ergebnisse hält sich Studienleiter Dr. Schwerzmann allerdings mit Empfehlungen für die tägliche Praxis zurück. Nach seiner Meinung ist es noch zu früh, alle Menschen mit Migräne auf Herzfehler zu testen. Zuvor sollten weitere Untersuchungen den vermuteten Zusammenhang zwischen dem Herzfehler und den Kopfschmerz-Attacken erhärten. Lediglich bei sehr schwerer Migräne, wenn alle etablierten Therapie-Möglichkeiten voll ausgeschöpft sind, ist es nach seiner Ansicht sinnvoll, an ein offenes Foramen ovale zu denken. Falls sich dann tatsächlich ein Defekt im Vorhofseptum findet, ist der Herzeingriff eine Überlegung wert. Allerdings ohne irgendwelche Erfolgsgarantien, wie der Schweizer Arzt und Wissenschaftler betont.

Wer immer wieder unter heftigen Migräne-Attacken leidet und mit Schmerzmitteln keine ausreichenden Erfolge erzielt, wird sich früher oder später nach vorbeugenden Maßnahmen umschauen. Neben Betablockern und anderen bewährten Prophylaxe-Strategien kommen dafür in Zukunft möglicherweise auch Herzeingriffe in Betracht.

Migräne: Die ehemals eingebildete Krankheit 10 Millionen Menschen leiden in Deutschland nach Angaben der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft an Migräne. Typisches Kennzeichen sind die pulsierend hämmernden, meist halbseitigen Kopfschmerz-Attacken, die unter Belastung zunehmen (Treppensteigen etc.). Häufige Begleitsymptome sind Übelkeit, Erbrechen und eine Geräusch- oder Lichtempfindlichkeit.

Für Verwirrung sorgt immer wieder die veraltete Vorstellung, Migräne-Attacken seien lediglich eingebildet und dienten nur als Ausrede, um sich vor lästigen Pflichten zu drücken. Doch schon lange ist bekannt, dass es während einer Attacke zu messbaren Veränderungen im Gehirn kommt. Der pulsierende Schmerzcharakter lässt sich dabei allen voran mit entzündeten Blutgefäßen der Hirnhaut erklären.

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