Arzneimittel und Therapie

Basistherapie rheumatoider Arthritis: Frühzeitig alle Möglichkeiten ausschöpf

Wurde früher langsam eskalierend therapiert, wird heute der frühzeitige und aggressive Einsatz von Basistherapeutika bei rheumatoider Arthritis angemahnt. Als Standardmedikation gilt dann Methotrexat. Versagt die Therapie, wird frühzeitig kombiniert. Und seit einiger Zeit haben die Rheumatologen noch einen weiteren Trumpf im Ärmel: die TNF-alpha-Blockade.

Immer lauter werden die Stimmen in der Rheumatologie, die eine möglichst frühe Diagnose der rheumatoiden Arthritis und deren frühzeitige, zielgerichtete Therapie mit DMARDs (disease modifying antitheumatic drugs) fordern. Sie berufen sich auf Daten, die belegen, dass bereits innerhalb der ersten ein bis zwei Jahre nach Krankheitsbeginn schwerwiegende Gelenkschäden auftreten. So treten 40 Prozent der Gelenkerosionen innerhalb der ersten sechs Monate auf, 60 Prozent im ersten Jahr und über 70 Prozent in den ersten beiden Jahren.

Innerhalb der ersten beiden Jahre entwickeln die meisten Patienten radiologisch nachweisbare Gelenkdestruktionen. Die frühe Intervention soll aber auch die Mortalität senken, die entgegen früherer Annahmen bei Patienten mir rheumatoider Arthritis sehr wohl erhöht ist. Eine wichtige Orientierung für die Diagnosestellung bieten die ACR-Kriterien (American College of Rheumatology, ACR), die allerdings immer im Zusammenhang mit anderen Parametern zu bewerten sind.

Das Zeitfenster nicht verpassen

Etabliert hat sich der Begriff des "windows of opportunity". Gemeint ist damit ein therapeutisches Zeitfenster, in dem optimale Behandlungsergebnisse erreicht werden. Es scheint schmal zu sein. Wird später therapiert, werden entscheidende Therapiechancen verspielt, die sich selbst durch eine nachfolgende wirksame Behandlung auch über lange Zeiträume nicht mehr aufholen lassen. Der Beginn einer medikamentösen Basistherapie zwölf bis 24 Monate nach Erstmanifestation gilt ganz eindeutig als zu spät. Besonders überzeugende Daten für die frühe aggressive Therapie lieferte die COBRA-Studie. Hier war der Vorteil einer frühzeitigen Unterdrückung der entzündlichen Krankheitsaktivität für die Progression der Erkrankung noch fünf Jahre später im Röntgenbild sichtbar.

TNF-alpha Schach matt setzen

Die Auswahl an Basismedikamenten für die DMARDs-Therapie ist groß. Und das ist gut so. Denn nach fünf Jahren haben nur noch wenige Patienten ihr erstes Basismedikament. Erste Wahl ist unstrittig Methotrexat. Ist die Wirksamkeit nach drei Monaten unbefriedigend, sollte kombiniert werden – mit Sulfasalazin, eventuell zusätzlich mit Hydroxychloroquin. Als weitere Alternative gilt Methotrexat plus Leflunomid.

Voraussetzung für eine anti-TNF-Therapie ist die gesicherte rheumatoide Arthritis, das Versagen von mindestens zwei DMARDs sowie der Ausschluss von Kontraindikationen. Mit der TNF-Blockade soll einer der wichtigsten Entzündungsmediatoren bei rheumatoider Arthritis, das TNF-alpha, Schach matt gesetzt werden. Zur Verfügung stehen schon seit längerem der chimäre monoklonale Antikörper Infliximab (Remicade®) sowie Etanercept (Enbrel®), ein lösliches TNF-Rezeptorkonstrukt, das sich gegen TNF-alpha und TNF-beta richtet. Mit Adalimumab (Humira®) ist nun auch der erste vollständig humane TNF-alpha-Antikörper zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis auf dem Markt.

Adalimumab: je früher, desto besser

Adalimumab (Humira®) muss nur alle zwei Wochen appliziert werden und ist aufgrund seines geringen immunogenen Potenzials langfristig verträglich. In der ARMADA(Anti-TNF Research Study Program of the Monoclonal Antibody D2E7 in Rheumatoid Arthritis)-Studie wurde die Kombination von Adalimumab und Methotrexat plazebokontrolliert mit einer Methotrexatmonotherapie verglichen bei 271 Patienten, die trotz Methotrexat eine aktive rheumatoide Arthritis hatten.

Die ACR20-Responseraten lagen nach 24 Wochen unter Adalimumab bei 67,2 Prozent, unter Plazebo dagegen nur bei 14,5 Prozent. Eine ACR50-Response erreichten 55,2 Prozent gegenüber 8,1 Prozent. Deutlich wurde auch, dass die Wirksamkeit von Adalimumab schon früh einsetzt und die meisten Patienten innerhalb von 14 Tagen eine deutliche Besserung der Krankheitsaktivität erfahren. Studien über 54 Monate belegen zudem, dass die antientzündliche Wirkung langfristig anhält.

Auch Adalimumab scheint aber besser zu wirken, wenn es schon in frühen Stadien gegeben wird. Wird mit der Behandlung innerhalb der ersten zwei Jahre begonnen, zeigen die Daten nach sechs Monaten einen deutlichen Trend zu einer stärkeren Verbesserung der klinischen Symptome und der körperlichen Funktionsfähigkeit gegenüber einem späteren Therapiebeginn (ACR 70: 41% versus 18%; HAQ-Score: 0,79 versus 0,57).

Reaktivierung einer Tuberkulose

Die gepoolten Daten der Zulassungsstudien ergaben als vorrangige Nebenwirkungen Entzündungen an der Einstichstelle, Kopfschmerz und Hautausschlag. Infektionen kommen bei 16,6 Prozent unter Adalimumab (n = 705), bei 12,5 Prozent unter Plazebo (n = 609) vor. Ein generelles Problem scheint die Reaktivierung der Tuberkulose durch "Aufbrechen der Tuberkelbakterien" zu sein. Unter Infliximab traten bislang 172 Tuberkulosefälle bei 200 000 (0,86%) Behandelten, unter Adalimumab 13 bei 2500 (0,52%) Behandelten gezeigt. Empfohlen wird ein Tuberkulose-Screening vor Therapiebeginn zur Erfassung aktiver und latenter Tuberkulosepatienten.

Umdenken bei den Rheumatologen

Das Therapieverhalten der Rheumatologen hat sich den neuen Erkenntnissen angepasst und entscheidend verändert. Zwischen 1995 und 2002 wurde bei den Methotrexatverordnungen ein Zuwachs von 16 Prozent auf nunmehr 60 Prozent verzeichnet. Zugenommen hat auch die Verordnung von Low-dose-Steroiden um 8 Prozent auf etwa 50 Prozent. Dagegen ist die Verordnung von NSAR rückläufig, und zwar sogar um 25 Prozent.

ACR-Kriterien

Eine chronische Polyarthritis sollte so früh wie möglich diagnostiziert und mit einem DMARD behandelt werden. Als eine Orientierung für die Diagnose dienen die Kriterien des American College of Rheumatology (ACR). Sie werden auch in klinischen Studien zur Bewertung der Wirksamkeit eines Antirheumatikums herangezogen. Dabei bedeutet beispielsweise ACR20 eine 20%ige Besserung der ACR-Kriterien.

Insgesamt werden sieben Merkmale erfasst: 1. Morgensteifigkeit in oder um die Gelenke (mindestens eine Stunde) 2. Arthritis in drei oder mehr Gelenkregionen mit Schwellung oder Erguss 3. Arthritis der Handgelenke, Fingergrundgelenke oder Fingermittelgelenke 4. Symmetrische Schwellung derselben Gelenke auf beiden Seiten des Körpers 5. Rheumaknoten unter der Haut, über Knochenvorsprüngen oder in Gelenknähe 6 Nachweis des Rheumafaktors im Serum 7. Typische Veränderungen im Röntgenbild, beispielsweise gelenknahe Osteoporosen oder Erosionen. Insgesamt müssen vier der sieben Kriterien erfüllt sein; die Kriterien 1 bis 4 müssen mindestens sechs Wochen bestehen.

Zitat

"Die rheumatoide Arthritis ist sehr wohl mit einer erhöhten Mortalität assoziiert." Prof. Dr. Erika Gromnica-Ihle, Berlin

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