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GKV-Finanzreform: CDU und CSU streiten weiter um Gesundheitsprämien

BERLIN (ks). CSU und CDU pflegen weiterhin ihren Streit um die künftige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Am vergangenen Wochenende verschärfte der CSU-Gesundheitsexperte Horst Seehofer seine Kritik am Kopfpauschalenmodell; die hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger (CDU) erklärte daraufhin, sie sehe nur wenig Spielraum für einen Kompromiss. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch lenkte ein: Der sachliche Streit verletze die Union nicht, "sondern adelt sie als eine Partei, die nach dem richtigen Weg sucht". Um den Sozialausgleich zu sichern, ist Presseberichten zufolge bei der Unionsspitze nun ein Aufschlag in Höhe von 1,7 Prozent auf alle positiven Einkünfte ohne Abschreibungen im Gespräch.

Seehofer erklärte, eines der zentralen Argumente gegen die Kopfpauschale sei, dass die kostenlose Mitversicherung für nicht berufstätige Ehegatten und Kinder entfallen würde und Familien dadurch benachteiligt wären. "Ich will es nicht durchgehen lassen, dass stillschweigend eine gesellschaftspolitische Revolution durchgesetzt wird", sagte der CSU-Vize der "Berliner Zeitung" (Ausgabe vom 24. Juli).

Die CSU werde Pauschalprämien nur dann akzeptieren, wenn Familien im Vergleich zum heutigen Krankenversicherungssystem nicht draufzahlen müssten. Die neuen Vorschläge Bert Rürups, auf deren Grundlage CDU und CSU nach der Sommerpause über einen Kompromiss verhandeln wollen, haben laut Seehofer die Probleme nicht beseitigt: "Ich sehe noch nicht, wie man den sozialen Ausgleich für die Familien organisieren kann".

CDU-Expertin: Absage an GKV-internen Ausgleich

Die hessische Sozialministerin Lautenschläger wies hingegen den Plan der CSU, nach dem Einkommen gestaffelte Zahlungen für die gesetzliche Krankenversicherung einzuführen, zurück. "Einen Solidarausgleich innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung zu schaffen, halte ich nicht für den geeigneten Weg", sagte sie der Financial Times Deutschland (Ausgabe vom 26. Juli). Damit erteilte sie auch der Variante des Rürup-Modells eine Absage, die einen GKV-internen Ausgleich vorsieht.

Die Gesundheitsprämie nach dem CDU-Modell mit einem Solidarausgleich über die Einkommensteuer sei "ganz klar der richtige Weg", sagte Lautenschläger weiter. "Ob auf dieser Grundlage ein Kompromiss mit der CSU möglich ist, werden wir sehen." Die hessische Ministerin berät derzeit im Auftrag von CDU-Chefin Angela Merkel mit ihrer niedersächsischen Kollegin Ursula von der Leyen (CDU) und der bayerischen Sozialministerin Christa Stewens (CSU) über einen möglichen Kompromiss im Streit der beiden Schwesterparteien.

Koch: Es geht auch ohne Mehrwertsteuererhöhung

Ministerpräsident Koch sagte der "Welt" (Ausgabe vom 26. Juli), er gehe davon aus, dass CDU und CSU am Ende des Jahres gemeinsame Positionen haben. "Sehr wichtige Fragen" seien bereits geklärt. Wackeln dürfe man auf keinem Fall bei dem Beschluss, die Kosten der Gesundheitsvorsorge von der Einkommenshöhe zu trennen.

Koch sieht auch kein Problem bei der Steuerfinanzierung: "Jede Finanzierung innerhalb des Kassensystems reduziert den Wettbewerb und lässt die privatversicherten Bezieher hoher Einkommen außen vor. Wenn wir über die Steuer gehen, ist der Sozialausgleich wirklich gerecht organisiert". Die Mehrwertsteuer will der Ministerpräsident aber unangetastet lassen: "Wir haben unsere Reformmodelle so gerechnet, dass sie im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Gesundung ohne Mehrwertsteuererhöhung finanzierbar sind", sagte er der "Welt".

Ausgleich durch 1,7% Zuschlag?

Presseberichten zufolge erwägt die Union nun den Solidarausgleich innerhalb ihres Prämienmodells durch einen Zuschlag von 1,7 Prozent auf alle positiven Einkünfte zu finanzieren. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 27. Juli berichtete, hat Regierungsberater Rürup den Spitzen von CDU und CSU am 23. Juli ein entsprechendes Rechenmodell bei einem Treffen in Berlin präsentiert. Dem Vernehmen nach sei dieses in beiden Parteiführungen auf großes Interesse gestoßen. Der 1,7-Prozent-Zuschlag müsste von allen Steuerzahlern – mithin auch den privat Krankenversicherten – entrichtet werden und wäre nicht nach oben gedeckelt. Ein Einkommensmillionär müsste demnach 17 000 Euro im Monat zahlen.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Annette Widmann-Mauz, sagte der FAZ, der 1,7-Prozent-Zuschlag sei zwar "keine politisch vertretbare Lösung, es wird mit deutlich mehr Variablen gearbeitet werden müssen". Das Rechenbeispiel zeige aber, dass die Zusatzbelastung durch den Solidarausgleich deutlich geringer ausfallen könne, wenn dieser auf möglichst viele Schultern verteilt werde. Seehofer kritisierte das neue Modell der FAZ gegenüber wegen der fehlenden Obergrenze als "unrealistisch" und "offenkundig verfassungswidrig". Statt wöchentlich eine Modelldiskussion zu führen, müssten sich CDU und CSU um eine "Verschränkung" bemühen. Dabei würden "eine ganze Reihe von Varianten gerechnet", so der CSU-Gesundheitspolitiker. Die 1,7 Prozent aber seien "hemmungslos falsch".

CSU und CDU pflegen weiterhin ihren Streit um die künftige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Am vergangenen Wochenende verschärfte der CSU-Gesundheitsexperte Horst Seehofer seine Kritik am Kopfpauschalenmodell; die hessische Sozialministerin Silke Lautenschläger (CDU) erklärte daraufhin, sie sehe nur wenig Spielraum für einen Kompromiss mit der CSU. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch lenkte ein: Der sachliche Streit adele die Union "als eine Partei, die nach dem richtigen Weg sucht".

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