Hochschulnachrichten

Medizinische Chemie: Auf der Suche nach innovativen Arzneistoffen

G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR) als Targets für innovative Arzneistoffe sowie der Impact moderner Technologien für die Wirkstoffforschung standen im Mittelpunkt der gemeinsamen Tagung der Fachgruppen "Medizinische Chemie" der GDCh und der DPhG, die vom 15. bis 17. März 2004 am Emil-Fischer-Centrum der Universität Erlangen-Nürnberg stattfand. Unter der Leitung von P. Gmeiner (Erlangen) und den beiden Vorsitzenden der Fachgruppen U. Stilz (Frankfurt) und B. Clement (Kiel) wurde eine gelungene Mischung aus Industrie- und Hochschulforschung im Bereich der präklinischen Entwicklung von Arzneistoffen vorgestellt.

Liganden von GPCR

Ausgehend von Metall-vermittelten Aktivitätsstudien gezielt mutierter GPCR, gab T. W. Schwartz (Kopenhagen) einen Überblick über die molekularen Mechanismen der Rezeptoraktivierung und deren Auswirkung auf die Identifikation neuer Leitstrukturen. M. Baldus (Göttingen) stellte am Beispiel des Neurotensin-Systems die Festkörper-NMR-Spektroskopie als leistungsfähiges Instrument zur Untersuchung von GPCR-Ligand-Komplexen vor.

Dopamin-Rezeptoren waren das Thema mehrerer Referenten:

  • J. A. Schetz (Fort Worth) postulierte, dass bestimmte Mikrodomänen die Eigenschaften und Selektivitäten der Rezeptorsubtypen kontrollieren, wozu ihn die Ergebnisse von Bindungsstudien mit punktmutierten Rezeptoren veranlassten.
  • Lei Shi (New York) ermittelte die Beteiligung der zweiten extrazellulären Schleife an der Bindungstasche von D2-Rezeptoren sowie die Bedeutung der vierten Transmembrandomäne (TM IV) als wichtiges Glied bei der Dimerisierung und Oligomerisierung der Rezeptoren.
  • Neue, selektive D3-Rezeptor-Liganden wurden von J. A. Hendrix (Bridgewater) vorgestellt.

Mit Ser 111 (TM III) als molekularem Switch für die Aktivierung bzw. Inaktivierung des Histamin-1-Rezeptors befasste sich R. Leurs (Amsterdam).

Interaktionen des humanen Interleukin 8 (hIL-8) mit seinem Rezeptor war das Thema des Vortrags von A. G. Beck-Sickinger (Leipzig). Ihr gelang es, hIL-8-Derivate durch native chemische Verknüpfung von rekombinant gewonnenem hIL-8(1-54)-Thioester und synthetischen, modifizierten hIL-8(55-77)-Peptid-Fragmenten darzustellen. Fluoreszenz-markierte Analoga beispielsweise ermöglichten Internalisierungsstudien des Rezeptor-Ligand-Komplexes.

Piperazine und Piperidine als Liganden von k- und s-Rezeptoren, ihre Synthesen und spezifischen Absorptionsraten (SAR) präsentierte B. Wünsch (Münster). Der Rezeptor des Luteinisierenden Hormons (LH) und die Entwicklung von LH-Rezeptor-Agonisten als potenziellen, oral anwendbaren Gonadotropin-Substituten waren Gegenstand des Vortrags von C. M. Timmers (Oss).

A. Buschauer (Regensburg) stellte die Entwicklung von NG-acylierten (R)-Argininamiden als hochaffinen und selektiven Neuropeptid-Y-1-Rezeptor-Antagonisten vor. Die geringe Basizität dieser Substanzklasse und entsprechende In-vitro-Ergebnisse lassen auf vorteilhafte pharmakologische Eigenschaften schließen.

T. Hoffmann (Basel) stellte eine neue Klasse oral wirksamer, nicht peptidischer Antagonisten des NK-1-Rezeptors vor. Die Optimierung einer aus einem Bibliothek-Screening resultierenden Leitstruktur führte zu Verbindungen mit teilweise subnanomolarer Affinität. J. Baumann (Richmond) berichtete über Antagonisten des Chemokin-1-Rezeptors als potenzielle Pharmaka zur Behandlung chronischer Entzündungen, die er mit Hilfe eines neu etablierten Assays selektionierte.

Verfahren zum virtuellen Screening wurden von D. Rognan (Illkirch), dessen Ansatz zum Modeling von GPCR im Sinne eines inversen Screenings auch die Vorhersage von Selektivitätsprofilen ermöglicht, und T. Klabunde (Frankfurt), der durch verbessertes Design der Datenbanken unter Einbeziehung von Chemoprints das Auffinden von Leitstrukturen optimiert, vorgestellt.

Aktuelles aus der medizinisch-chemischen Forschung

In einem Überblick über Möglichkeiten und Limitierungen der computergestützten Wirkstoffentwicklung veranschaulichte M. M. Hann (Stevenage) den Fortschritt der Bio-/Chemoinformatik, aber auch den enormen Bedarf an neuen, verbesserten Methoden. Am Beispiel der Ras-vermittelten Signaltransduktion schilderte H. Waldmann (Dortmund) die Bedeutung von Chemical Genetics in der modernen Wirkstoffforschung.

T. L. Blundell (Cambridge) sprach über die Möglichkeiten des Einsatzes kristallographischer Techniken im High-Throughput-Screening. Er zeigte, wie die Untersuchung von Wechselwirkungen kleiner Wirkstofffragmente bei der Entwicklung höhermolekularer Leitstrukturen helfen kann. D. Weber (Garching), K. Jöhren (Düsseldorf), D. P. Zlotos (Würzburg), T. Stangler (Jülich), E. Beitz (Tübingen) und J. U. Linder (Tübingen) berichteten in interessanten Kurzvorträgen über ihre medizinisch-chemischen Forschungsgebiete.

Posterpräsentationen trugen mit zur intensiven Diskussion und zum Gelingen der Tagung bei. Die besonders herausragenden Beiträge von E. Schneider (Arbeitskreis A. Buschauer, Regensburg) und L. Bettinetti (Arbeitsgruppe P. Gmeiner, Erlangen) wurden mit Posterpreisen gewürdigt (s. Foto).

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