Arzneimittel und Therapie

Epilepsie: Pregabalin bereichert die Therapie

Auch wenn in den vergangenen Jahren einige neue Antiepileptika auf den Markt gekommen sind, leiden immer noch viele Epilepsie-Patienten unter schwer kontrollierbaren Anfällen und andere wiederum unter gravierenden Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie. Nicht zuletzt aufgrund ihres günstigen pharmakokinetischen Profils verspricht die neue Substanz Pregabalin eine wertvolle Ergänzung der gegenwärtigen Therapieoptionen bei fokalen Anfällen zu werden.

Das wichtigste Behandlungsziel der antiepileptischen Pharmakotherapie ist die Verbesserung der individuellen Lebensqualität. Die Entwicklung moderner Antiepileptika hat dazu entscheidend beigetragen, denn die neuen Medikamente brachten gegenüber den alten Antiepileptika vor allem Verträglichkeitsvorteile – z. B. weniger psychiatrische Nebenwirkungen, geringeres Osteoporose-Risiko, weniger Gewichtsveränderungen, geringerer Einfluss auf Potenz und Gewicht, außerdem deutlich weniger Interaktionen und eine geringere Teratogenität. Dennoch leiden auch unter der Therapie mit neueren Substanzen noch viele Patienten unter Störwirkungen, die ihre Leistungsfähigkeit im Alltag beeinträchtigen. Außerdem ist die Anfallskontrolle immer noch bei ungefähr 30% der Patienten unzureichend.

Einfluss auf Neurotransmitter

Damit ein neues Antiepileptikum im therapeutischen Spektrum tatsächlich eine Verbesserung bringt, muss es einen Vorteil hinsichtlich Wirksamkeit, Sicherheit, Verträglichkeit oder Pharmakokinetik aufweisen. Vor diesem Hintergrund scheint die neu entwickelte Substanz Pregabalin ein aussichtsreicher Kandidat für eine Therapiebereicherung zu sein.

Pregabalin ist mit Gabapentin strukturverwandt; beide Substanzen sind Analoga der Gamma-Aminobuttersäure (GABA), jedoch ohne GABA-erge Wirksamkeit. Pregabalin bindet mit hoher Potenz an α2-δ – ein Hilfsprotein der spannungsabhängigen Calciumkanäle. Dadurch wird der Calcium-Influx an den Nervenendigungen reduziert und die Freisetzung exzitatorischer Neurotransmitter wie Glutamat, Noradrenalin und Substanz P vermindert.

Besondere Pharmakokinetik

Pregabalin hat antikonvulsive, analgetische und anxiolytische Eigenschaften. Von anderen Antiepileptika unterscheidet sich Pregabalin durch sein einfaches und vorhersagbares pharmakokinetisches Profil. So wird die Substanz schnell und linear absorbiert, nur minimal metabolisiert, im Plasma nicht an Proteine gebunden und zu 98% unverändert mit dem Urin ausgeschieden. Daher sind keine pharmakokinetischen Interaktionen – auch nicht mit anderen Antiepileptika, Kontrazeptiva oder Alkohol – zu erwarten. Die bisher verfügbaren Daten aus klinischen Studien bestätigen diese Annahme.

Härtetest für die Wirksamkeit

Pregabalin ist als Add-on-Antiepileptikum zur Behandlung bei Erwachsenen mit fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung vorgesehen. In Studien wurden seine Wirksamkeit und Verträglichkeit als Zusatzmedikament bei Patienten untersucht, die trotz Einnahme eines oder mehrerer anderer Antiepileptika nicht anfallsfrei waren. Bei dieser schwer zu behandelnden Patientengruppe ergab sich mit Pregabalin immerhin zu 8% (mittlerer Dosisbereich) bis 19% (Höchstdosis) Anfallsfreiheit. Auch die Responderraten (mindestens 50%ige Anfallsreduktion) fielen im Vergleich zu denen anderer Antiepileptika günstig aus. Sie betrugen bei mittlerer Dosierung (300 mg) ca. 40% und waren insgesamt dosisabhängig. Von Vorteil für die klinische Praxis ist der schnelle Beginn der Anfallsreduktion (Wirkeintritt innerhalb einer Woche).

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen von Pregabalin waren vor allem zentralnervöse Ereignisse wie Schläfrigkeit und Schwindel, zumeist aber nur leicht bis mittelgradig ausgeprägt. Nur zu 3,8% ergaben sich schwerwiegende Nebenwirkungen. Die Therapieabbruchrate war mit der unter Plazebo vergleichbar.

Begleiterkrankungen ernst nehmen

Epilepsie-Patienten leiden im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich häufiger an Komorbiditäten. So treten z.B. Depressionen 5- bis 15-mal so oft auf – je nach herangezogener Studie –, begleitende Psychosen kommen 4- bis 10fach häufiger vor. Die antiepileptische Therapie sollte sich also nicht noch verstärkend auf diese zusätzlichen chronischen Erkrankungen auswirken. Vor diesem Hintergrund könnte sich Pregabalin als vorteilhaft erweisen, da es zum einen selbst anxiolytische Wirkqualitäten besitzt, zum anderen offenbar nur ausgesprochen selten zu kognitiven Beeinträchtigungen führt. Bremsreaktionszeit und Kurzzeitgedächtnis waren in einer Studie an Gesunden durch das Antiepileptikum nicht beeinträchtigt.

Auf die Schlafqualität erwies sich Pregabalin (450 mg/d) dagegen in einer Probandenstudie als signifikant positiv. Für die Epilepsietherapie könnte das ein wichtiger Pluspunkt sein, denn Epilepsie-Patienten leiden häufig unter Schlafstörungen: Nächtliche Anfälle können zur Aufhebung des physiologischen Schlafmusters führen. Außerdem beeinträchtigen manche Antiepileptika zusätzlich die Schlafstruktur. Gerade Schlafentzug kann jedoch wiederum das Auftreten von Anfällen triggern.

Auch wenn in den vergangenen Jahren einige neue Antiepileptika auf den Markt gekommen sind, leiden immer noch viele Epilepsie-Patienten unter schwer kontrollierbaren Anfällen und andere wiederum unter gravierenden Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie. Nicht zuletzt aufgrund des günstigen pharmakokinetischen Profils verspricht Pregabalin (Lyrica) eine wertvolle Ergänzung der gegenwärtigen Therapieoptionen bei fokalen Anfällen zu werden.

Markteinführung im Herbst

Unter dem Handelsnamen Lyrica® ist Pregabalin von den europäischen Zulassungsbehörden für die Behandlung von peripheren neuropathischen Schmerzen und als Zusatztherapie bei fokalen epileptischen Anfällen in allen Mitgliedstaaten der EU zugelassen worden, wie Pfizer mitteilte. Nach Firmenangaben soll das Präparat im 4. Quartal dieses Jahres zur Verfügung stehen.

Pregabalin - pharmakokinetisches Profil

  • lineare und schnelle Absorption
  • maximale Plasmakonzentration (tmax) ca. 1 Stunde nach der Einnahme
  • keine Proteinbindung
  • minimale Metabolisierung
  • renale Elimination
  • durchschnittliche Bioverfügbarkeit > 90%, dosisunabhängig
  • Plasma-Eliminationshalbwertszeit (t½) ca. 6 Stunden, dosisunabhängig
  • Steady-State nach ca. 48 Stunden

Tipp

Umfangreiche Informationen und Adressen zum Thema Epilepsie bietet das Epilepsie-Netzwerk unter www.epilepsie-online.de

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