Arzneimittel und Therapie

Angiotensin-II-Rezeptorantagonist: Candesartan hilft bei Herzinsuffizienz

Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten werden in der Therapie der Herzinsuffizienz zur Verbesserung der Symptomatik insbesondere dann eingesetzt, wenn ACE-Hemmer nicht vertragen werden. In einem sehr umfangreichen Studienprogramm zeigte sich, dass mit Cande-sartan eine Möglichkeit zur Verfügung steht, Mortalität und Morbidität herzinsuffizienter Patienten zu reduzieren.

Im so genannten CHARM-Studienprogramm wurde der Angiotensin-II-Rezeptorantagonist Candesartan unter drei Fragestellungen an Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz untersucht: Wie wirksam und sicher ist Candesartan bei Patienten

  • die bereits einen ACE-Hemmer einnehmen?
  • die einen ACE-Hemmer nicht vertragen haben?
  • mit normaler Linksventrikelfunktion?

Herzinsuffizienz ist eine häufige Erkrankung mit schlechter Prognose. Ihre Häufigkeit steigt noch immer, und zwar einerseits wegen der alternden Bevölkerung, andererseits wegen der weiten Verbreitung von Bluthochdruck und ischämischer Herzerkrankung, den beiden wichtigsten zur Herzinsuffizienz prädisponierenden Störungen.

Bei Menschen über 65 Jahren ist Herzinsuffizienz der häufigste Grund für Krankenhauseinweisungen. Patienten mit Herzinsuffizienz haben ein erhöhtes Risiko, ins Krankenhaus aufgenommen zu werden, und für einen kardiovaskulär bedingten Tod. Die Hälfte bis zwei Drittel der Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz haben eine wesentlich reduzierte linksventrikuläre Auswurffraktion. Für sie sind die lebensrettenden und symptomlindernden Wirkungen von ACE-Hemmern, Betablockern und – bei ausgewählten Patienten – Spironolacton nachgewiesen.

Obwohl auch Herzinsuffizienzpatienten mit normaler linksventrikulärer Auswurffraktion eine schlechte Prognose haben, wurden bei ihnen bislang kaum Behandlungen spezifisch geprüft. Im bislang größten Studienprogramm bei Herzinsuffizienz wurde jetzt untersucht, ob ein Angiotensin-II-Rezeptorantagonist für Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und reduzierter oder normaler Linksventrikelfunktion von Nutzen ist.

Drei Studien an verschiedenen Patientengruppen

Der besondere Charme des CHARM-Studienprogramms (Candesartan in heart failure: assessment of reduction in mortality and morbidity) liegt dabei im neuen Ansatz, einen Arzneistoff in derselben Dosierung mit derselben Zielsetzung in mehreren Teilstudien an unterschiedlichen Patientenkollektiven zu prüfen. Dieses Design erlaubt die getrennte Auswertung für jedes Patientenkollektiv, aber auch das Poolen der Studienergebnisse.

CHARM umfasste drei Teilstudien (Tab. 1):

  • CHARM-Added, in der Patienten zusätzlich zum ACE-Hemmer Candesartan (Atacand® , Blopress® ) erhielten,
  • CHARM-Alternative, in der Patienten mit einer ACE-Hemmer-Unverträglichkeit Candesartan bekamen und
  • CHARM-Preserved, in der Patienten mit einer linksventrikulären Auswurffraktion > 40% Candesartan erhielten.

Zieldosis 32 mg

Alle drei Teilstudien erfassten Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz der NYHA-Klassen II bis IV. Gemeinsam war den Studien ein randomisiertes, plazebokontrolliertes, doppelblindes Design. Die Patienten erhielten Candesartan in einer Anfangsdosis von einmal täglich 4 oder 8 mg, die bei Verträglichkeit alle zwei Wochen bis zur Zieldosis von einmal täglich 32 mg verdoppelt wurde. Primärer Endpunkt der Teilstudien war die Kombination aus kardiovaskulärem Tod oder Krankenhausaufnahme wegen einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz. Sekundäre Endpunkte waren:

  • Kombinationen des primären Endpunkts, schrittweise erweitert um nicht tödlichen Herzinfarkt, nicht tödlichen Schlaganfall und koronare Revaskularisation,
  • Tod oder Krankenhausaufnahme wegen einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz sowie
  • neu entstandener Diabetes mellitus.

Die Gesamtstudie hatte die Gesamtsterblichkeit als primären Endpunkt. Insgesamt beteiligten sich 7601 Patienten an 618 Zentren in 26 Ländern am Studienprogramm; sie wurden im Median mehr als 3 Jahre lang beobachtet.

Zusatz zum ACE-Hemmer

An CHARM-Added nahmen 2548 Patienten mit Herzinsuffizienz und linksventrikulärer Auswurffraktion = 40% teil, 1276 erhielten Candesartan, 1272 Plazebo. Alle Patienten bekamen zu Beginn bereits einen ACE-Hemmer (etwa 96% in optimaler Dosierung), 55% einen Betablocker und 17% Spironolacton. Die Patienten waren im Mittel 64 Jahre alt, fast 80% waren Männer. Die Candesartan- oder Plazebo-Behandlung wurde im Median 3,5 Jahre lang beobachtet.

38% der Candesartan-Patienten (n = 483) und 42% der Plazebo-Patienten (n = 538) erlitten ein primäres Endpunktereignis. Demnach senkte Candesartan bei diesen Patienten die Wahrscheinlichkeit für einen primären Endpunkt signifikant um 15%. 24% der mit Candesartan (n = 302) und 27% der mit Plazebo Behandelten (n = 347) starben einen kardiovaskulären Tod. 24% der Candesartan- und 28% der Plazebo-Patienten mussten wegen der Herzinsuffizienz ins Krankenhaus. Auch diese Unterschiede waren signifikant.

Ebenfalls signifikant gesenkt wurden die Gesamtzahl der Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz und die sekundären Endpunkte. Insgesamt starben mit Candesartan nicht signifikant weniger Patienten als mit Plazebo: 30% gegenüber 32% (377 gegenüber 412 Patienten). Der Nutzen von Candesartan bestand unabhängig davon, ob die Patienten einen Betablocker erhielten und ob sie den ACE-Hemmer in optimaler Dosis einnahmen.

Wegen Nebenwirkungen oder Laborwertveränderungen brachen 24% der Patienten in der Candesartan-Gruppe und 18% in der Plazebo-Gruppe die Behandlung vorzeitig ab. Unter Candesartan kamen als Hauptursachen vermehrt Hyperkaliämie, erhöhter Creatinin-Wert (Nierenfunktion!) und Hypotonie vor. Demnach kann der über die Standardtherapie hinaus gegebene Angiotensin-II-Rezeptorantagonist Candesartan die Mortalität und Morbidität der Herzinsuffizienzpatienten mit eingeschränkter Linksventrikelfunktion weiter senken. Eine Gefahr im Sinne einer zu starken neuroendokrinen Hemmung, wie man sie aufgrund einer erhöhten Sterblichkeit in der Valsartan-plus-ACE-Hemmer-plus-Betablocker-Untergruppe der Val-HeFT-Studie befürchtet hatte, scheint nicht zu bestehen.

Alternative zum ACE-Hemmer

An CHARM-Alternative beteiligten sich 2028 Patienten mit Herzinsuffizienz und einer linksventrikulären Auswurffraktion ≤ 40%. Alle hatten einen ACE-Hemmer in Rücksprache mit ihrem Arzt wegen spezifischer Nebenwirkungen abgesetzt. Bei 72% war dies Husten, bei 13% symptomatische Hypotonie und bei 12% eine Einschränkung der Nierenfunktion gewesen. 1013 Patienten kamen in den Cande-sartan-Arm, 1015 in den Plazebo-Arm. Zusätzlich nahmen zu Beginn 55% einen Betablocker und 24% Spironolacton ein.

Das mittlere Patientenalter betrug 67 Jahre. Über zwei Drittel der Teilnehmer waren Männer. Die Patienten wurden im Median knapp drei Jahre lang beobachtet. In dieser Zeit erlitten 33% der Candesartan-Patienten (n = 334) und 40% der Plazebo-Patienten (n = 406) einen primären Endpunkt.

Die Wahrscheinlichkeit für einen primären Endpunkt sank mit Candesartan signifikant um 23%. In ihrer Häufigkeit reduziert waren auch die einzelnen Bestandteile des primären Endpunkts (22% gegenüber 25% kardiovaskuläre Todesfälle; 20% gegenüber 28% Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz), die Gesamtzahl der Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz und fast alle sekundären Endpunkte. Insgesamt starben 26% der mit Candesartan Behandelten gegenüber 29% der mit Plazebo Behandelten (265 gegenüber 296). Dieser Unterschied war nicht signifikant.

Die Therapieabbruchrate war mit 30% in der Candesartan-Gruppe und 29% in der Plazebo-Gruppe insgesamt vergleichbar. Allerdings brachen mehr Candesartan- als Plazebo-Patienten die Behandlung wegen einer Nierenfunktionseinschränkung, eines erhöhten Kalium-Plasmapiegels oder einer Hypotonie ab (Tab. 2). Bei drei Candesartan-Patienten traten Angioödeme auf, keines davon erforderte eine stationäre Behandlung. Nur ein Patient brach daraufhin die Behandlung ab. Insgesamt hatten 39 Patienten zuvor auf ACE-Hemmer ein Angioödem oder eine Anaphylaxie entwickelt.

In Europa werden etwa 20% aller Herzinsuffizienzpatienten mit eingeschränkter Linksventrikelfunktion nicht mit einem ACE-Hemmer behandelt, davon fast die Hälfte wegen einer Unverträglichkeit. Für sie dürfte der Angiotensin-II-Rezeptorantagonist Candesartan also eine gute Alternative sein.

Herzinsuffizienz mit normaler Linksventrikelfunktion

Die CHARM-Preserved-Studie erfasste 3023 Herzinsuffizienzpatienten, die noch eine normale (preserved = erhaltene) linksventrikuläre Auswurffraktion besaßen. 1514 bekamen Candesartan, 1509 Plazebo.

Die Patienten waren im Mittel 67 Jahre alt, gut ein Viertel war 75 Jahre oder älter. 60% waren Männer. 61% der Patienten (mehr als in den übrigen Teilstudien) wiesen eine Herzinsuffizienz der NYHA-Klasse II auf. Zu Beginn nahmen 56% der Patienten einen Betablocker und rund 20% einen ACE-Hemmer ein.

Die Patienten wurden im Median drei Jahre lang beobachtet. 22% der mit Candesartan Behandelten (n = 333) und 24% der mit Plazebo Behandelten erlitten einen primären Endpunkt (n = 366). Der Unterschied war nicht signifikant. Die Wahrscheinlichkeit für ein primäres Endpunktereignis sank mit Candesartan um 11%. Kardiovaskuläre Todesfälle waren in beiden Gruppen gleich häufig (11%; jeweils 170). Ein signifikanter Unterschied bestand dagegen bei der Zahl der Patienten, die wegen Herzinsuffizienz ins Krankenhaus mussten (16% gegenüber 18%).

Sekundäre Endpunkte waren überwiegend grenzwertig signifikant reduziert. Stark verringert war die Zahl der neuen Diabetiker (47 gegenüber 77). Wegen Nebenwirkungen – vor allem Creatinin-Anstieg, Hypotonie oder Hyperkaliämie – brachen 18% der Candesartan-Patienten gegenüber 14% der Plazebo-Patienten die Behandlung ab.

Die CHARM-Preserved-Studie zeigt in dieser Patientengruppe mit normaler Linksventrikelfunktion demnach zumindest einen moderaten Nutzen im Hinblick auf die Zahl der Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz.

Gesamtstudie

Alle drei Studien wurden in CHARM-Overall zusammengefasst. Insgesamt starben in den Candesartan-Gruppen 23% der Patienten (n =886) und in den Plazebo-Gruppen 25% (n = 945). Der Unterschied in der Gesamtsterblichkeit verfehlte die Signifikanzgrenze knapp.

Signifikant reduziert waren dagegen die kardiovaskuläre Sterblichkeit (um 12%), die Zahl der Krankenhausaufnahmen wegen Herzinsuffizienz (um 21%) und die Kombination aus diesen Endpunkten (um 16%). Auch Diabetesneuerkrankungen entstanden unter Candesartan seltener (bei 6% gegenüber 7% der Patienten). 21% gegenüber 17% der Patienten brachen die Behandlung wegen Nebenwirkungen vorzeitig ab.

Krebstodesfälle waren in der Candesartan-Gruppe mit 2,3% (n = 86) etwas häufiger als in der Plazebo-Gruppe mit 1,6% (n = 59), nicht tödliche Krebserkrankungen (5,1% gegenüber 4,6%) aber gleich häufig.

Fazit

Candesartan war in einem breiten Spektrum von Herzinsuffizienzpatienten von Nutzen. Der Angiotensin-II-Antagonist wurde bei langsamer Auftitration im Allgemeinen gut vertragen. Die Patienten sollten jedoch auf Hypotonie, Hyperkaliämie und einen möglichen Creatinin-Anstieg hin sorgfältig überwacht werden.

Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten werden in der Therapie der Herzinsuffizienz zur Verbesserung der Symptomatik insbesondere dann eingesetzt, wenn ACE-Hemmer nicht vertragen werden. In einem sehr umfangreichen Studienprogramm zeigte sich, dass mit Candesartan eine Möglichkeit zur Verfügung steht, Mortalität und Morbidität herzinsuffizienter Patienten zu reduzieren.

Pharmakologie der Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten greifen nicht am Angiotensin-Conversionsenzym (ACE), sondern "weiter hinten" an den Angiotensin-II-Rezeptoren an. Sie sollten daher typische ACE-Hemmer-Wirkungen, die durch die Hemmung des Bradykinin-Abbaus bedingt sind, vermeiden und das Renin-Angiotensin-System noch wirksamer ausschalten können.

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