Arzneimittel und Therapie

DAZ-Interview: ASS weiterhin einnehmen

(ck). Durch die Medien geisterte in den vergangenen Tagen die Meldung, dass Acetylsalicylsäure Pankreaskarzinom verursachen soll. Grundlage für diese Schlagzeilen ist ein im Journal of the National Cancer Institute erschienener Artikel, in dem die Vermutung geäußert wird, die Langzeiteinnahme von Acetylsalicylsäure könne mit einem erhöhten Risiko eines Pankreaskarzinoms einhergehen. Wir sprachen mit Prof. Dr. Henning Schröder vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie des Fachbereiches Pharmazie der Universität Halle über mögliche Risiken einer längerfristigen und regelmäßigen ASS-Einnahme

DAZ:

Herr Professor Schröder, welche Aussagen können denn dieser Studie nun entnommen werden?

Schröder:

Die Nurses' Health Study ist eine gut durchgeführte, sehr umfangreiche prospektive Studie. In ihr wurden über einen langen Zeitraum über 88 000 Krankenschwestern beobachtet und Ernährungsgewohnheiten, Medikamenteinnahme usw. per Fragebogen erfasst.

Diese nahmen regelmäßig hohe ASS-Dosen ein. Darunter werden in der Studie die zwei oder mehrmalige Einnahme von 325 mg Acetylsalicylsäure pro Woche verstanden. Eine regelmäßige Einnahme über einen Zeitraum von 11 bis 20 Jahren führte zu einer Erhöhung des Pankreaskarzinom-Risikos von 51%, Frauen, die über 20 Jahre Acetylsalicylsäure einnahmen hatten ein um 58% erhöhtes Risiko.

Im Ergebnis wird auch eine dosisabhängige Zunahme des Auftretens eines Pankreaskarzinoms beobachtet: bei Patientinnen, die 1 bis 3 Tabletten in der Woche einnahmen, erhöhte sich das Risiko um 11%, bei 4 bis 6 Tabletten pro Woche um 29%, bei 7 bis 13 Tabletten um 41% und bei der Einnahme von mehr als 14 Tabletten pro Woche stieg das Risiko um 86%.

Allerdings muss hervorgehoben werden, dass keine Signifikanzschwelle festgelegt wurde, es wurde lediglich auf Grund der Dosisabhängigkeit des Effekts ein signifikanter Trend ermittelt. Die vorliegende Studie ist eine prospektive und beschreibende Studie, eine epidemiologische Studie, die nicht darauf angelegt war, nach Kausalitäten zu fragen, sie kann lediglich Trends aufzeigen.

DAZ:

Aber eine Erhöhung des Risikos um 58% an einem Pankreaskarzinom zu erkranken klingt doch sehr bedrohlich. Sollten alle Langzeit-Anwender jetzt schleunigst die Finger von der Acetylsalicylsäure lassen?

Schröder:

Eine Erhöhung um 58% klingt auf den ersten Blick gewaltig. Diese Zahl muss aber richtig eingeordnet werden, da es sich nur um das so genannte relative Risiko handelt. Insgesamt wurden 88378 Patientinnen untersucht, davon haben im Verlauf der beobachteten Jahre 161 ein Pankreaskarzinom entwickelt, dass entspricht einer Inzidenz von 0,18%.

Die Einnahme von ASS erhöhte das absolute Risiko auf lediglich 0,27%. Und das ist im Endeffekt doch eine recht geringe Anzahl Fälle an Pankreaskarzinom. Demgegenüber ist die hohe Effektivität von ASS bei der Prävention von Herzinfarkten und Schlaganfällen klar nachgewiesen und die betroffenen Patienten sollten das Mittel in jedem Fall weiter einnehmen.

Hinzu kommt, dass frühere Studien widersprüchliche Ergebnisse geliefert haben. So wurde in der Vergangenheit sowohl über ein vermindertes als auch ein gleichbleibendes Pankreaskarzinomrisiko bei langfristiger ASS-Einnahme berichtet.

Auf der Basis aller bis jetzt vorliegende Daten sollte vor allem festgehalten werden, dass Acetylsalicylsäure nicht den positiven, hemmenden Effekt auf die Ausbildung eines Pankreaskarzinoms hat, wie er sich in vorherigen Studien angedeutet hatte. Um die aufgeworfenen Fragen zu beantworten, sind jetzt weiter Untersuchungen notwendig.

DAZ:

Herr Professor Schröder, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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