DAZ aktuell

Gesundheitsreform: Keine klare Linie bei der Union

BERLIN (ks). Die Zukunft der gesetzlichen Krankenversicherung ist innerhalb der Unionsparteien nach wie vor umstritten. Nicht nur CDU und CSU finden bislang keine gemeinsame Linie Ų nun scheren auch erste CDU-Politiker aus der von der CDU-Parteivorsitzenden vorgegebenen Spur aus: Während Angela Merkel am völlig vom Lohn losgelösten Gesundheitsprämienmodell festhält, will der CDU-Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers, dieses um einen nach Einkommen gestaffelten "Solidarausgleich" ergänzen. Die CSU liebäugelt mit diesem Vorschlag ebenso wie mit dem neuen Modell Bert Rürups, das in eine ähnliche Richtung weist.

Im Dezember letzten Jahres hat die CDU auf ihrem Parteitag in Leipzig beschlossen, für jeden Erwachsenen unabhängig vom Einkommen eine Gesundheitsprämie von 200 Euro einzuführen. Für Kinder sollen 90 Euro fällig werden. Der Beitrag für Kinder sowie für Geringverdiener soll über Steuern finanziert werden. Vor allem der steuerfinanzierte Sozialausgleich traf bei der bayerischen Schwesterpartei auf Widerstand.

Der CSU-Sozialexperte Horst Seehofer wurde in den vergangenen Monaten nicht müde, zu erklären, dass eine Steuerfinanzierung den Staat überfordern werde. Er und sein Parteichef Edmund Stoiber sprachen sich wiederholt für einen Sozialausgleich innerhalb des Krankenversicherungssystems aus. Derzeit arbeitet die bayerische Sozialministerin Christa Stewens an einen Papier, das den angestrebten Weg der CSU in dieser Frage aufzeigt. Ende Juli soll dieses vorgelegt werden.

Rürup mit neuem Kopfpauschalen-Modell

Sympathie äußerten Stoiber und Seehofer unterdessen auch für ein neues Prämienmodell des Wirtschaftwissenschaftlers Bert Rürup, das dieser am 15. Juli offiziell erläutern will. Wie der "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe berichtet, schlägt Rürup vor, für Erwachsene eine Prämie von 175 Euro zu erheben. Für Kinder – auch von Privatversicherten – werden 75 Euro fällig, die von einer steuerfinanzierten Familienkasse übernommen werden. Der Arbeitgeberanteil wird ausgezahlt – rund 18 Mrd. zusätzliches Steueraufkommen soll dies dem Bund bescheren.

Die Höchstgrenze, bis zu welcher ein Versicherter belastet werden darf, setzt Rürup bei 13 Prozent des Bruttoeinkommens an. Hinzukommen soll ein einkommensabhängiger Solidarzuschlag. Rürup favorisiert einen Aufschlag von drei bis fünf Prozent auf die Steuerschuld. Möglich wäre aber auch, dass die Krankenkassen ein Prozent des Arbeitseinkommens kassieren.

Rüttgers Modell einer Bürgerprämie

Auch CDU-Vizeparteichef Rüttgers hat in einem zu Wochenbeginn bekannt gewordenen Thesenpapier vorgeschlagen, das CDU-Modell einer einkommensunabhängigen Gesundheitsprämie um einen nach Einkommen gestaffelten Solidarausgleich zu ergänzen. Er differenziert zwischen einen internen und einem externen Solidarausgleich: Die Prämien für Menschen mit keinem oder geringem Einkommen sollen über einen Zuschlag bezahlt werden, der von besser verdienenden Versicherten erhoben wird.

Zur Finanzierung der Bürgerprämie für Kinder und der Altersrückstellungen für Arme soll das Steueraufkommen verwendet werden, das durch die Auszahlung und Versteuerung des Arbeitgeberbeitrags entsteht. Dieses "Sondervermögen" soll der Staat nur für diesen Zweck ausgeben dürfen. "Eine reine Finanzierung des Solidarausgleichs aus dem Steueraufkommen ist nicht möglich", erklärt Rüttgers in seinem 10-Punkte-Papier. Anders als Rürup gibt Rüttgers nicht an, wie hoch die nun in "Bürgerprämie" umgetaufte Kopfpauschale sein soll. Die Belastungsobergrenze will er erst bei 15 Prozent des Einkommens ansetzen.

Grundlage für einen Konsens mit CSU?

Rüttgers zeigte sich optimistisch, dass auf Grundlage seines Vorschlags ein Kompromiss mit der CSU möglich sei. Die Reaktionen aus der Schwesterpartei, "aber auch aus der CDU" seien "sehr positiv". So ließ Stoiber verlauten, dass die Modelle Rürups und Rüttgers "in die richtige Richtung" gingen und "eine wichtige Grundlage für eine Verständigung in dieser Frage" sein könnten. Rüttgers hat auch ein nicht geringes eigenes Interesse an einer baldigen Einigung mit der CSU: "Im Landtagswahlkampf brauchen wir eine gemeinsame Position von CDU und CSU, damit Rot-Grün diesen Zwist nicht ausnutzen kann", erklärte er. In diesem Herbst stehen in Nordrhein-Westfalen Kommunalwahlen an – im Mai nächsten Jahres Landtagswahlen.

Merkel gegen Mischform

Merkel trat Rüttgers Plänen allerdings entgegen. Nach der Sitzung des CDU-Präsidiums am 12. Juli sagte sie, im Präsidium habe Einigkeit bestanden, dass alles unternommen werden müsse, um eine "größtmögliche Entkopplung der Gesundheits- von den Arbeitskosten" zu erreichen. Lediglich bei einem Solidarausgleich über das Steuersystem könne man alle Einkunftsarten erfassen und auch privat Versicherte ohne Schwierigkeiten einbeziehen.

Zu Rürups Vorschlägen erklärte Merkel, dass diese zwar "in die richtige Richtung" gingen. Grundlage für die CDU seien aber deren Leipziger Parteitagsbeschlüsse. "Es wird keine Mischform aus Bürgerversicherung und Prämienmodell für die Union geben", sagte die CDU-Chefin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Trotz aller Differenzen mit der bayerischen Schwesterpartei: Eine Einigung mit der CSU will Merkel spätestens bis zum nächsten Parteitag der CDU im kommenden Dezember – möglichst aber schon vorher – erreicht haben.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.