DAZ aktuell

dm und Europa-Apotheek: Was meinen Sie, Herr Meyer?

DAZ:

Die niederländische Europa-Apotheek in Venlo und die Drogeriemarkt-Kette dm testen einen neuen Weg im Versandhandelsgeschäft mit Arzneimitteln: Der Kunde bringt sein Rezept in eine Drogeriemarktfiliale. Von dort wird die Verschreibung an die Europa-Apotheek weitergeleitet. Der Kunde soll dann einige Tage später seine Medikamente im Drogeriemarkt abholen (vgl. DAZ Nr. 25/2004, S. 16). Betreibt dm damit nicht eine unzulässige Rezeptsammelstelle?

Meyer:

Das beschriebene "Geschäftsmodell" hebelt die Apothekenpflicht gem. § 43 Abs. 1 Arzneimittelgesetz aus. Statt in Apotheken werden Arzneimittel in Drogerien in Verkehr gebracht und gehandelt. Bereits das Sammeln und Weiterleiten der Rezepte ist unzulässig, weil es sich um eine unerlaubte Rezeptsammlung im Sinne des § 24 Apothekenbetriebsordnung handelt. An diese apothekenrechtliche Bestimmung muss sich nach der Rechtsprechung auch ein Nichtapotheker wie ein Drogeriemarkt halten.

Im Unterschied zur Post oder zu einem Paketdienst tritt der Drogeriemarkt mit einem konkreten Angebot zur Beschaffung von Arzneimitteln an, macht Preis- und Rabattangebote und wirbt mit Bestellkatalogen, aus denen sich der Kunde apothekenpflichtige Arzneimittel aussuchen kann. Er kann sich daher nicht darauf berufen, nur der Spediteur einer niederländischen Versandapotheke zu sein. Außerdem verstößt das Angebot des Drogeriemarkts gegen § 7 Heilmittelwerbegesetz, der die Werbung für Arzneimittel mit Zuwendungen, wie zum Beispiel Rabatten, in Deutschland verbietet, und gegen § 78 Abs. 2 S. 2 AMG, der den einheitlichen Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel vorschreibt.

DAZ:

...und wie steht es mit europarechtlichen Aspekten?

Meyer:

Die Warenverkehrsfreiheit betrifft nur grenzüberschreitende Sachverhalte. Hier geht es um den Verstoß einer deutschen Drogeriemarktkette gegen deutsches Arzneimittel- und Apothekenrecht. Die Apothekenpflicht ist – auch nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – nationale Angelegenheit und greift nicht in den freien Warenverkehr ein. Das Verbot der Rezeptsammelstellen, gegen das der deutsche Drogeriemarkt verstößt, gilt für jedermann und diskriminiert – auch nicht indirekt – keine ausländischen Anbieter.

Im Übrigen nimmt § 73 Abs. 1 Nr. 1a AMG für sich in Anspruch, dass auch im grenzüberschreitenden Verkehr die deutschen Vorschriften zum Versandhandel mit Arzneimitteln gelten, also die Apothekenpflicht und bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auch die Arzneimittelpreisverordnung.

DAZ:

Das dm-Modell wird – durchaus publikumswirksam – nun bereits mehrere Wochen praktiziert, ohne dass bislang dagegen erfolgreich eingeschritten wurde. Was kann, was sollte man Ihrer Ansicht nach rechtlich unternehmen?

Meyer:

Wo bleiben die zuständigen Aufsichtsbehörden der Bundesländer, die ansonsten jeden kleinen Verstoß einer Apotheke gegen die Apothekenbetriebsordnung oder das Apothekengesetz sofort aufgreifen? Hier besteht eine Pflicht zur Durchsetzung des Gesetzes. Es geht nicht an, dass allein das Hinterlegen eines dicken Auftragsgutachtens eines Medizinjuristen bei der zuständigen Ministerin dazu führt, dass die Überwachungsbeamten einen Maulkorb umgehängt bekommen. Umso besser, dass die Apothekerkammer Nordrhein nun auch die wettbewerbsrechtliche Schiene beschreitet, um den Anfängen zu wehren.

Ich hoffe, dass sie dem Gericht in der bevorstehenden mündlichen Verhandlung die besondere arzneimittel- und apothekenrechtliche Brisanz dieses Verstoßes klarmachen kann. Gefordert ist aber auch der deutsche Gesetzgeber. Wenn die große Koalition, die die generelle Aufhebung des Versandhandelsverbotes beschlossen hat, nicht durch Untätigkeit die Abschaffung der deutschen Apotheken herbeiführen will, sollte jetzt sie die Möglichkeiten nutzen, die das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Deutscher Apothekerverband gegen DocMorris vom 11. Dezember 2003 aufgezeigt hat, die Apothekenpflicht verteidigen und den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ganz ausschließen. Wie schnell der Gesetzgeber bei Einigkeit der Parteien agieren kann, hat er in jüngster Zeit oft genug gezeigt.

Professor Dr. Hilko J. Meyer ist Rechtsprofessor an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Er veröffentlicht regelmäßig zu Fragen des deutschen und europäischen Gesundheitsrechts, zuletzt u.a. Meyer, E-Commerce mit Arzneimitteln, Deutscher Apotheker Verlag, und in der DAZ zum GKV-Modernisierungsgesetz.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.