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Europa soll einen einheitlichen Hochschulraum erhalten. Bildungsminister von 29 Regierungen, darunter alle EU-Mitgliedstaaten, haben die Erklärung von Bologna unterzeichnet, mit der man sich u. a. dazu bekennt, die Studiengänge zu vereinheitlichen, die Qualität des akademischen Unterrichts zu erhöhen und die Mobilität der Studierenden und Dozenten zu fördern. Kernstücke dieses Vorhabens sind dabei eine modulare Ausgestaltung thematisch zusammenhängender Unterrichtseinheiten, die Bewertung von Studienleistungen nach einem einheitlichen Kreditpunktesystem und die Einführung eines zweizyklischen Studiensystems, das nach drei oder vier Jahren zum ersten Abschluss führt, dem Bachelor, und nach einem oder zwei weiteren Jahren zum Masterabschluss.

Insgesamt soll die Studienzeit fünf Jahre nicht überschreiten. Nahezu alle Universitätsfächer sind davon betroffen. Ausgenommen davon sind lediglich Fächer, die mit einem Staatsexamen abschließen wie Jura, Medizin, aber auch Pharmazie. Dennoch plädieren der Wissenschaftsrat und die Hochschulrektorenkonferenz dafür, auch diese Fächer auf das zweizyklische System umzustellen – es ist für die Pharmazie also kein Muss, sondern ein Kann, das den Hochschulen nahe gelegt wird.

Einige unserer pharmazeutischen Institute haben bereits intensiv darüber nachgedacht bzw. mussten sich auf politischen Druck hin oder auf Druck der Hochschulleitung mit der Option befassen, in Richtung Bologna zu marschieren. Prinzipiell ist es nicht schlecht, eingefahrene Wege zu hinterfragen. Bietet doch das neue System einige Vorteile. Flexibilität und Mobilität für Lehrende und Studierende, Internationalität, vielleicht mehr Qualität und mehr Selbstständigkeit für Hochschulen, Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sind die Zauberwörter, die manchen Protagonisten wie Sirenenklängen in den Ohren liegen.

Es hat ja auch Vorteile, wenn ich als Student beispielsweise Auslandssemester absolvieren kann ohne Zeitverlust – dort erworbene Punkte werden hierzulande anerkannt. Oder: mein Abschluss als Master of Science in Pharmazie wird ohne Abstriche auch in England oder Frankreich oder in den USA anerkannt. Chancen für attraktive Arbeitsplätze im Ausland erhöhen sich. Ich kann nach Abschluss des Bachelor in der Pharmazie den sich anschließenden Masterstudiengang aber auch zur Spezialisierung in Klinischer Pharmazie oder in pharmazeutischer Technologie nutzen oder gar in ein anderes Fach wechseln, z. B. in die Wirtschaftswissenschaften oder in die Medizin, um dort dann mit dem Master abzuschließen.

Hört sich verlockend an, doch die Tücken des Systems stecken im Detail. Zu den wichtigsten Fragen gehört: Soll ein Bachelor in der Pharmazie schon zur Berufsfähigkeit führen, also einen eigenen Berufsabschluss darstellen und welchen? Noch konkreter: Soll der Offizinapotheker in Deutschland seinen Beruf mit dem Bachelor- oder erst mit dem Masterabschluss ausüben dürfen? Diese Frage hängt stark davon ab, wie lange der erste Zyklus, der mit dem Bachelor abschließt, dauern soll: drei oder vier Jahre?

Ein Bachelor mit einer dreijährigen Ausbildung wäre nicht konform mit den EG-Richtlinien, auch eine Approbation könnte nicht erteilt werden, da hierzu ein vierjähriges Studium notwendig ist. Also käme wohl nur eine vierjährige Ausbildung bis zum Bachelorabschluss in Frage. Aber was bringt dann das Master-Studium? Soll dagegen der Offizinapotheker einen Masterschluss haben, welchen Status hat dann der Bachelor, der nach den Vorgaben des Systems schon berufsqualifizierend sein soll?

Darf er bereits pharmazeutisch arbeiten? Muss für ihn ein neues Berufsbild geschaffen werden, ist er eine Konkurrenz zum PTA-Beruf? Darf er den Apothekenleiter vertreten oder wird er als Filialleiter eingesetzt oder als "billige" Arbeitskraft in der Industrie? Solche Überlegungen ließen sich fortführen und zeigen, dass man höllisch aufpassen muss, wie man eine mögliche Umstellung in der Pharmazie angeht.

Trotz aller Unklarheiten: Das Bachelor-Master-System hat durchaus einen gewissen Charme, wenn es vernünftig angegangen und an pharmazeutische Belange angepasst wird. Dazu gehört nach meinen Vorstellungen z. B. die Kompatibilität mit den EG-Richtlinien, mit dem Staatsexamen und ein nicht berufsqualifizierender Bachelorabschluss. Erst der Master sollte dazu berechtigen – nach einem zusätzlichen Staatsexamen – eine Apotheke zu führen.

Ab Oktober diesen Jahres läuft an der ETH Zürich die Ausbildung nach dem neuen System. Die Schweizer gehen dabei genau diesen Weg, dass der Bachelor nicht zu einem Beruf qualifiziert und erst der Master dazu berechtigt, eine Apotheke zu führen. Der Schweizer Weg könnte eine Richtschnur für uns sein.

Peter Ditzel

Brauchen wir Bachelor und Master?

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