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Rekombinante Arzneistoffe: Hohe Anforderungen an die Qualitätssicherung

Rekombinante Wirkstoffe nehmen ein immer breiter werdendes Feld in der Arzneitherapie ein. Gegenüber "herkömmlichen Arzneimitteln" weisen sie eine Reihe an Besonderheiten auf, die zum einen die herstellenden Pharmafirmen vor große Herausforderungen stellen, zum anderen auch vom Apotheker und Anwender einen besonders sorgfältigen Umgang verlangen. Welche Qualitätsanforderungen an rekombinante Arzneimittel gestellt werden und wo es Probleme geben kann, war am 21. Juni Thema eines vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) veranstalteten Expertenforums.

"Derzeit sind in Deutschland 104 rekombinante Arzneimittel mit 75 Wirkstoffen zugelassen – und eine Reihe weiterer Wirkstoffe befindet sich in der Pipeline", erklärte Prof. Dr. Theo Dingermann, Institut für Pharmazeutische Biologie der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt/Main.

Eine Besonderheit dieser Wirkstoffe ist ihre Definition, in die auch der Herstellungsprozess einfließt: "DNA-rekombinationstechnisch hergestellte Produkte werden durch genetische Modifikation hergestellt, bei der die kodierende DNA für das benötigte Produkt gewöhnlich mit Hilfe eines Plasmids oder viralen Vektors in einen geeigneten Mikroorganismus oder eine geeignete Zelllinie eingeführt wird, in denen diese DNA exprimiert und in Protein translatiert wird. Das gewünschte Produkt wird dann durch Extraktion und Reinigung gewonnen."

Rekombinationen in vier Generationen

Ausgangspunkt für rekombinante Wirkstoffe ist in der Regel ein natürliches humanes Vorbild. Als "humane, naturidentische Wirkstoffe" kann man rekombinante Arzneimittel dennoch nicht bezeichnen. Bei genauerer Betrachtung der Produktpalette wird deutlich, dass eine erhebliche Zahl der Wirkstoffe nicht einem natürlichen, humanen Vorbild entspricht, sondern modifiziert ist. Die Gründe hierfür sind unterschiedlich und können laut Dingermann als Klassifizierungsgrundlage rekombinanter Arzneimittel dienen.

  • Wirkstoffe der 1. Generation: Bei diesen Wirkstoffen sind Modifikationen eine Konzession an die technische Machbarkeit. Beispiele sind Interferon beta-1b (Betaferon) oder Interleukin 2 (Proleukin). Diese Glykoproteine werden in E. coli produziert und sind folglich nicht glykosyliert. Ferner unterscheiden sich beide Moleküle vom Original in der N-terminalen Aminosäure. Und schließlich musste auch noch durch gezielte Mutation aus den Molekülen ein Cystein-Rest eliminiert werden, um zu verhindern, dass sich falsche Disulfid-Brücken ausbilden.
  • Wirkstoffe der 2. Generation: Als Wirkstoffe der 2. Generation werden solche bezeichnet, die tatsächlich authentisch sind.
  • Wirkstoffe der 3. Generation: Hierunter fallen Wirkstoffe, bei denen Veränderungen der Originale gezielt vorgenommen wurden, um ihnen ein neues Profil zu geben bzw. die Eigenschaften des Originals zu verbessern. Im Fall der Reteplase beispielsweise (Rapilysin), die eine nicht-glykosylierte und um die Hälfte verkürzte Variante der Alteplase (Actilyse) ist, ließen sich die kinetischen Eigenschaften optimieren. Im Vergleich zu Alteplase eröffnet Reteplase verschlossene Koronararterien rascher und verweilt länger im Plasma. Weitere Beispiele für rekombinante Arzneistoffe der 3. Generation sind die neuen Insuline (schnell wirksame Insuline wie Insulin lispro und Insulin Aspart bzw. das langsam freiwerdende Insulin glargin), mit denen sich Diabetiker besser einstellen lassen als bisher.
  • Wirkstoffe der 4. Generation: Für diese Wirkstoffe existiert kein natürliches Vorbild mehr, sie wurden vielmehr neu erfunden, sind also "Kunstproteine". Ein Beispiel für einen Wirkstoff der 4. Generation ist Etanercept. Dabei handelt es sich um die kovalente Kombination zweier löslicher Varianten des TNF-alpha-Rezeptors mit den beiden konstanten Bereichen eines Antikörpers. Etanercept sorgt für eine vollständige Bindungshemmung zwischen TNF-Molekülen und den TNF-Rezeptorstellen, was letztlich in einer signifikanten Verringerung von Entzündungsfaktoren mündet.

Kontrollen, Kontrollen und nochmals Kontrollen

Wie Dingermann ausführte, imponieren alle rekombinanten Wirkstoffe durch einen extrem hohen Sicherheitsstandard, nicht nur in Bezug auf ihre biologische Sicherheit, sondern auch in Bezug auf Kontaminationen und Verunreinigungen. Solche Verunreinigungen seien bestenfalls in Spuren vorhanden, die sich in der Regel nur theoretisch errechnen, nicht jedoch konkret nachweisen ließen.

Grund dafür sind nicht zuletzt die umfangreichen Kontrollverfahren, die den Herstellungsprozess von rekombinanten Arzneimitteln begleiten. Dies wurde auch in den Vorträgen von Dr. Gerd Zimmermann, Roche Applied Science, und Dr. Hanns-Christian Mahler, Merck KGaA, deutlich. Zimmermann beschrieb die einzelnen Herstellungsschritte und die parallel dazu durchgeführten Inprozesskontrollen und Prüfmaßnahmen während der Entwicklung von Epoetin. Mahler zeigte am Beispiel der Antikörperproduktion auf, wie groß die Anstrengungen bei der Formulierung und Stabilitätssicherung von rekombinanten Arzneimitteln sind.

Kühl lagern – was heißt das eigentlich?

Auch wenn von Herstellerseite alles Erdenkliche zur Sicherung der Qualität rekombinanter Arzneimittel getan wird – eine hundertprozentige Garantie dafür, dass der Patient in den Genuss dieser Qualität kommt, ist dies nicht. Denn auch nach der Auslieferung stellen rekombinante Wirkstoffe hohe Anforderungen an Handhabung und Lagerung. Welche Probleme dabei auftreten können, beschrieb Priv.-Doz. Dr. Irene Krämer, Leiterin der Apotheke des Klinikums der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz.

Dabei ging sie unter anderem auf die Kühlproblematik ein. Welche Auswirkungen hat es, wenn die Kühlkette aufgrund einer Verzögerung des Wareneingangs oder des Warenausgangs unterbrochen wird? Müssen für jeden Transport innerhalb der Klinik Isolierbehältnisse und Kühlaggregate bereitstehen bzw. was soll man tun, wenn keine Aggregate vorhanden sind, das Arzneimittel aber dringend benötigt wird? Wie lange hat der Arzt Zeit, um den Wirkstoff zu applizieren bzw. welche Verzögerungen sind diesbezüglich akzeptabel? Und nicht zuletzt, was bedeutet eigentlich die Bezeichnung "kühl lagern"?

Krämer bemängelte, dass die Informationen zur sachgerechten Lagerung von rekombinanten Arzneimitteln (bzw. prinzipiell zur Lagerung von temperaturempfindlichen Wirkstoffen) mangelhaft seien. Standards, die als Richtschnur dienen könnten, fehlen. Dies sei in der Klinikapotheke häufig schwierig, stelle jedoch mit Sicherheit auch die Kollegen in der Offizin vor Probleme. Probleme, für die nun Lösungen erarbeitet werden sollen. Wie Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz sagte, will er sich in seiner Funktion als Leiter des ZL dafür einsetzen, dass entsprechende Leitlinien erarbeitet werden. ral

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