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Integrierte Versorgung mit oder ohne Arzneimittel?

HAMBURG (tmb). Die integrierte Versorgung auf der Grundlage des GMG ist Neuland für alle Beteiligten. Es sind noch viele Fragen offen, insbesondere zur Lieferung von Arzneimitteln im Rahmen der neuen Versorgungsform. Als Übungsfeld für die Apotheken könnte ein Vertrag dienen, den die DAK, die Apothekenkooperation parmapharm und das Hamburger Universitätskrankenhaus Eppendorf kürzlich geschlossen haben (siehe DAZ Nr. 26/2003, S. 29).

Der Gesetzgeber hat den potenziellen Vertragspartnern bei der integrierten Versorgung einen vielfältigen Suchprozess zur Aufgabe gegeben. Ein Aspekt betrifft die Arzneimittelversorgung: Wenn bei der Behandlung integriert versorgter Patienten Arzneimittel eingesetzt werden, entsteht die Frage, ob diese Arzneimittel zum Umfang der integrierten Versorgung gehören oder nicht.

Zwei kontroverse Positionen

Aus der Entstehungsgeschichte des GMG liegt zunächst der Schluss nahe, die Arzneimittel auszugliedern. Denn die Behandlung eines Patienten stellt hier ein zusammenhängendes Leistungspaket dar, für das die Krankenkasse ein pauschales Fallhonorar zahlt, vergleichbar einer stationären Behandlung. Die Regelung des GMG, dass bei der integrierten Versorgung kein Preiswettbewerb für Arzneimittel gelten darf, wäre nur sinnvoll anzuwenden, wenn die Arzneimittel als gesonderte Position nach Arzneimittelpreisverordnung abgerechnet werden. Demnach spräche die ordnungspolitische Klarheit für diese Interpretation.

Unter der gegensätzlichen Annahme, dass die Arzneimittel einen Teil des Behandlungspaketes darstellen, wäre eine solche Abrechnung dagegen kaum vorstellbar. Diese Interpretation würde sich auf die Idee stützen, die integrierte Versorgung möglichst umfassend zu definieren und die gewohnten Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung aufzulösen. Die Regelung, die den Preiswettbewerb ausschließt, liefe dann ins Leere, weil eine Arzneimittelabgabe im herkömmlichen Sinne gar nicht stattfände, sondern eine komplexe Behandlung und Versorgung durch die verschiedenen beteiligten Heilberufler. Die vielfach geäußerte Freude über die vermeintlich für die Apotheken günstige Regelung des GMG wäre dann verfrüht gewesen.

Diese beiden kontroversen Positionen sind derzeit Gegenstand der Auseinandersetzung bei der Interpretation der integrierten Versorgung. Die Frage hatte bisher noch kaum praktische Bedeutung, weil sich die integrierte Versorgung meist nur auf medizinische Leistungen bezog. Der jüngste Vertrag zur integrierten Versorgung in Hamburg schließt aber auch einen kleinen Teil der Arzneimittelversorgung ein und geht dabei von einer pauschalen Betrachtung des gesamten Versorgungsprozesses einschließlich der Arzneimittel aus.

Vertrag in Hamburg

Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung, die die integrierte Versorgung für die Apotheken gewinnen dürfte, verdienen die Details dieses Vertrages nähere Betrachtung, obwohl hiervon nur wenige Patienten betroffen sein werden. Der Vertrag zwischen der DAK, dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und der Apothekenkooperation parmapharm beschreibt die Versorgung von Patienten des UKE mit akutem Koronarsyndrom, denen ein Stent eingesetzt wird, die bei der DAK versichert sind und die freiwillig an dieser Versorgungsform teilnehmen.

Die Behandlung dieser Patienten einschließlich der ambulanten Nachsorge wird künftig weder als stationäre noch als ambulante Versorgung abgerechnet, sondern aus dem gesonderten Budget für die integrierte Versorgung finanziert. Die Krankenversicherung zahlt dem UKE einen festgelegten Betrag als Fallpauschale für die Behandlung jedes einzelnen beteiligten Patienten. Das UKE ist im rechtlichen Sinne Träger dieser integrierten Versorgung und trägt damit das wirtschaftliche Risiko der Behandlungskosten.

Der unterschiedliche medizinische Bedarf der Patienten und der zusätzliche Aufwand durch Komplikationen geht damit zu Lasten des Krankenhauses. So soll ein wirtschaftlicher Anreiz zu einer hochwertigen Therapie mit möglichst wenigen Komplikationen entstehen. Außerdem werden in dem Vertrag zur integrierten Versorgung Qualitätssicherungsmaßnahmen festgelegt und Behandlungsziele definiert. Das UKE setzt bei den Operationen nur Ärzte ein, die mindestens 75 Stent-Operationen pro Jahr durchführen. Die Vertragspartner erstellen gemeinsam einen Qualitätsbericht.

Rolle der Apotheken

Zum vertraglich vereinbarten Behandlungsumfang gehört auch die Versorgung der Patienten mit ASS oder Clopidogrel als Thrombozytenaggregationshemmer über einen Zeitraum von bis zu neun Monaten. Die Wahl des Arzneimittels hängt davon ab, ob ein medikamentenbeschichteter Stent verwendet wird. Ihre Erstversorgung erhalten die Patienten von der Krankenhausapotheke. Die weitere Belieferung übernehmen die Offizin-Apotheken, die zur Apothekenkooperation parmapharm gehören und am Gesund-ist-Bunt-Logo zu erkennen sind.

Allein in Hamburg ist die bundesweit tätige parmapharm inzwischen mit etwa 40 Apotheken vertreten. Die Apotheken verrechnen ihre Aufwendungen für die Arzneimittel mit dem Träger der integrierten Versorgung und erhalten letztlich ein Honorar für ihre pharmazeutische Tätigkeit.

Holger Gnekow, Leiter der Adler-Apotheke in Hamburg-Wandsbek, der wesentlich an der Gestaltung des Vertrages beteiligt war, erklärte gegenüber der DAZ, dass die teilnehmenden Apotheken ihre Leistung nicht zu einem Dumpingpreis zur Verfügung stellen. Mit dem Honorar könne eine qualitätsgesicherte pharmazeutische Betreuung geboten werden. Insbesondere freue er sich, den Patienten mit diesem Vertrag eine wohnortnahe Versorgung anbieten zu können und die Apotheken an der integrierten Versorgung zu beteiligen.

Als Alternative hätten die Vertragspartner sonst eine Versandapotheke zur Belieferung der Patienten in der Nachbehandlungsphase gewählt. Dann wären die Patienten für die niedergelassenen Apotheken verloren gewesen. Der hohe Qualitätsanspruch sei ein wesentliches Argument beim Vertragsabschluss gewesen. Dies betonte auch Dr. Michael Baehr, Leiter der Apotheke des UKE, gegenüber der DAZ. Nur die Erstversorgung der Patienten käme aus der Krankenhausapotheke. Die Krankenkasse ziele mit dem Vertrag erfreulicherweise nicht auf die Lieferung billiger Arzneimittel, sondern auf eine hochqualifizierte Versorgung.

Einsparungen seien vorwiegend im Behandlungsprozess zu realisieren. Die Behandlung und die Nachsorge sollen besser koordiniert, Doppeluntersuchungen sollen vermieden werden. Außerdem biete der Hersteller der Stents eine Gewährleitung für den Fall, dass diese sich vorzeitig schließen. Durch diese Maßnahmen sollen weniger Reimplantationen erforderlich werden, was letztlich den entscheidenden Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten und auf den wirtschaftlichen Erfolg des Projektes haben dürfte. Die DAK hat eine Bonusregelung für die beteiligten Patienten in Aussicht gestellt.

Bedeutung für die Versorgungslandschaft

Wichtiger als die Einsparungen dürften aber die Signalwirkungen des eher klein bemessenen Projektes sein. Im UKE werden jährlich schätzungsweise 2000 Patienten mit einem Stent versorgt. Davon ist nur ein kleiner Teil bei der DAK versichert, und nicht alle dieser Patienten dürften der Teilnahme an der integrierten Versorgung zustimmen. Auch die quantitative Bedeutung des Projektes im Rahmen der Arzneimittelversorgung dürfte nur gering sein, weil nur zwei Wirkstoffe betroffen sind. Doch bietet dieser Vertrag allen Beteiligten eine Möglichkeit, den Umgang mit der integrierten Versorgung zu üben, Erfahrungen zu sammeln und diese in neuen Verträgen zu berücksichtigen.

Aus pharmazeutischer Perspektive bleibt bemerkenswert, dass öffentliche Apotheken an dem Vertrag teilnehmen, damit prinzipiell ihre Bereitschaft zur Mitwirkung an der integrierten Versorgung demonstrieren und sich gegenüber Versandapotheken positionieren. Doch dürfte die eingangs gestellte Frage nach der Stellung der Arzneimittelversorgung innerhalb der integrierten Versorgung damit keineswegs endgültig beantwortet sein, sondern Gegenstand weiterer Diskussionen werden.

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