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Seit einem halbem Jahr leben die deutschen Apotheken mit dem GMG. Wie sich die neue Preisbildung, Filialen, Versandhandel und erhöhte Zuzahlungen auswirken, lässt sich immerhin langsam erahnen. Doch eine der größten Neuerungen des GMG ist bisher noch nicht in der Praxis angekommen: Die integrierte Versorgung – wir wissen nicht einmal, ob sie für die Apotheken eher ein Risiko oder vielleicht sogar eine Chance darstellt.

Die integrierte Versorgung ist eine zusätzliche Versorgungsform neben ambulanter und stationärer Versorgung. So wie diese beiden Konzepte nach jeweils eigenen Vorschriften funktionieren, müssen auch für die integrierte Versorgung nahezu alle Regeln neu erfunden werden. Weder stationäre noch ambulante Regelungen können als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden. Angesichts der altbekannten Verwerfungen zwischen Krankenhausversorgung und ambulanter Arzneimittelversorgung drohen bei nun sogar drei nebeneinander existierenden Varianten umso mehr Probleme.

Immerhin lassen sich aus der Grundidee der integrierten Versorgung einige Konsequenzen für die Apotheken ableiten: Versorgung wird hier nicht mehr als Ansammlung fragmentierter Einzelleistungen verstanden, sondern als ein kontinuierlicher Behandlungsprozess, im gleichen Sinne wie im Prozessbegriff des Qualitätsmanagements. Damit kann sich für die Apothekerschaft endlich die Vision von der pharmazeutischen Betreuung erfüllen. Neben die Lieferung der Arzneimittel tritt der kontinuierliche Versorgungsprozess als klar definierte Aufgabe der Apotheker.

Je mehr dies betont wird, umso nahe liegender sind getrennte Honorare für das Arzneimittel und die pharmazeutische Leistung. Die Trennung der Einkünfte vom Wert des Arzneimittels ist aus kaufmännischer Sicht eine ungeheure Gefahr, eröffnet aber den Weg zu einem neuen Berufsbild mit allen Chancen und Risiken. Der neue Weg, auf dem die Apotheker durch die jüngste Änderung der Arzneimittelpreisverordnung bereits seit einem halbem Jahr unterwegs sind, würde in letzter Konsequenz zu Preisverhandlungen zwischen Industrie und Krankenkassen und zu einer pharmazeutischen Gebührenordnung wie für Ärzte führen. In der ambulanten Versorgung ist dies eine eher vage Zukunftsvision, in der integrierten Versorgung ist es fast schon eine logische Folge.

Wenn die Krankenkassen aber nennenswerte Honorare zahlen sollen, aus denen sich der Apothekenbetrieb und darüber hinaus ernsthafte patientenorientierte Serviceleistungen finanzieren lassen, muss die Qualität dieser Leistungen nachgewiesen werden. Bei der Warenlieferung war das nie ein Problem: Die Packung in den Händen des Patienten ist der Beweis für die gelungene Lieferung. Bei der umfassenden Versorgung und Betreuung sind ganz andere Kriterien nötig.

Glaubhaft und damit abrechenbar wird die Leistung nach zeitgemäßen Maßstäben nur, wenn sie im Rahmen eines qualitätssichernden Systems dokumentiert wird. Im Wirtschaftsleben ist dies eine Selbstverständlichkeit. Noch besser sind messbare Qualitätsindikatoren, die in der Apotheke oder sogar am Patienten erhoben werden. Der Nachweis der Prozessqualität wäre die Pflicht, die Ergebnisqualität könnte als Kür folgen.

Die bereits angekündigte Verpflichtung aller Apotheken zur Einführung eines Qualitätsmanagementsystems (QMS) in der nächsten Novelle der Apothekenbetriebsordnung würde dann nur noch eine Selbstverständlichkeit festschreiben, weil die Verträge zur integrierten Versorgung dies ohnehin erforderlich machen würden. Die Bemühungen der ABDA und vieler Kammern um ein apothekenspezifisches QMS waren damit keineswegs verfrüht und dürften sich schon bald in barer Münze für die Apotheken auszahlen. Hoffentlich ist es für die Entwicklung aussagekräftiger Qualitätsindikatoren nicht zu spät. Hier sollte die Selbstverwaltung agieren, bevor die Apotheken auf die Vorgaben von Vertragspartnern reagieren müssen.

Wie wichtig Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement für die integrierte Versorgung sind, lässt ein kleines Projekt in Hamburg erahnen. Hier konnte kürzlich eine Apothekenkooperation einen erfolgreichen Vertragsabschluss melden. Die Qualitätssicherung soll dabei wesentlichen Einfluss gehabt haben. Denn gegenüber den Vertragspartnern kann eine vergleichsweise homogene Kooperation mit festgeschriebenen Qualitätsmanagementmaßnahmen ein geschlosseneres Bild vermitteln als die Gemeinschaft aller Apotheken.

Das kleine Beispiel aus Hamburg zeigt auch, welche grundsätzlichen Fragen die Beteiligung von Apotheken an der integrierten Versorgung aufwirft. So ist zu klären, ob die Arzneimittel einzeln oder als Teil der gesamten Versorgung honoriert werden. Einzelheiten hierzu finden Sie in unserer Analyse auf Seite 28 in dieser DAZ.

Die Konsequenzen des GMG lassen sich nach einem halben Jahr noch nicht klar überschauen, ganz besonders nicht in der integrierten Versorgung. Doch eines ist gewiss: Chancen eröffnet die integrierte Versorgung den Apotheken nur, wenn sie überhaupt daran teilnehmen – und nicht die Versender aus wo auch immer.

Thomas Müller-Bohn

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