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ABDA zum Spiegel-Bericht: Nachgewiesener Betrug ist Sache des Staatsanwalts

BONN (im). "Wenn kein Zweifel besteht, dass sich Apotheker unkorrekt verhalten haben, dann ist das eine Sache für den Staatsanwalt. Zum Betrug gehört kriminelle Energie, und wir stellen uns nicht vor diese Kollegen." So kommentiert Professor Rainer Braun, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Apotheker Ų ABDA, den Verdacht auf einen möglichen Abrechnungsbetrug durch Pharmazeuten, über den "Der Spiegel" am 7. Juni berichtete. Allerdings hat sich der Verdacht bislang nicht erhärtet, hieß es beim Bundesverband der Betriebskrankenkassen.

ABDA-Repräsentant Braun machte im Gespräch mit der Deutschen Apotheker Zeitung klar, dass er – wenn überhaupt – nur von wenigen Einzelfällen ausgeht, es dürfe keinesfalls dem gesamten Berufsstand Fehlverhalten vorgeworfen werden. Er habe am 8. Juni sein Angebot an die Krankenkassen und das Ministerium wiederholt, zur Aufklärung beizutragen, sagte er der DAZ.

Getürkte Abrechnung?

"Der Spiegel" hatte von Manipulationen bei der Abrechnung des Kassenrabatts berichtet. Es geht um den 16-prozentigen Herstellerabschlag an die Kassen für rezeptpflichtige Medikamente ohne Festbetrag. Dabei ist das Inkasso per Gesetz den Apothekern aufgebürdet worden, die den Vorgang in der Regel über ihre Rechenzentren abwickeln lassen.

Die Rechenzentren wiederum müssen den Herstellerrabatt vorfinanzieren, da die Krankenkassen schon mit dem Inkrafttreten des Beitragssatzsicherungsgesetzes in 2003 dazu übergegangen sind, ihre Vorauszahlungen um den Herstellerabschlag zu kürzen, der damals bei sechs Prozent lag. Anschließend holen die Rechenzentren die Rabatte bei den jeweiligen Unternehmen zurück, denen sie entsprechende Rechnungen ausstellen, weil der Einzug des Herstellerrabatts für die Apotheken eigentlich nur ein durchlaufender Posten darstellen soll.

Laut Spiegelbericht haben pharmazeutische Unternehmen angeblich "massenhafte Abrechnungsmanipulationen" an die gesetzlichen Kassen (GKV) und das Bundesgesundheitsministerium in Berlin gemeldet. Aufgefallen sei dies bei der regelmäßigen Mitteilung sämtlicher Medikamente und ihrer Preise an die Informationsstelle für Arzneimittel (IfA), die alle zwei Wochen die Liste der neuesten Preise für die Apotheken erstellt.

Dabei ist durch die Pharmazentralnummer ein eindeutiger Produktbezug möglich und bekannt, welches Präparat in einer Apotheke auf Rezept abgegeben wurde. Laut Spiegelinformation seien bei Abrechnungen Medikamente aufgetaucht, die in Deutschland nicht verschrieben und auch nicht abgegeben würden. Es handele sich zum Beispiel um Medikamente "zum Zwecke internationaler Ausschreibungen". Angeblich haben die Hersteller auf Basis der Verkaufsangaben der Apotheker für mehr Arzneimittel Rabatt erstattet, als sie im Inland ausgeliefert hatten.

Außerdem seien Abrechnungsnummern jener nur im Ausland gehandelten Präparate aufgetaucht, hieß es. Vermutet wird in Herstellerkreisen, dass Apotheker hochpreisige Medikamente von Originalanbietern bei den Kassen abrechneten, die Arzneien aber "aus günstigeren Quellen" an die Patienten abgaben. Hochrechnungen kommen laut Spiegel auf einen Schaden für die Firmen von über 300 Millionen Euro.

BKK: Nur Einzelfälle

Unterdessen hat sich der Verdacht eines großen Abrechungsbetrugs durch Apotheker bislang nicht erhärtet. So ging der Bundesverband der Betriebskrankenkassen in Essen zu Wochenbeginn lediglich von Einzelfällen aus, meldete die Deutsche Presseagentur. Es gebe Unterlagen, die geprüft werden müssten. Eine Sprecherin der BKK sagte, es sei noch unklar, ob es sich um Fehler in der Datenverarbeitung oder bei der Zuordnung von Verschreibungen oder tatsächlich um Betrug handele.

Das Bundesgesundheitsministerium hat keine eigenen Erkenntnisse über Betrügereien. Die Patientenschutzbeauftragte der Regierung, Helga Kühn-Mengel, sprach allerdings von kriminellem Verhalten der beteiligten Pharmazeuten und forderte Vorkehrungen der Apothekerschaft, um Betrügereien in der Zukunft zu verhindern.

ABDA: Unklarer Bericht

Für Professor Braun von der ABDA warf der Artikel im "Spiegel" etliche Fragen auf. Wenn von hochpreisigen Originalen und preiswert abgerechneten Präparaten die Rede sei, handele es sich womöglich um den Festbetragsmarkt, bei dem es Erstanbieterpräparate und Generika gebe. Da dürfte es eigentlich keine Auffälligkeiten geben, weil der hohe Herstellerabschlag nicht erhoben wird, meint Braun. Der 16-prozentige Kassenrabatt wurde den Herstellern aber für rezeptpflichtige Arzneimittel ohne Festbetrag auferlegt.

Braun appellierte an Kassen und Ministerium, der ABDA die Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Nur so sei eine lückenlose Aufklärung möglich. Ansonsten sei vorstellbar, dass womöglich in diesem Zusammenhang "Dummy-Präparate" abgerechnet worden seien, was auffallen müsste. Im Zuge der neuen Aut-idem-Regelung hatten einige Firmen, so wird vermutet, Arzneimittel mit teils völlig überhöhten Preisen pro forma auf den Markt gebracht, um die Drittellinie, die die Auswahl von Arzneimitteln durch Apotheker bedingt, künstlich nach oben zu ziehen.

Grundsätzlich schätzt Braun die Zahl der unkorrekt abrechnenden Kollegen als sehr gering ein und bezweifelt auch die Höhe des Schadens. Selbst wenn sich die Summe von 300 Millionen Euro bestätige, relativiere sich das Ausmaß, wenn man dies den 25 Milliarden Euro Gesamtbruttoumsatz aller Apotheken mit der GKV gegenüberstelle.

Staatsanwalt wird tätig

Der genannte Vorgang werde vermutlich einen wahren Kern haben, der als Betrugsvorwurf in die Hände des Staatsanwalts übergehe. Die ABDA werde nachgewiesene schwarze Schafe nicht schützen, sagte Braun. Sollte sich der Verdacht bei einigen Apothekern als wahr herausstellen, drohten neben strafrechtlichen Verfahren anschließend Sanktionen des Berufsrechts. Schließlich müssten Pharmazeuten die Apothekenbetriebsordnung und die Arzneimittellieferverträge beachten.

"Stimmungsmache" gegen Apotheken

Grundsätzlich kritisierte Professor Braun die "Stimmungsmache" gegen den Berufsstand im "Spiegel". Denn dieses Magazin hatte zu Beginn des Artikels genüsslich den angeblichen Gewinn vor Steuern von Deutschlands Apothekern genannt, und auf die angeblich zu hohe Apothekendichte hierzulande gemessen an Nachbarstaaten verwiesen. Beide Angeben sind laut Braun falsch. Besonders ärgerte ihn die Apothekendichte, die zu den "höchsten der Welt" zählen soll. Es sei falsch, weil nicht auf die unterschiedlichen Abgabestätten der Länder oder auf Besonderheiten wie den Selbstmedikationsmarkt eingegangen werde.

Bei differenzierter Betrachtung liegt Deutschland mit seinen 3875 Bürgern pro Apotheke im Übrigen über dem EU-Schnitt von 3300, was die angeblich zu hohe Apothekendichte relativiert. Auf diese Weise wird den Lesern in dem Beitrag aber suggeriert, in Deutschland gibt es zu viele Apotheken, die trotz des hohen Einkommens (angeblich 100 000 Euro vor Steuern) auch noch illegal ihr Einkommen verbessern wollten. Braun wies diese Darstellung entschieden zurück.

Abschließend stellte der ABDA-Hauptgeschäftsführer klar, dass weder Patienten noch gesetzliche Kassen geschädigt wurden, falls sich der Verdacht auf Betrug bewahrheitete. Denn den finanziellen Schaden hätten die pharmazeutischen Hersteller, so Braun als Antwort auf die Patientenbeauftragte der Regierung, die in der "Berliner Zeitung" von einer Manipulation zu Lasten von Kassen und ihrer Versicherten gesprochen hatte. Kranke könnten beruhigt sein, denn selbst wenn preiswerte Produkte anstelle teurer Originalia abgegeben worden seien, drohe bei einem identischen Wirkstoff keine Gefahr.

"Wenn kein Zweifel besteht, dass sich Apotheker unkorrekt verhalten haben, dann ist das eine Sache für den Staatsanwalt. Zu Betrug gehört kriminelle Energie, und wir stellen uns nicht vor diese Kollegen." So kommentiert Professor Rainer Braun, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Apotheker – ABDA, den Verdacht auf einen möglichen Abrechnungsbetrug durch Pharmazeuten, über den "Der Spiegel" am 7. Juni berichtete. Allerdings hat sich der Verdacht bislang nicht erhärtet, hieß es beim Bundesverband der Betriebskrankenkassen. 

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