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Gesundheitsreform: Dramatischer Umsatzrückgang bei Phytos

BERLIN (hb). Schon im ersten Vierteljahr 2004 machte sich der Ausschluss der nicht-rezeptpflichtigen Arzneimittel von der Kassenerstattung bei pflanzlichen Arzneimitteln drastisch bemerkbar, und die Tendenz setzt sich fort. Die Gesellschaft für Phytotherapie, die Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung und die Kooperation Phytopharmaka nahmen dies zum Anlass, bei einem Pressegespräch am 7. Mai 2004 in Berlin eindringlich vor den möglichen Folgen für die Arzneimitteltherapie und für die Patienten zu warnen.

Inwieweit Phytopharmaka von den Auswirkungen des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) bislang betroffen sind, belegte Jürgen Petersen, IMS Health, mit Zahlen. Bereits in den ersten drei Monaten waren verheerende Umsatzeinbrüche zu verzeichnen, sein Fazit. Dem Rückgang im Gesamtmarkt von 12% im ersten Quartal 2004 stand ein Rückgang von 18% bei den Phytos und 10% bei allen anderen Arzneimitteln gegenüber (nach Packungen: gesamt –13%, Phytos –18%, alle anderen –12%). Damit mussten die Phytopharmaka-Hersteller einen Verlust von 43,4 Mio. Euro (zu Herstellerabgabepreisen) verkraften.

Gegenüber dem ersten Quartal des Vorjahres wurden 8,3 Mio. Packungen weniger verkauft. Bei Prostataerkrankungen hatten Phytopräparate bislang einen Rezeptanteil von 80%, im Bereich der Antidepressiva und stimmungsstabilisierenden Mittel wurden sie zu 60% verordnet. Diese Verordnungen sind nun in einer Höhe von mehr als der Hälfte des Umsatzes weggebrochen, ein Verlust, der durch Privatrezepte oder durch zunehmende Selbstmedikation nicht annähernd kompensiert wird.

Unerwünschte Substitution

Als Konsequenz des Verordnungsausschlusses befürchtet der Geschäftsführer des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und Sprecher der Kooperation Phytopharmaka, Dr. Bernd Eberwein, vor allem, dass die Phytotherapie als wichtige Säule der ärztlichen Therapie insgesamt verloren gehen könnte. Bislang wird von dem "grünen Rezept" nur zögerlich Gebrauch gemacht, darüber hinaus weichen die Ärzte in vielen Fällen auf die Substitution mit verschreibungspflichtigen chemisch definierten Arzneimitteln aus.

Als Beispiele für die zu erwartenden Substitutionseffekte führte der Vorsitzende der Gesellschaft für Phytotherapie, Prof. Dr. Fritz H. Kemper, drei "Parade-Domänen" der Phytopharmaka an: den Austausch von Cimicifuga oder Agnus castus gegen die Hormonersatztherapie, von Johanniskraut gegen chemisch definierte Antidepressiva oder auch von pflanzlichen Magen-Darm-Mitteln gegen Metoclopramid oder H2-Blocker. Zum Umfang der Substitution in der ärztlichen Praxis gebe es leider noch keine gesicherten Erkenntnisse, ergänzte Petersen, allerdings werde sich dieses Phänomen durch den Vorzieheffekt im letzten Quartal 2003 möglicherweise auch noch nicht bemerkbar machen.

Zu wenige Phytos auf der Ausnahmeliste

Eberwein kritisierte darüber hinaus, dass aus dem Bereich der pflanzlichen Arzneimittel lediglich vier – Johanniskraut, Ginkgo, Flohsamenschalen und Mistel, und auch diese nur bei eingeschränkten Indikationen – auf der am 1. April diesen Jahres in Kraft getretenen Ausnahmeliste stehen. Die Liste müsse diesbezüglich deutlich ausgeweitet werden, so seine nachdrückliche Forderung.

Industrie fährt Forschung zurück

Welche Folgen die Umsatzeinbrüche für die Forschungsaktivitäten der Pharmaunternehmen haben, erläuterte der Präsident der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung, Prof. Dr. Rudolf Bauer. Gerade auf dem Gebiet der pflanzlichen Arzneimittel sei die deutsche Forschung bislang weltweit führend gewesen. Sie sei eine wesentliche Grundlage für die Ausbreitung der Phytotherapie vor allem in den USA.

Da diese Bemühungen fast ausschließlich von den Pharmafirmen selbst finanziert werden, befürchtet Bauer durch den dramatisch rückläufigen Umsatz auch einen massiven Schaden für die Forschung. Schon jetzt fahren die Firmen Forschungsaktivitäten zurück, unterstrich er, und stellen laufende und geplante Forschungsvorhaben ein.

Schon im ersten Vierteljahr 2004 machte sich der Ausschluss der nicht-rezeptpflichtigen Arzneimittel von der Kassenerstattung bei pflanzlichen Arzneimitteln drastisch bemerkbar – und die Tendenz setzt sich fort. Die Gesellschaft für Phytotherapie, die Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung und die Kooperation Phytopharmaka nahmen dies zum Anlass, bei einem Pressegespräch am 7. Mai 2004 in Berlin eindringlich vor den möglichen Folgen für die Arzneimitteltherapie und für die Patienten zu warnen.

Zitat Die Ergebnisse der Allensbach-Studie belegen, dass der Wille der Verbraucher und der Patienten im GKV-Modernisierungsgesetz politisch völlig missachtet wird. F.H. Kemper, Vorsitzender der Gesellschaft für Phytotherapie

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