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KBV: Ärzte beobachten Barmer Service-Apotheken mit Argusaugen

BONN (im). Die niedergelassenen Ärzte sehen die Barmer Service-Apotheken sehr skeptisch. Sie befürchten, dass Pharmazeuten ärztliche Leistungen erbringen, und kritisieren scharf die "Einmischung von Apothekern in ärztliche Kompetenzen". Auf der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung rief deren Chef Dr. Manfred Richter-Reichhelm am 17. Mai in Bremen die Apotheker auf, sich auf ihre eigenen Aufgaben zu beschränken.

Richter-Reichhelm, erster Vorsitzender der KBV, erwähnte in seinem Bericht zur Lage Gespräche mit dem deutschen Apothekerverband (DAV) und der Barmer Ersatzkasse. Die KBV forderte die Einhaltung der "Friedensgrenze" zwischen beiden Heilberufen. Mischten sich Pharmazeuten in ärztliche Tätigkeiten ein, würden die Ärzte im Gegenzug das Dispensierrecht fordern und den Versandhandel mit Arzneimitteln fördern, griff Richter-Reichhelm eine alte und eine aktuelle Drohung auf.

Der Ärzte-Repräsentant konstatierte zugleich positive Wirkungen der Gespräche mit DAV und Barmer. Es liegt ein unmissverständliches schriftliches Bekenntnis der Apotheker vor, die eigenen Aufgaben wahrzunehmen und ermittelte Werte und Risikopotenziale "niemals" zu interpretieren, so der KBV-Chef. Der DAV habe auch zugesagt, dass Pharmazeuten die Versicherten immer auf eine notwendige ärztliche Untersuchung verweisen.

Die Vorsitzenden sämtlicher Kassenärztlicher Vereinigungen haben an DAV und Barmer appelliert, den Vertrag entsprechend abzuändern, um eine Klage zu vermeiden. Offenkundig ärgert die Mediziner das (geringe) Honorar, das Barmer Service-Apotheken erhalten. Die Ersatzkasse vergütet das erstmalige Erstellen des Medikationsprofils beim pharmazeutischen Management mit fünf Euro, anschließend die monatliche Betreuung der Patienten und das Führen des Profils mit pauschal fünf Euro in den Monaten, in denen Apotheker die Leistungen erbringen.

Laut Richter-Reichhelm ist das ein Vergütungssatz pro Quartal, "der fast der Hälfte eines normalen durchschnittlichen hausärztlichen Fallwertes pro Quartal entspricht". Es gehe nicht an, dass Pharmazeuten für ihre Beratungsleistungen solche Honorare bekämen, so die deutliche Kritik des obersten Kassenarztes.

Wust an Bürokratie

Insgesamt beklagte er einen großen Zuwachs an Bürokratie durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG), was ein tiefes Misstrauen der Politik gegenüber selbstständigen Ärzten zeige. Das Misstrauen gegenüber der Freiberuflichkeit werde auch in der zunehmenden Zentralisierung der Gesundheitsstrukturen deutlich. Allein die Förderung von Gesundheitszentren, die Rot-Grün immer befürworte, zeigt, dass die Regierungskoalitionen mehr Zugriff auf größere Einheiten haben möchten. Für Freiberufler verschlechterten sich die Bedingungen zusehends, da die Krankenhäuser "schwere Geschütze" aufführen, "mit dem Ziel, die ambulanten Versorgung aufzubrechen".

Kliniken im Vorteil

Richter-Reichhelm wies in diesem Zusammenhang auf die klaren Wettbewerbsvorteile bei der neuen integrierten Versorgung der Kliniken gegenüber selbstständigen Ärzten und Apothekern hin. Durch die derzeitige Finanzierung bekommen die Krankenhäuser ihre Investitionen gesondert finanziert und könnten über ihre Klinikapotheke Preisvorteile weitergeben. So sind ihre Angebote kostengünstiger als ambulant getragene Integrationsverträge, machte der KBV-Vorsitzende auf einen Sprengsatz des GMG aufmerksam.

Zwar gebe es für den Patienten auch Chancen durch Gesundheitszentren wie eine bequeme Versorgung und bessere Kooperation der Ärzte. Allerdings habe es auch schon bisher gut funktionierende fachübergreifende Gemeinschaftspraxen gegeben. Richter-Reichhelm mahnte eine flexiblere Berufsordnung an, damit Mediziner in der eigenen Praxis tätig sein und an einem medizinischen Versorgungszentrum mitarbeiten können.

Skeptisch zeigte er sich auch zu den geplanten Hausarztmodellen. Die KBV begrüßt die hausarztzentrierte Versorgung, allerdings nur auf freiwilliger Basis für die Patienten. Die Kranken müssten ihren Hausarzt auch weiterhin frei wählen dürfen.

Weniger Arztbesuche

Der Ärzte-Chef wollte sich nicht darauf festlegen, ob die rückläufige Zahl an Patientenbesuchen in Arztpraxen wegen der Praxisgebühr von Dauer sei. Zwar sei im ersten Quartal die Patientenzahl um zehn Prozent gesunken, es bleibe aber abzuwarten, ob dies nur auf Vorzieheffekten von Ende 2003 beruhe. Schließlich hat es auch einen "Vorziehbauch" bei nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im vergangenen Dezember gegeben, der mittlerweile "fast abgearbeitet" ist.

Hinzu komme, dass viele Patienten durch die hohen Zuzahlungen aus den ersten drei Monaten ihre Belastungsgrenze schon erreicht haben und für den Rest des Jahres von Selbstbehalten befreit werden. Belastbare Zahlen sind daher erst zum Ende des zweiten Quartals zu erwarten. In Bremen befürchtete der KBV-Chef allerdings aufgrund der Praxisgebühr einen Rückgang der Arztbesuche sozial schwacher Bürger. Die Ärzte wollten genau beobachten, ob finanziell eher ärmere Menschen womöglich wegen der zehn Euro zu spät versorgt werden.

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