Arzneimittel und Therapie

Pharmakogenomik: Der Therapieerfolg ist genetisch festgelegt

Individuelle genetische Unterschiede beeinflussen die Wirkung einer medikamentösen Therapie auf pharmakokinetischer und pharmakodynamischer Ebene. Effektivität und Toxizität einiger Zytostatika werden durch einzelne genetische Polymorphismen bestimmt. Können diese im Voraus erkannt werden, kann die Therapie sicherer und effektiver gestaltet werden.

Bereits in den späten 50er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde vermutet, dass unsere Gene für die individuelle Wirkung von Arzneimitteln verantwortlich sind. Aus der daraus resultierenden Forschungsrichtung, der Pharmakogenetik, entwickelte sich die Pharmakogenomik, die sich mit dem Wechselspiel von Pharmakon und Genom befasst.

Polymorphismen führen zu unterschiedlichen Reaktionen eines Organismus auf einen Wirkstoff. Dies kann am Beispiel von 5-Fluorouracil gezeigt werden: Polymorphismen bei der Metabolisierung führen zu einer unterschiedlichen Toxizität; Polymorphismen am Angriffsort sind für die unterschiedliche Wirksamkeit verantwortlich.

Die genetisch regulierte Heterogenität der Arzneimittelwirkung setzt sich also aus einem genetischen Polymorphismus auf die Arzneistoffexposition und einem genetischen Polymorphismus im Hinblick auf die Wirksamkeit der Therapie zusammen.

Wirkmechanismus von 5-FU

Bei einer Infusion von 5-Fluorouracil wird vorwiegend die Thymidylatsynthase gehemmt. Eine Überexpression dieses Enzyms kann zu Resistenzen und verstärkten Toxizitäten führen. Von dem Thymidylatsynthase-Gen sind mehrere Polymorphismen bekannt. Liegt ein TSER*3-Genotyp vor, wird die Thymidylatsynthase verstärkt exprimiert. Dieser TSER*3 Polymorphismus ist mit einer schlechteren Überlebensrate und einem reduzierten Ansprechen auf 5-Fluorouracil assoziiert. Ein bestimmter genetischer Polymorphismus ist also für die Wirksamkeit der Therapie verantwortlich.

Metabolisierung von 5-FU

Über 80% des verabreichten 5-Fluorouracils werden über drei Enzyme des Pyrimidinstoffwechsels abgebaut. Der initiale und limitierende Schritt ist die Inaktivierung von 5-Fluorouracil durch die Dihydropyrimidindehydrogenase (DPD). Eine reduzierte Aktivität dieses Enzyms ist mit einem erhöhten Risiko schwerer Toxizitäten – auch bei Standarddosierungen – begleitet.

Bislang sind mindestens 20 Polymorphismen in dem DPD-Gen identifiziert worden, wobei nicht alle dieser Polymorphismen mit einer reduzierten Enzymaktivität assoziiert sind. Patienten, bei denen ein DPD*2A Polymorphismus vorliegt, weisen eine verringerte DPD-Aktivität auf; für sie ist bereits eine Standarddosis von 5-Fluorouracil toxisch und überdosiert, was sich vor allem in schweren, lebensbedrohlichen Knochenmarkstoxizitäten und neurotoxischen Begleiteffekten äußert.

Ein bestimmter genetischer Polymorphismus ist also für die Toxizität der Therapie verantwortlich. Inzwischen können sowohl homozygote als auch heterozygote Träger einer entsprechenden Mutation am DPD-Gen molekularbiologisch identifiziert werden.

Polymorphismen bestimmten die Toxizität ...

Der Topoisomerase-Hemmstoff Irinotecan (Campto®) wird intrazellulär durch eine Carboxylesterase zu dem aktiven Metaboliten SN-38 umgewandelt. Dieser wird durch eine UDP-Glukuronyltransferase (UGT1A1) konjugiert und anschließend ausgeschieden. Genetische Varianten in der Promotorregion des hepatischen UGT1A1-Enzyms können mit einem Glukuronidierungsdefekt für Irinotecan (inklusive der aktiven Metaboliten) assoziiert sein und mit einem erhöhten Risiko für schwere Toxizitäten (Durchfälle, Neutropenien) einhergehen.

Beim Gilbert-Meulengracht-Syndrom und beim Crigler-Najjar-Syndrom liegt ein solcher genetischer Polymorphismus des UGT1A1 Promotors (UGT1A1*28) vor. Patienten mit bekanntem Gilbert-Syndrom beziehungsweise Glukuronidierungsdefekt haben ein erhöhtes Risiko für eine Irinotecan-Toxizität. Ein prätherapeutisches Screening ist möglich (UGT1A1-Diagnostik).

... und den Therapieerfolg

Die Glutathion S-Transferase P1 (GSTP1) spielt bei der Entgiftung von Oxaliplatin (Eloxatin®) eine Rolle. Beim Vorliegen eines bestimmten Polymorphismus im GSTP1-Gen wird der Therapieerfolg mit Oxaliplatin beim fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom beeinträchtigt. So konnte in einer Studie gezeigt werden, dass das mittlere Überleben nach einer Therapie mit 5-Fluorouracil und Oxaliplatin im Durchschnitt bei 24,9 Monaten, bei Vorliegen eines bestimmten Polymorphismus (GSTP1/105V) nur 7,9 Monate beträgt.

Individuelle genetische Unterschiede beeinflussen die Wirkung einer medikamentösen Therapie auf pharmakokinetischer und pharmakodynamischer Ebene. Effektivität und Toxizität einiger Zytostatika werden durch bestimmte genetische Polymorphismen bestimmt. Können diese im Voraus erkannt werden, kann die Therapie sicherer und effektiver gestaltet werden. 

5-Fluorouracil

Applikationsart entscheidet über den Wirkmechanismus:

  • 5-FU-Bolus-Gabe: RNA-Hemmung in der Tumorzelle
  • 5-FU-Dauerinfusion: Hemmung der Thymidylatsynthase in der Tumorzelle Hemmung der Thymidylatsynthase:
  • ist verantwortlich für das Ansprechen auf die Therapie
  • Polymorphismen beim Thymidylatsynthase-Gen führen zu einer unterschiedlichen Ansprechbarkeit Metabolisierung:
  • 5-FU wird durch die Dihydropyrimidindehydrogenase (DPD) inaktiviert
  • unterschiedliche DPD-Aktivität ist verantwortlich für die Toxizität

Ziele der Pharmakogenomik

Dosierung. Sind pharmakokinetische Faktoren beim Patienten bekannt, kann die Dosis eines Medikaments seinem Metabolismus angepasst werden. Dadurch wird die Wirkung des Medikaments gesichert und Nebenwirkungen können reduziert werden. Effizienz. Ist bereits zu Beginn einer Therapie bekannt, welches in Frage kommende Medikament bei einem Patient wirkt, können erfolglose Versuche vermieden werden.

Sicherheit. Können Nebenwirkungen bei einem Patienten auf ein bestimmtes Medikament vorhergesagt werden, kann auf andere, besser verträgliche Wirkstoffe ausgewichen werden. Gibt es keine Alternativen, können ärztliche Begleitmaßnahmen vorbereitet werden.

Prävention. Sind Krankheitsursachen durch genetische Faktoren bedingt, lassen sich Krankheiten durch Tests frühzeitig erkennen und möglicherweise vermeiden. [aus: Gene und Gesundheit. Hrsg. F. Hoffmann-La Roche AG, Basel 2003].

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.