Technologie

P. C. Schmidt et al.Arzneiformen unter dem Rasterele

Bilder sagen mehr als Worte. Dieser Satz gilt auch für das Mikroskop und insbesondere das Rasterelektronenmikroskop, das interessante Einblicke in pharmazeutische Rohstoffe, Zwischenprodukte und Fertigarzneimittel liefert. Die folgende Abhandlung zeigt an mehreren Beispielen den großen Nutzen dieses Verfahrens für die Pharmazeutische Technologie.

Prinzip des Rasterelektronenmikroskops

Das Prinzip des Elektronenmikroskops (Abb. 1) basiert auf dem Lichtmikroskop, wobei anstelle des Lichts Elektronen verwendet werden. Der von der Kathode (1) erzeugte primäre Elektronenstrahl trifft auf die Probe (7) und erzeugt Sekundärelektronen, die für die Bilderzeugung genutzt werden.

Die Bezeichnung Rasterelektronenmikroskopie (REM) rührt daher, dass die Probe nach Art eines Fernsehbildes zeilenartig abgetastet und aus den Sekundärelektronen die Abbildung aufgebaut wird. Aus diesem Grund werden Rasterelektronenmikroskope auch häufig als Sekundärelektronenmikroskope (SEM) bezeichnet.

Der Vorteil des Rasterelektronenmikroskops liegt nicht nur in seiner hohen Auflösung (je nach Gerätetyp bis hinab zu ca. 10 nm), sondern auch in seiner großen Tiefenschärfe, was vor allem bei kleineren Vergrößerungen gut genutzt werden kann, bei denen die Lichtmikroskopie hinsichtlich der Tiefenschärfe wesentlich schlechter abschneidet. Dies verdeutlichen die Abbildungen 2 und 3.

Abbildung 2 zeigt die beiden Teile eines Klettverschlusses. Der Abbildungsmaßstab von 500 µm weist aus, dass das Bild eine Tiefenschärfe von mehr als 1 mm aufweist. Sowohl die "Noppen" als auch die "Schleifen" sind scharf abgebildet. Abbildung 3 ist ein Beispiel für die Leistungsfähigkeit im Bereich der Hochauflösung. Die Diatomeen (Kieselalgen) offenbaren bei höherer Vergrößerung zuvor nicht sichtbare Substrukturen.

Das Rasterelektronenmikroskop ist mehr als ein "schöner Fotoapparat". Es dient beispielsweise in der Chipfertigung zur routinemäßigen Qualitätskontrolle. Aufgrund seiner hohen Auflösung und der enormen Tiefenschärfe ist es zur Dokumentation von Stoffen und Zubereitungen auch in der Pharmazeutischen Technologie unentbehrlich geworden, denn auch hier gilt: Mehr als 50% aller Probleme lassen sich mikroskopisch lösen.

Pharmazeutische Ausgangsstoffe

Das mikroskopische Erscheinungsbild ist fester Bestandteil einer jeden Stoffbeschreibung. Das Rasterelektronenmikroskop offenbart dabei Details, die dem Lichtmikroskop verschlossen bleiben. Abbildung 4 zeigt Beispiele für Ausgangsstoffe, die sich in ihrem Habitus deutlich unterscheiden. Die kubischen Natriumchloridkristalle weisen eine hohe Regelmäßigkeit auf, &aalpha;-Lactose-Monohydrat lässt sich häufig über die typischen keilförmigen Kristalle identifizieren.

Eine Besonderheit stellt das unter dem Namen "Karion Instant" vermarktete sprühgetrocknete und sekundär agglomerierte Sorbitol dar, das bei geringer Vergrößerung ein stark oberflächenstrukturiertes Korn ausweist, dessen einzelne sehr feine Kristallite erst bei höherer Vergrößerung in Erscheinung treten. Von Sorbitol gibt es zahlreiche Produkte, die alle der polymorphen Modifikation des Á-Sorbitols angehören und trotzdem eine große Vielfalt in ihrem Kristallhabitus aufweisen.

Feste Arzneizubereitungen

Zu den festen Arzneizubereitungen sind – außer den heute kaum noch verwendeten Pulvern und den Inhalanda (s. u.) – die Granulate und Pellets sowie die daraus hergestellten Kapseln und Tabletten (mit bzw. ohne Überzüge) zu zählen. Eine Sonderform fester Arzneizubereitungen sind sofort lösliche Arzneistoffplättchen.

Abbildung 5 zeigt im linken Teil ein mit einem Überzug versehenes Pellet im Querschnitt. Das Innere zeigt eine einheitliche, hochverdichtete Struktur, die immer dann entsteht, wenn Pellets nach dem Verfahren der Extrusion und Spheronisation hergestellt werden. Die Pellets weisen eine hohe Dichte auf, sind mechanisch stabil und zeigen ein definiertes Bruchverhalten.

Im Gegensatz dazu sind Pellets, die nach dem Verfahren des "Powder layering" hergestellt wurden, durch die Anwesenheit eines Starter-Kristalls, vorzugsweise aus Saccharose, sowie eine lockerere Struktur mit höherer Porosität gekennzeichnet. Diese Pellets sind weicher und zeigen häufig keinen exakt definierbaren Bruchpunkt unter Belastung.

Pellets werden beim Verpressen zu Tabletten mehr oder weniger deformiert (Abb. 6 oben rechts und unten). Sind die Pellets mit einem funktionellen Film überzogen (magensaftresistente Form oder Retardform), muss dieser eine hohe Flexibilität aufweisen, um während des Verpressens Rissbildungen zu vermeiden.

Welche hohen Kräfte auf die Pellets einwirken, wird insbesondere beim Betrachten der unteren Abbildungsreihe der Abbildung 6 deutlich. Mikrotabletten sind gegenüber Druck wesentlich widerstandsfähiger als Pellets, wie Abbildung 6 oben links zeigt. Trotz Einbettung in eine Tablettenmatrix behalten sie weitgehend ihre ursprüngliche Form bei und weisen weniger Filmschäden auf.

Sofort lösliche Arzneistoffplättchen werden durch Einfüllen einer Arzneistofflösung in einen Blisternapf und anschließende Gefriertrocknung hergestellt. Sie zeichnen sich durch ein geringes Gewicht der einzelnen Plättchen aus, haben eine geringe mechanische Stabilität, sind hydrophil und lösen sich im Mund ohne Zufuhr von Flüssigkeit innerhalb weniger Sekunden vollständig auf.

Abbildung 7 zeigt eine lichtmikroskopische Aufnahme eines solchen Plättchens in der Aufsicht und in der Bruchfläche sowie ein rasterelektronenmikroskopisches Bild, das die während der Gefriertrocknung entstandenen Austrittskanäle für den Wasserdampf zeigt.

Inhalanda

Für die rasterelektronenmikroskopische Darstellung eignen sich vor allem Pulverinhalate und Präparate, bei denen von einer ringförmigen Tablette das Pulver im spanabhebenden Verfahren abgeschabt wird. Abbildung 8 zeigt drei Beispiele.

Das Präparat Benosid® N enthält als Träger α-Lactose-Monohydrat-Kristalle, auf deren Oberfläche der mikronisierte Arzneistoff Budesonid im Sinne einer interaktiven Mischung adhäsiv gebunden ist. Die Bindung erfolgt vorzugsweise an Kristall-Irregularitäten (Abb. 8 oben).

Das Präparat Aerodur® Turbohaler enthält Softpellets, die aus dem reinen, mikronisierten Wirkstoff Terbutalinsulfat bestehen. Die Softpellets werden in einem speziellen Mischverfahren hergestellt und sind so aufgebaut, dass sie durch die Atemluft des Patienten in die Einzelpartikel zerfallen und auf diese Weise redispergiert werden. Ihre Oberflächenstruktur gibt Auskunft über die Teilchengröße des Wirkstoffs (Abb. 8 Mitte).

Ein vollkommen anderes Prinzip verfolgt der Jethaler der Firma Ratiopharm. Von einer ringförmigen Tablette wird mittels eines rotierenden Messerkopfes aus Keramik die zur Inhalation benötigte Dosis abgeschabt. Dabei entstehen primär Agglomerate, die durch den Strom der Atemluft und die im Apparat entstehenden Turbulenzen in die Einzelteilchen zerstäubt werden (Abb. 8 unten).

Der Vorteil der Ringtablette gegenüber Pulvern besteht darin, dass sie aufgrund ihrer viel kleineren Oberfläche gegen lagerungsbedingte Feuchteeinflüsse weniger empfindlich ist.

Sprühgetrocknete Produkte

Sprühtrocknungsprodukte sind sowohl als Fertigarzneimittel in Form der sofortlöslichen Teepräparate als auch als Zwischenprodukte in Form von Sprüheinbettungen ätherischer Öle, öllöslicher Vitamine etc. im Handel. Abbildung 9 zeigt sprühgetrocknete Trockenextrakte, welche durch Verdüsen mit einer Einstoffdüse unter hohem Druck (oben) bzw. mit einer Zweistoffdüse unter moderatem Druck (unten) hergestellt wurden.

Die Teilchengrößenunterschiede sind deutlich: Die Einstoffdüse liefert Partikeln im Bereich von etwa 400 bis 1000 µm, während mit einer Zweistoffdüse Partikeln im Bereich von etwa 5 bis 30 µm anfallen. Die Ausschnittsvergrößerungen zeigen das typische Ausblasloch der größeren Partikeln, aus dem nach dem Verfestigen der äußeren Hülle der Wasserdampf aus dem Inneren des Sprühtröpfchens entwichen ist, und die Feinstruktur der kleineren Partikeln: Hohlkugeln, die zum Teil kleinere Kugeln eingelagert enthalten.

Eine Besonderheit enthält Abbildung 10. Es handelt sich um ein sprühgetrocknetes Vitamin-E-Acetat, bei dem das öllösliche Vitamin in eine Matrix aus Gummi arabicum und Gelatine eingebettet und dann sprühgetrocknet wurde. Die Ausschnittvergrößerung zeigt, dass Öltröpfchen auch auf der äußeren Schale des Sprühtrocknungskügelchens verbleiben, also während der Präparation unter Vakuum nicht verdampft sind. Dies beweist, dass Vitamin-E-Acetat auf der Oberfläche des Sprühproduktes vorhanden ist.

Injizierbare Depotarzneiformen

Unter den injizierbaren Depotarzneiformen dominieren heute die Peptid-Hormone. Nahezu alle gehören der Klasse der Dekapeptide an, die sowohl im sauren Milieu des Magens als auch im alkalischen des Darms instabil sind, weshalb zwei injizierbare Depotformen für die Langzeitbehandlung entwickelt wurden: Implantatstäbchen (Abb. 11) und Mikropartikeln (Abb. 12).

Abbildung 11 zeigt das Präparat Zoladex® (Goserelin). In der Detailaufnahme sind unregelmäßige Konturen am Ende des Implantatstäbchens gut zu erkennen. Diese Unregelmäßigkeiten könnten für den von Zeit zu Zeit beobachteten Injektionsschmerz verantwortlich sein.

Abbildung 12 zeigt Mikropartikeln auf der Basis von Polymilchsäure/Polyglykolsäure-Copolymerisaten, die das Peptid-Hormon Leuprorelin enthalten. Sie sind nach dem "Water-in-drying" genannten Prozess hergestellt:

  • Das Peptid wird zuerst in Wasser gelöst.
  • Dann wird mit einer Polymilchsäure/Polyglykolsäure-Lösung in Methylenchlorid eine W/O-Emulsion gebildet.
  • Durch Hinzufügen von Polyvinylalkohol in wässriger Lösung entsteht eine W/O/W-Emulsion, die in der inneren, wässrigen Phase das Peptid enthält.
  • Durch Abziehen des Lösungsmittels unter Vakuum fällt das Polymer aus und schließt den Wirkstoff ein. Restlösungsmittel und Wasser werden anschließend durch Trocknen entfernt; dabei entstehen die Löcher in der Oberfläche der Mikropartikeln.

Zusammenfassung

Die Rasterelektronenmikroskopie hat in der Pharmazeutischen Technologie sowohl bei Rohstoffen, Zwischenprodukten und Fertigarzneimitteln als bildgebende Methode weiten Eingang gefunden. Viele Aspekte wie etwa die Feinstruktur von sprühgetrockneten Produkten oder von polymeren Mikropartikeln lassen sich ausschließlich mit der Rasterelektronenmikroskopie darstellen und erklären.

Literatur

[1] P. C. Schmidt: Secondary Electron Microscopy, in: J. Swarbrick and J. C. Boylan: Encyclopedia of Pharmaceutical Technology, Vol. 19, Suppl. 2, 311 – 356. Marcel Dekker Inc., New York/Basel 2000.

Bilder sagen mehr als Worte. Dieser Satz gilt auch für das Mikroskop, insbesondere für das Rasterelektronenmikroskop, das interessante Einblicke in pharmazeutische Rohstoffe, Zwischenprodukte und Fertigarzneimittel liefert. Unser Beitrag zeigt an mehreren Beispielen den großen Nutzen dieses Verfahrens für die Pharmazeutische Technologie. So lassen sich die Feinstruktur von sprühgetrockneten Produkten oder von polymeren Mikropartikeln nur mit der Rasterelektronenmikroskopie authentisch darstellen

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