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GMG und Apothekenzukunft: Neue Herausforderungen für aktive Apotheken

BAD HOMBURG (diz). Mit Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) am Anfang dieses Jahres hat sich für die Apothekenlandschaft in Deutschland einiges verändert. Pessimismus ist allerdings nicht angesagt, machte Ministerialrat Dr. Gert Schorn, Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung (BMGS), auf der Veranstaltung "Apotheken 2004" des Managementforums in Bad Homburg am 20. April deutlich. Er zeigte, welche rechtlichen Anforderungen das GMG an die Apotheken stellt und welche Chancen sich für aktive Apotheken auftun.

Das GMG ist entstanden vor dem Hintergrund eines zunehmenden finanziellen Drucks in den Sozialsystemen, die mit einer Überalterung der Bevölkerung fertig werden müssen. Das GMG reagiert darauf u.a. durch Einführung strukturierter Behandlungsprogramme und der integrierten Versorgung.

Im Apothekenbereich schuf man die Voraussetzung für mehr Wettbewerbsmöglichkeiten unter den Apotheken: die Apotheke kann ihr Warensortiment vergrößern, die Preise für OTC-Arzneimittel frei kalkulieren, am Versandhandel teilnehmen und maximal drei Filialen haben. Auch Liberalisierungstendenzen in der EU (freier Verkehr von Waren und Dienstleistungen) haben Rückwirkung auf die Apothekenlandschaft.

Unentbehrlichkeit beweisen!

Kritiker stellen die Frage, ob wir heute überhaupt noch Apotheken brauchen, und verweisen darauf, dass auch andere Wirtschaftsunternehmen Teile von den Apothekenaufgaben übernehmen könnten. Deshalb, so mahnte Schorn, müssen Apotheken selbst beweisen, dass sie mittel- und langfristig im Gesundheitswesen unentbehrlich sind.

Aber, Pessimismus ist nicht angesagt, denn, so Schorn: "Die Zukunft der Apotheker ist besser als sie denken", wenn die Apotheker die Chancen, die sich aus dem Wettbewerb ergeben, erkennen und wahrnehmen. Solche Chancen liegen insbesondere in neuen Aufgaben für Apotheken, beispielsweise in der Kooperation und Moderation der Leistungserbringer und Leistungsempfänger im Gesundheitswesen, also zwischen Ärzten, Krankenkassen, Pflegediensten, Patienten und Angehörigen, in der pharmazeutischen Betreuung, im Versandhandel und E-Commerce, in der Versorgung, vor allem chronisch Kranker und älterer Bürger zu Hause.

Vorsicht vor zuviel Kooperation

Die Apotheke sollte erkennen, dass mehr Eigenverantwortlichkeit, mehr Flexibilität auf Anforderungen aus dem Umfeld gefragt sind, gleichzeitig die Wettbewerbsmöglichkeiten im Gesundheitsmarkt erhöht sind. Dennoch sollte an erster Stelle der Grundsatz stehen, dass die Arzneimittel- und Versorgungssicherheit gewährleistet bleiben muss: Wort, Zweck und Sinn des neuen Rechts müssen erfüllt werden.

Konkret ging Schorn bei diesem Thema auf die zunehmende Beteiligung von Apotheken an Kooperationen ein. Er fragte, ob es sinnvoll sei, sich von Dachmarken, Finanzgebern und Großhandlungen abhängig zu machen. Er warnte konkret vor möglichen Folgen. Dadurch könne die Akzeptanz und das Image in der Politik, bei Gesundheitspartnern und Bürgern in Frage gestellt werden. Die Apotheker lieferten der Politik dadurch Argumente für Großketten und Fremdbesitz.

Es könnte die Frage nach der Notwendigkeit von Apotheken und die zukünftige Position im Gesundheitswesen aufkommen. Schorn: "Liefern Sie keine Steilvorlagen auf diesem Gebiet für deutsche Gerichte und den Europäischen Gerichtshof." Selbst die Mehrheit der Apotheker (58%) ist einer Studie zufolge überzeugt, dass Kooperationen mit einheitlichem Marktauftritt den Fall des Fremdbesitzverbots beschleunigen.

Leistungsbereitschaft zeigen

Der Apotheker sollte Leistungsbereitschaft und Kundenorientierung zeigen, es sind wesentliche Werbe- oder Marketingstrategien, mit denen in berufsangemessener Weise um das Vertrauen der Bevölkerung geworben werden könne, wie auch aus einer Entscheidung der Bundesverfassung in Verbindung mit der Sonntagsöffnung hervorgeht.

Auch bei einer Entscheidung in Verbindung mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz geht das Bundesverfassungsgericht von einer leistungsbereiten Apothekerschaft aus. Es könne zwischen Apotheken aufgrund der neuen Gesetzeslage durchaus zu einer verschärften Konkurrenzsituation kommen, "möglicherweise werden Apotheken auch geschlossen", so das Bundesverfassungsgericht.

Solche Marktveränderungen ließen aber keine Gefährdung für den Berufsstand als solchen und für das gemeine Wohl erwarten, das von der Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung ebenso abhänge wie von einer leistungsfähigen und leistungsbereiten Apothekerschaft.

Mehrbesitzregelung ist gesetzeskonform

Die mit dem GMG geschaffene Möglichkeit, bis zu drei Filialapotheken zu betreiben, wird von Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts gestützt. Es sei abwegig zu vermuten, die Bundesregierung bewege sich hier im luftleeren Raum, wie Kritiker dieser Regelung gern behaupten. Die Mehrbesitzlockerung sei auch während des Gesetzgebungsverfahrens auf ihre Grundgesetzkonformität durch Ressorts der Bundesregierung überprüft worden.

Zu beachten sind insbesondere Wortlaut und Querverweise auf andere Vorschriften, es sind amtliche Begründungen, Entschließungen von Bundesrat und Bundestag mit in die Interpretation des Gesetzes einzubeziehen. Vor diesem Hintergrund warnte Schorn eindringlich davor, keine Ketten durch Verknüpfungen von Gesellschaften zu bilden, ebenso warnte er vor verkappten Beteiligungen, auch in Verbindung mit dem Versandhandel.

Zur Zielsetzung des Mehrbesitzes von öffentlichen Apotheken merkte der Regierungsbeamte an: Den Apotheken habe man damit die Gelegenheit geben wollen, Wirtschaftlichkeit und Finanzmanagement zu erhöhen und die Flexibilität in der Warenbewirtschaftung zu stärken.

Dies gelte auch für mehr Flexibilität in der Personalbewirtschaftung, wodurch Arbeitsplätze gesichert werden könnten. Durch die Mehrbesitzregelung könnten letztendlich auch wirtschaftlich schwache Apotheken einbezogen werden, wodurch die Arzneimittelversorgung auch dünnbesiedelter Gebiete gewährleistet werden könne.

Schließlich könne auch an einen gemeinsamen Internetauftritt und eine Verbundwerbung gedacht werden. Beachtet werden sollte beim Mehrbesitz von öffentlichen Apotheken, exakte Verträge abzuschließen zwischen Betreiber und dem Verantwortlichen für die Filialapotheke.

Kundenbindung durch Versandhandel

Zu den Zielen des Versandhandels bzw. E-Commerce mit Arzneimitteln gehören die Zukunftsorientierung, die Marktsicherung und der Marktausbau. Verbraucher zeigen Interesse, es ist ein Trend hin zum Internethandel in allen Altersstufen festzustellen. Die Bundesregierung hat mit Zulassung des Versandhandels einen geregelten, überwachten Internethandel geschaffen.

Die Vorteile für die öffentliche Apotheke liegen in der Kundenbindung durch Service mit neuen Technologien. Der Apotheke ist eine umfassende Kundenansprache möglich mit allgemeinen Gesundheitsinformationen, über solche Möglichkeiten können auch Kunden zurückgewonnen werden.

Mit dem GMG zog offiziell auch der Versandhandel in Deutschland ins Apothekenwesen ein. Analysiert man das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11. Dezember im Rechtsstreit Deutscher Apothekerverband gegen die Versandapotheke DocMorris, zeigt sich, dass sich die deutschen Regelungen zum Versandhandel einschließlich des elektronischen Handels mit Arzneimitteln in der Systematik wie auch im Inhalt vollständig in Übereinstimmung mit dem Urteil befinden.

Selbst die Regelung, dass ein Mitgliedstaat für verschreibungspflichtige Arzneimittel ein Versandverbot verfügen darf, ist rechtskonform. Mittlerweiler hat das Bundesgesundheitsministerium Empfehlungen zum Versandhandel und elektronischen Handel mit Arzneimitteln bekannt gemacht (Bekanntmachung vom 18. März 2004, s. DAZ Nr. 13, S. 136). Oberster Grundsatz bleibt: Der Apotheker muss in jedem Einzelfall produkt- und situationsspezifisch eigenverantwortlich entscheiden.

Zu unterscheiden sind vier verschiedene Lösungen:

  • Lieferservice/Botendienst ("Pizza-Taxi-Lösung"): Hier erfolgt die Lieferung eines Arzneimittels in die Nähe der Apotheke durch einen Boten, persönlich, unter unmittelbarer Weisung und Zuständigkeit durch die Apotheke.
  • Versandhandel ("Kaufhauslösung"): Die Lieferung des Arzneimittels erfolgt über größere Strecken, die Zustellung erfolgt durch Logistikunternehmen, das Personal untersteht nicht unmittelbar der Weisung einer Apotheke.
  • E-Commerce ("Bookshop-Lösung"): Hier läuft alles elektronisch ab mit Ausnahme der Lieferung, die Zustellung erfolgt wie beim Versandhandel durch ein Logistikunternehmen.
  • E-Versandhandel ("EVA-Lösung"): Darunter versteht man die elektronisch unterstützte Versandapotheke.

Gerüstet für den Wettbewerb

Schorn zeigte sich optimistisch, dass sich die Apotheke nach dem GMG durchaus dem Wettbewerb im Gesundheitsmarkt stellen kann: "Die Präsenzapotheke bietet ab 2004 noch mehr". Die Vielseitigkeit der modernen Apotheke zeigt sich bereits im Warensortiment, nämlich verschreibungspflichtige, nicht-verschreibungspflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel, außerdem Medizinprodukte und apothekenübliche Waren nach der neuen Definition in der Apothekenbetriebsordnung.

Hier gehören u. a. "Mittel sowie Gegenstände und Informationsträger, die der Gesundheit von Menschen und Tieren mittelbar oder unmittelbar dienen oder diese fördern". Die moderne Apotheke kann über ihr Website im Internet den Kunden Informationen zur Gesundheit zur Verfügung stellen, der Apotheker ist in der Apotheke Fachmann, Ansprechpartner in Gesundheits- und Arzneimittelfragen.

Aus all diesem zeigt sich, dass eine Apotheke, die die neuen Möglichkeiten nutzt, ein modernes und zukunftsorientiertes Image hat und dank neuer Technologien eine hohe Qualität.

Erlaubnis für Versandhandel?

Welche Apotheke sollte eine Erlaubnis für das Betreiben eines Versandhandels beantragen?

  • Jede Apotheke, die des Öfteren z. B. über Logistikunternehmen Arzneimittel zustellt oder diesen Service anbietet, sollte eine Erlaubnis für den Versandhandel beantragen.
  • Eine Apotheke, die ausschließlich einen Botendienst unterhält, also eine Person, die zustellt und unmittelbar dem verantwortlichen Apotheker unterstellt ist, benötigt keine Erlaubnis.

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