Aus Kammern und Verbänden

Saluplanta: Neues über Arznei- und Gewürzpflanzen

Am 24. und 25. Februar 2004 veranstaltete der Verein für Arznei- und Gewürzpflanzen Saluplanta e.V. in Zusammenarbeit mit der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau des Landes Sachsen-Anhalt das 14. Bernburger Winterseminar zu Fragen der Arznei- und Gewürzpflanzenproduktion. Nahezu 200 Experten aus Anbau, Handel, Industrie, Forschung und Behörden trafen sich dort zum fachlichen Austausch.

Phytotherapie: wirksam, aber diskriminiert

Über Möglichkeiten und Grenzen der Phytotherapie referierte Prof. Dr. Karin Kraft, Inhaberin des Lehrstuhls für Naturheilkunde an der Universität Rostock. Sie verwies auf den hohen wissenschaftlichen Kenntnisstand hinsichtlich Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von pflanzlichen Drogen und hob die 80 Monographien hervor, die von der europäischen Dachorganisation nationaler Gesellschaften für Phytotherapie (ESCOP) verfasst wurden und sich als Grundlage für die Bewertung im Sinne einer evidenzbasierten Medizin eignen.

Der schon früher hohe Akzeptanzgrad der Phytotherapie bei der deutschen Bevölkerung ist aufgrund der geringen Nebenwirkungsraten weiter gestiegen. Wegen guter Verträglichkeit und Compliance eignen sich Phytopharmaka auch als Kombinationspartner in multimodalen Therapieprogrammen, wie sie in der Rehabilitationsmedizin und bei der Versorgung von multimorbiden Patienten erforderlich sind.

Allerdings haben die phytotherapeutischen Kenntnisse der Ärzte, mit Ausnahme der Ärzte für Allgemeinmedizin, abgenommen. Deshalb prägen mittlerweile zumeist Vorurteile anstelle von Fachkompetenz die öffentliche Diskussion. Das sei eine Ursache für die Diskriminierung der Phytotherapie.

Der weitgehende Ausschluss von der Erstattungsfähigkeit infolge des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) führt dazu, dass das hervorragende Nutzen-Risiko-Potenzial der Phytotherapie, das für diverse Indikationen wie z. B. Demenz vom vaskulären und vom Alzheimer-Typ, leichte und mittelschwere depressive Episoden, nachlassende Leistungsfähigkeit des Herzens entsprechend Stadium II nach NYHA, benigne Prostatahyperplasie Stadium I und II oder degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparates besteht, deutlich weniger als bisher genutzt wird – mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patienten. Dieser Fehlentwicklung gelte es entgegenzutreten.

Qualitätssicherung von Phytopharmaka

Einige neue rechtliche Bestimmungen in der EU erörterte Dr. Barbara Steinhoff vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V. in Bonn. Die Europäische Richtlinie über traditionelle pflanzliche Arzneimittel wird in Kürze in Kraft treten. Sie sieht ein vereinfachtes Registrierungsverfahren, basierend auf der traditionellen Anwendung der Präparate, vor; außerdem soll ein Ausschuss gegründet werden, der eine Liste traditionell angewendeter Arzneipflanzen sowie entsprechende Monographien erstellen soll.

Gravierende Konsequenzen werden sich durch die geplante Änderung des Wirkstoffbegriffs im deutschen Arzneimittelgesetz ergeben. Dies bedeutet die Ausweitung der Inspektionsmaßnahmen bis hin zum Anbau (oder der Sammlung) von Arzneipflanzen. Auf EU-Ebene sollen die Höchstmengen für Pflanzenschutzmittel neu geregelt werden. Eine entsprechende Verordnung, die unmittelbar in allen Mitgliedstaaten gelten wird, ist in Vorbereitung.

Nach den EU-Regelungen über "flavouring substances" wird bis Juli 2005 eine Positivliste der erlaubten Substanzen erstellt. Die Neufassung der Richtlinie 88/388/EWG als Verordnung enthält eine Liste von Stoffen wie z. B. Cumarin oder Safrol mit entsprechenden Grenzwerten.

Die Qualitätsparameter für pflanzliche Drogen beleuchtete Dr. Lothar Kabelitz, Fa. PhytoLab in Vestenbergsgreuth. Die europäische Leitlinie CPMP/QWP/2820/00 "Note for Guidance on Specifications: Test Procedures and Acceptance Criteria for Herbal Drugs, Herbal Drug Preparations and Herbal Medicinal Products" wurde im Januar 2002 in Kraft gesetzt. Sie fordert im Rahmen der Reinheitsprüfungen eine Untersuchung auf Kontaminanten (mikrobiologische Belastung, Gehalte an Mykotoxinen, Schwermetallen, Pestiziden, Begasungsmitteln u. a.).

Qualität kann nicht in ein Produkt hineingeprüft werden, Qualität muss erzeugt werden. Dies fängt beim Anbau von Arzneipflanzen und bei der Sammlung von Arzneidrogen an. Schon hier kommen Verwechslungen oder Verfälschungen vor. Auch können zu hohe Schwermetall- oder Stickstoffgehalte der Böden zu überhöhten Schwermetall- und Nitratbelastungen der Drogen führen. Durch unsauberes Arbeiten können die Drogen mit Sand, Fäkalien usw. verunreinigt werden.

Arzneipflanzenanbau im In- und Ausland

Mit der Alternative Import von Arzneidrogen oder einheimischer befasste sich Erhard Schiele, ESG-Kräuter GmbH in Bäumenheim-Hamlar. Die zunehmende Globalisierung und der hohe Preisdruck führen fast automatisch nahezu in jeder Branche zu weltweitem Zukauf und Handel. Kommunikation, Datenaustausch, Fracht und Geldfluss stellen heute kein Problem mehr dar.

Doch das Qualitätsverständnis ist sehr unterschiedlich. Oft gibt es im Ausland keine verlässliche Dokumentation der Produktionsdaten. Verunreinigungen mit Pflanzenschutzmittelrückständen, insbesondere von solchen, die bei uns nicht zugelassen sind, können den Absatz gefährden. Wer Arzneidrogen im Ausland kauft, muss deshalb den dortigen Produzenten das nötige Know-how zur Verfügung stellen.

Arzneipflanzenproduktion in Frankreich

Wie Dipl.-Ing. Léon Van Niekerk, Fa. Daregal, Milly-la-Fôret, berichtete, werden in Frankreich derzeit über 120 Arten Aroma-, Arznei- und Gewürzpflanzen auf 33 000 ha angebaut. Bei Lavendel (Lavandula angustifolia, 5000 ha) und Lavandin (Lavandula hybrida, 16 000 ha) ist das Land weltweit führend. Die Arzneipflanzenproduktion hat sich seit ungefähr zehn Jahren sehr gut entwickelt. Hauptkulturen sind Schlafmohn (8000 ha), Ginkgo (500 ha) und Pfefferminze (300 ha). Bei Gewürzpflanzen sind Thymian (350 ha), Petersilie (400 ha) und Estragon (300 ha) die bedeutendsten Arten.

Die Wildsammlung spielt noch eine Rolle, z. B. für Kleines Mädesüß (Filipendula ulmaria) und Enzian (Gentiana lutea), die im Gebirge (z. B. Auvergne) gesammelt werden. Die Homöopathie braucht zahlreiche Arten, aber in geringen Mengen, die nur durch Sammeln wirtschaftlich zu gewinnen sind.

Der "äußerst nützliche" Lein

Über Leinsaat als Lebensmittel, Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel sprach Dr. Ralph Thomann, Institut für Getreideverarbeitung GmbH in Bergholz-Rehbrücke. Seiner vielseitigen Verwendbarkeit wegen erhielt Lein, eine der ältesten Kulturpflanzen Europas, den wissenschaftlichen Namen Linum usitatissimum ("äußerst nützlich"). Weltweit werden jährlich ca. 3 Mio. t Leinsaat produziert; davon führt Deutschland etwa 225 000 t ein.

Leinöl zeichnet sich durch seinen hohen Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren aus (alpha-Linolensäure ca. 55%, Linolsäure ca. 15%; Verhältnis omega-3- zu omega-6-Fettsäuren ca. 3 :1). Ernährungsphysiologisch ist es den Kaltfischölen und dem Sanddornöl gleichzusetzen. Seit einigen Jahren ist durch Arbeiten von Adlerkreutz, Helsinki, bekannt, dass die Lignane im Leinsamen als Phytoöstrogene wirken.

Ihre krebsprophylaktische Wirkung wurde in klinischen Studien in Finnland, Kanada und Deutschland untersucht und wird kontrovers diskutiert. Das hohe Quellvermögen von Leinsamen ist der Grund für die Verwendung als mildes Abführmittel und den Einsatz bei warmen Kompressen.

Welkeresistentes Johanniskraut

Wie Dr. Ute Kästner, Bundesanstalt für Züchtungsforschung Quedlinburg, und Prof. Dr. Wolf Dieter Blüthner, Fa. N. L. Chrestensen in Erfurt, berichteten, gelang nach mehrjähriger Forschungsarbeit die Entwicklung von Linien des Johanniskrautes (Hypericum perforatum) mit hochgradiger Resistenz gegen die Johanniskrautwelke (Pilz Colletotrichum).

Aufgrund der besonderen Reproduktionsbiologie des Johanniskrautes (fakultative pseudogame Apomixie) ist die Übertragung von erwünschten Eigenschaften durch Kreuzung erschwert. Zur Sicherung der Welkeresistenz sind deshalb wiederholte Selektionszyklen in den Kreuzungsnachkommenschaften erforderlich.

Neuer "Heeger" in Bearbeitung

Zum Stand der Erarbeitung des neuen Standardwerkes für den Arznei- und Gewürzpflanzenbau sprach Dipl.-Ing. Bernd Hoppe, Gemeinnützige Forschungsvereinigung Saluplanta e.V. in Bernburg. (Das letzte umfassende Handbuch dieser Art wurde 1956 von E. F. Heeger herausgegeben.) Fertig gestellt wurden bis Februar dieses Jahres im speziellen Teil 31 Anbauanleitungen; an den Texten zu 14 weiteren Arten arbeiten renommierte Experten.

Die Erarbeitung des allgemeinen Teils wurde mit Beginn des Jahres 2004 in Angriff genommen. Themen sind u. a.: Qualitätsanforderungen an Arzneipflanzen und an Gewürzpflanzen, Züchtung und Inkulturnahme, Pflanzenschutz, Lagerhaltung, Analytik, Phytopathologie. Nähere Informationen unter www.saluplanta.de, Link GFS.

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