Praxis aktuell

Problemrezeptur mit Harnstoff

In der neuen Folge unserer DAZ-Rubrik "Praxis aktuell", in der wir Fragen aus dem Apothekenalltag vorstellen und Lösungsvorschläge aufzeigen, geht es um die Verarbeitung von Harnstoff in Rezepturen.

Harnstoffhaltige Rezepturen werden gerne und häufig verordnet. Inadäquate Arbeitsergebnisse führen aber leider immer wieder zu der folgenden Kritik aus Dermatologen-Kreisen: "Wenn ich Harnstoff-Rezepturen verordne, bekomme ich Schmirgelpapier geliefert." Typisch ist das folgende Rezeptur-Beispiel:

Urea pura: 9,00 Lipoderm-Lotion ad 180,00

Fragen: Welche Probleme sind bei dieser Rezeptur zu erwarten? Welche Optimierungsempfehlungen geben Sie dem verordnenden Dermatologen?

Antwort: In wasserhaltigen Systemen erleidet Harnstoff eine Zersetzung in seine Ausgangsstoffe Ammoniak und Kohlendioxid. Die Reaktion läuft sowohl in sauren und als auch in basischen Lösungen ab. Temperaturerhöhung wirkt gemäß der RGT-Regel beschleunigend auf diesen Vorgang. Bereits bei einer geringfügigen Zersetzung kommt es zu durch den entstehenden Ammoniak zu pH-Verschiebungen in Richtung eines basischen Milieus, was katalytisch die weitere Abbaureaktion beschleunigt.

Das Stabilitätsoptimum für Harnstoff liegt bei pH 6,2. Für die Verarbeitung von Harnstoff ergeben sich hieraus verschiedene Konsequenzen. Harnstoff darf in Wasser auf keinen Fall unter Anwendung von Wärme gelöst werden. Die durch einen endothermen Lösungsvorgang abgekühlte Lösung darf allenfalls vorsichtig auf Raumtemperatur gebracht werden.

Die wasserhaltigen Vehikelsysteme dürfen nicht stark sauer oder basisch reagieren. Um die Zersetzungsprozesse weitgehend zurück zu drängen, ist es erforderlich, einen Puffer einzusetzen, der im schwach sauren Bereich abpuffert. Das NRF sieht dazu in seinen Harnstoff-Monographien (NRF 11.71., 11.72. und 11.74.) die Verwendung eines Lactat-Puffers vor, der zu 1 % aus Milchsäure und zu 4 % aus Natriumlactat-Lösung 50 % besteht. Alle anderen "freien" Harnstoffhaltigen Individual-Rezepturen müssen sich an diesem Standard messen lassen und entsprechend angepasst werden.

Die Lipoderm-Lotion stellt vom Vehikeltyp her eine W/O-Lotion dar. Daher muss der Harnstoff zunächst in Wasser und dem zur Stabilisierung notwendigen Lactat-Puffer kalt gelöst werden. Kühlt die Lösung dabei stark ab, darf sie unter vorsichtigem Erwärmen unter Thermometer-Kontrolle auf Raumtemperatur gebracht, höchstens jedoch auf 30 °C erwärmt werden. Anschließend wird die Lösung in kleinen Portionen in die Lipoderm-Lotion eingearbeitet.

Stehen in der Apotheke schnell rührende Rührwerke (ESGE-Zauberstab, Kenwood-Chef, Kitchen-Aid (beide mit Planetenrührwerk), Stephan, Unguator, Topitec) zur Verfügung, kann die Rezeptur auch auf folgendem Wege hergestellt werden. Man legt die Lipoderm-Lotion vor, streut den Harnstoff auf die Oberfläche, fügt den Lactat-Puffer hinzu und rührt bei relativ hoher Drehzahl so lange, bis der Harnstoff sich in der inneren Phase der W/O-Emulsion gelöst hat. Dies kann auf einfache Art und Weise durch die "Fingernagel-Probe" überprüft werden. Genauer kann der gelöste Zustand durch das Abziehen einer Probe über ein Grindometer oder die Betrachtung unter dem Mikroskop festgestellt werden.

Nach den Erfahrungen aus der Rezeptur-Hotline ergeben sich in den Apotheken immer wieder Probleme bei der Verarbeitung von Harnstoff in den verschiedenen Grundlagensystemen. Es gibt drei grundsätzliche Vorgehensweisen:

a) Harnstoff in hydrophoben Salben wie Kohlenwasserstoff-, Oleo-, Lipogelen, in Wasser aufnehmenden Salben wie O/W- oder W/O-Absorptionssalben

Wird der Harnstoff in einem der angeführten Vehikel-Systeme suspendiert, muss der in kristalliner Form gelieferte Wirkstoff zunächst pulverisiert werden. Das im NRF angeführte Verfahren, den Harnstoff zunächst mit Aceton zu verreiben und dann zu mörsern, hat sich in der Praxis nicht bewährt. Bis die Reste des Geruchs nach Aceton verschwunden sind, vergeht eine zu lange Zeit, die in der Rezepturpraxis nicht zur Verfügung steht.

Aus unserer Erfahrung empfiehlt es sich, den Harnstoff zunächst in einem rauhen Porzellan-Mörser sorgfältig zu pulverisieren. Dabei sollten nur kleine Portionen auf einmal gemörsert werden. Der so bearbeitete Harnstoff wird durch Sieb 180 gesiebt und dann in der vorgesehenen Salbengrundlage suspendiert.

Anschließend wird die fertige Zubereitung mindestens einmal, besser zweimal über die Salbenmühle (Dreiwalzenstuhl) geschickt. Nach jedem Durchgang wird der Ansatz gut durchgerührt. Über die Homogenität der Teilchengröße erhält man nur eine sichere Auskunft, wenn man eine Salbenprobe über ein Grindometer abzieht oder unter dem Mikroskop betrachtet.

Man kann in etwa sagen, dass jeder Durchgang über die Salbenmühle – richtige Einstellung der Walzen vorausgesetzt – die Größe der Teilchen um die Hälfte verkleinert. Eine Teilchengröße von unter 100 µ sollte in jedem Fall angestrebt werden.

b) Harnstoff in lipophilen Cremes bzw. W/O-Cremes oder W/O-Lotionen

Soll Harnstoff in eine W/O-Creme oder -Lotion eingearbeitet werden, dann löst man ihn in der 1 1/2-fachen bis doppelten Menge Wasser auf kaltem Wege und arbeitet die Lösung dann in kleinen Portionen in das W/O-System ein. Zum Schluß sollte noch der Lactat-Puffer hinzugefügt werden.

c) Harnstoff in hydrophilen Cremes bzw. O/W-Cremes oder O/W-Lotionen, in hydrophilen Gelen bzw. Hydro-Gelen

Erfolgt die Verordnung von Harnstoff in einer O/W-Creme oder einer O/W-Lotion oder in einem Hydro-Gel, so legt man die Grundlage in der Reibschale vor, schüttet von einem Kartenblatt den kristallinen Wirkstoff auf die Oberfläche und rührt anschließend so lange, bis es in der Reibschale nicht mehr knirscht. Der Harnstoff wird sich schnell in der hydrophilen Phase lösen. Zuallerletzt wird der Lactat-Puffer hinzu gegeben.

Wird der Harnstoff in einer Rezeptur mit anderen Wirkstoffen zusammen verordnet, dann muss auf die Stabilitätsoptima der Kombinationspartner geachtet werden. Sind sie beispielsweise säurelabil wie z.B. Erythromycin, Clotrimazol und würden durch den Säuregrad des Lactat-Puffers in ihrer Stabilität gefährdet, dann muss der Harnstoff oder der Kombinationspartner aus der Rezeptur herausgenommen und in einer Extra-Zubereitung angeboten werden.

Alternativ kann statt des Lactat-Puffers auch ein anderer Puffer zum Einsatz kommen, der im Stabilitätsbereich des Harnstoffs sowie des Kombinationpartners puffert. In der Praxis hat sich in solchen Fällen der "Phosphat-Puffer pH 6 R" bewährt.

In der neuen Folge unserer DAZ-Rubrik "Praxis aktuell", in der wir Fragen aus dem Apothekenalltag vorstellen und Lösungsvorschläge aufzeigen, geht es um die Verarbeitung von Harnstoff in Rezepturen. Inadäquate Arbeitsergebnisse führen immer wieder zu Kritik aus Dermatologen-Kreisen: "Wenn ich Harnstoff-Rezepturen verordne, bekomme ich Schmirgelpapier geliefert." Unser Beitrag gibt Tipps für die sachgerechte Herstellung.

Rezeptur-Beispiel (optimiert) Urea pura: 9,0 Acid. lact.: 1,8 Natr. lact. 50 %: 7,2 Aqua dest.: 9,0 Lipoderm-Lotion ad 180,0

Literaturtipp: Rezepturen – Probleme erkennen, lösen, vermeiden

Zur Vertiefung des Themas Rezepturprobleme in der Apothekenpraxis wird auf das im Deutschen Apotheker Verlag erschienene Buch "Rezepturen – Probleme erkennen, lösen, vermeiden" von Dr. G. Wolf, Prof. Dr. R. Süverkrüp, Hrsg. Dr. G. Keller verwiesen. Es enthält zahlreiche in der Praxis aufgetretene Rezepturprobleme und deren Lösungen. Ein klarer didaktischer Aufbau erlaubt eine sehr schnelle Orientierung in der Praxis.

Rezepturen – Probleme erkennen, lösen, vemeiden. Von Gerd Wolf und Richard Süverkrüp. Hrsg. Von G. Keller. 192 Seiten; Materialien für die Weiterbildung. ISBN 3769229886, Preis 45 Euro.

Zu beziehen über den Deutschen Apotheker Verlag Stuttgart, Postfach 10 10 61, 70009 Stuttgart, Tel. (07 11) 25 82-3 50, Fax (07 11) 25 82-2 90, E-Mail Service@Deutscher-Apotheker-Verlag.de, www.Deutscher-Apotheker-Verlag.de

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