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BfArM im Dialog mit der Hochschule: Hilfe für die Zulassung pflanzlicher Arznei

BONN (rs). Professoren und wissenschaftliche Assistenten fast aller deutschen und österreichischen Lehrstühle für Pharmazeutischen Biologie waren am 29. März der Einladung des BfArM gefolgt, in einem zweitägigen Workshop alles Nötige und Wissenswerte über die regulatorischen Anforderungen in Zulassungsverfahren für pflanzliche Arzneimittel von den Experten direkt zu erfahren. Seit einigen Jahren gehören die nationalen und europäischen Zulassungskonzepte auch zu den Lehrinhalten dieses Fachs. Unterstützt und gefördert wurde die Veranstaltung von der Gesellschaft für Arzneipflanzenforschung (GA) und der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG).

Idee und Initiative zu dieser "Premiere" stammten von Prof. Dr. Susanne Alban, Pharmazeutische Biologie, Kiel, und Vizepräsidentin der DPhG-Landesgruppe Schleswig-Holstein. Sie wurde von Dr. Konstantin Keller, Leiter der Abteilung Besondere Therapierichtungen am BfArM in Bonn und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Pflanzliche Arzneimittel bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMEA in London, gerne aufgegriffen und gemeinsam mit Frau Alban und ihren Mitarbeitern PD Dr. W. Knöss und Klaus Reh konzipiert und realisiert.

Heterogenes Fach

Das inhaltliche Spektrum der pharmazeutischen Biologie hat sich – sanktioniert durch die neue AAppO – in letzter Zeit vom bisherigen Mittelpunkt "Arzneipflanze" weg stark erweitert und verlagert, erklärte Alban. Bei solcher Bandbreite des Fachs und Heterogenität der neuen Forschungsrichtungen – wie etwa Molekular-, Human- oder "rote Biologie", Biotechnologie etc. – ist es umso wichtiger, zumindest in der Lehre gemeinsame Schwerpunkte zu finden. Das "pflanzliche Arzneimittel" in seiner ganzen Komplexizität bietet sich dazu an: Natürliche Heilmittel sind nach wie vor von der Bevölkerung geforderte Alternativen auf dem Arzneimittelmarkt. Gleichzeitig aber wird durch die Internationalisierung dieser Markt bzw. das Angebot zunehmend größer und unübersichtlicher.

Wichtiger Bestandteil der Arzneimittelvielfalt

Eine wichtige Aufgabe der pharmazeutisch-biologischen Lehre wird es sein, den zukünftigen Arzneimittelfachmann/frau in die Lage zu versetzen, die wachsende Vielfalt pflanzlicher Präparate zu beurteilen und dieses Wissen kompetent in der Beratung weiterzugeben. Nur so besteht nach Albans Meinung eine Chance, dass sich die qualitativ hochwertige, rationale Phytotherapie im Konkurrenzkampf mit Supermarkt und Internet behaupten kann.

Konstruktiver Austausch

Ein engerer Kontakt zu den Universitäten ist für die Zukunft unerlässlich, betonten Keller wie Knöss, stamme doch der Großteil der Methoden zur Qualitäts-, Wirkungs- und Unbedenklichkeitsbewertung von Arzneimitteln aus der universitären Forschung, umgekehrt könne die Behörde aus ihrer Erfahrung eine Menge Forschungsanregungen zu analytischen, pharmakologischen oder medizinischen Fragestellungen zurückgeben. Nicht zuletzt erwarte man von den Universitäten für solche Aufgaben entsprechend vorbereitete zukünftige Mitarbeiter. Auch Dr. Gudrun Abel, Neumarkt, als Vertreterin der forschenden Phytopharmakaindustrie, bestätigte den erheblichen Bedarf an kompetentem Nachwuchs. Zulassung werde immer komplexer und kostenintensiver, für mittelständische Phytopharmakahersteller immer risikoreicher. Verstärkter Austausch und eine konstruktive, verlässliche Kooperation aller drei Institutionen unter Nutzung der jeweiligen Stärken sind daher unerlässliche Voraussetzung, die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen auf einem machbaren Niveau zu halten und damit zur wissenschaftlichen Akzeptanz und zum Erhalt der Phytotherapie und etablierter Phytopharmaka beizutragen.

Durchblick im Regulariendschungel

So drückten zunächst einmal Professoren und Dozenten selbst die Schulbank im BfArM, um Klarheit im Dickicht der Gesetzes- und Instanzenhierarchien, laufender Neuerungen und internationaler Regelungen bei der Zulassungsarbeit oder genaue Definitionen immer neuer Schlagworte und Kürzel (etwa ICH, CTD) zu bekommen. Das sehr umfassende Programm beleuchtete die gesetzlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen, ihre Entwicklung und Wirkkraft auf nationaler und europäischer Ebene, genaue Begriffsbestimmungen, Bewertungsgrundlagen nach dem jetzt dann gültigem "well-established use" bzw. "traditional use", Qualitätsaspekte und ihre Beurteilungsmöglichkeiten. Man erfuhr aber z. B. auch, wie viel Überlegungen und Regelungen der Erstellung einer Packungsbeilage vorausgehen müssen, wie viel in den informativen Texten für den Patienten gesagt werden darf und in den medizinischen Texten für den Arzt gesagt werden muss.

Methodensicherung

Bei allen Prüfprozessen ist eine Validierung der Methoden und der Referenzsubstanzen unerlässlich. Auch dafür existieren detaillierte, für chemische und pflanzliche Substanzen generell gültige, europäische Ausführungsbestimmungen (Notes for Guidance). Die Vielstoffgemische der Phytopharmakaextrakte erfordern aber, wie Dr. H. Sievers von Phytolab erklärte, einen wesentlich höheren Aufwand durch komplexere Probenzubereitungen, chargenspezifischen Kontrollen oder Eichung auf Markersubstanzen, die selbst nicht oder nur teilweise zur Wirkung beitragen. Bei der Isolierung von teuren Markerreferenzen kann an den Universitäten wertvolle Vorarbeit geleistet werden.

Europa im Blickpunkt

Als einen Bereich bereits geglückter Zusammenarbeit zwischen Hochschule und regulatorischen Institutionen bezeichnete Professor Franz, Regensburg, die Arzneibuchkommissionen. Nach wie vor schreiben die Arzneibücher, immer orientiert an aktuellen Forschungsergebnissen, die Grundlagen der Qualitätsansprüche an Arzneimittel und -stoffe, so auch der pflanzlichen, fest. Dass hier weitgehend schon europäischer Konsens zu verzeichnen ist, dokumentiert das ständig wachsende Europäische Arzneibuch, während die nationalen Pharmakopöen immer dünner werden. (1997 führte das DAB noch 127 Drogenmonographien verglichen zu 69 europäischen, 2004 nur noch 37 verglichen mit 142 in der Ph. Eur. bei 2230 Gesamtmonographien.) Noch aber wird das DAB gebraucht für alles, was von den 31 Vertragsstaaten der Ph. Eur. nicht anerkannt wird (z. B. Ginkgo-Spezialextrakt). Allgemein wird erwartet, dass sich der europäische Phytopharmakamarkt in naher Zukunft stark ausweitet. Neben den durch "well-established use" charakterisierten Phytopharmaka können nun auch pflanzliche Zubereitungen mit "traditional use" zugelassen werden, deren Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durch eine 30-jährige Erfahrung plausibel erscheinen. Damit werden aber auch außereuropäischen Drogenzubereitungen Tür und Tor geöffnet. Nach einer lebhaften Abschlussdiskussion waren sich die Teilnehmer beider Seiten einig, dass dies zwei fruchtbare Tage waren, die sicher die zukünftige Zusammenarbeit und Lehre beeinflussen werden.

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