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Case Management: Praktische Hilfe für den Patienten

FRANKFURT/MAIN (pj). Unter Case Management versteht man die psychosoziale und medizinisch-pflegerische Beratung und Betreuung von Patienten. Für diese oder deren Angehörige ist die öffentliche Apotheke oftmals der erste Anlaufpunkt, da dem Apotheker nicht nur die medizinischen Probleme der Kunden, sondern auch deren soziales Umfeld bekannt sind. So liegt der Schritt nahe, den Apotheker als Koordinator und Lotse bei einer weiterreichenden Betreuung einzusetzen. Wie das in der Praxis aussehen kann, erläuterte Apothekerin Doris Schmid-Sroka von der Firma betapharm, Augsburg, in einem Vortrag auf der Interpharm Frankfurt.

Vor rund drei Jahren wurde das Pilotprojekt "Case Management in Apotheken" initiiert. Ziel dieser Studie war, die Studienpatienten in psychosozialen und medizinisch-pflegerischen Fragen zu beraten beziehungsweise sie im Bedarfsfall an kompetente Stellen weiterzuleiten. Durch dieses Vorgehen erhoffte man, Lebensqualität und Zufriedenheit der Patienten zu erhöhen. Ein weiteres Ziel dieses Projekts war die Bedarfsermittlung, also zu klären, ob überhaupt ein Bedarf an dieser Dienstleistung vorliegt und wenn ja, wie diese Dienstleistung strukturiert in eine Fortbildung für Apotheker eingebaut werden kann.

Pilotstudie in 22 Apotheken

Für dieses Projekt wurden 120 chronisch kranke Patienten aus 22 Apotheken gewonnen. Die Studienteilnehmer waren zwischen 9 und 92 Jahre alt und in 73% der Fälle multimorbide. Von Seiten der Apotheke wurde ein Interview zur Beratungssituation durchgeführt, und der ermittelte Bedarf, die erbrachten Leistungen und die Medikationsdaten wurden dokumentiert.

Der Patient beurteilte seine gesundheitsbezogene Lebensqualität und die Zufriedenheit mit der Betreuung mit Hilfe eines Beurteilungsbogens. Die intensive Betreuungsphase erstreckte sich über drei Monate hinweg; nach sechs Monaten wurde eine nochmalige Erhebung durchgeführt. Insgesamt konnten die Daten von 101 Patienten ausgewertet werden. Bei diesen Studienteilnehmern fielen 366 Bedarfsfälle (durchschnittlich 3,6 pro Patient) und 272 Interventionen (durchschnittlich 2,7 pro Patienten) an.

Die meisten Probleme betrafen die Mobilität und Selbstversorgung, die Pflegebedürftigkeit sowie soziale Kontakte und Freizeitverhalten. Die erfolgreiche Betreuung führte zu einer Verbesserung der Lebensqualität der Patienten und zu einer lang anhaltenden Zufriedenheit mit der pharmazeutischen Betreuung.

Benefit für Patient und Apotheke

Von einem erfolgreichen Case Management profitieren Patient und Apotheke. Der Patient wird umfassend und persönlich in seiner Apotheke betreut, und die angebotenen Hilfeleistungen verbessern seine Lebensqualität und führen zu einer höheren Zufriedenheit. Für den Apotheker bedeutet das Case Management eine höhere Kompetenz in der Betreuung, eine verstärkte Kundenbindung, einen Wettbewerbsvorteil, die Stärkung der Hausapotheke und die Voraussetzung für integrierte Versorgungsformen.

Durch das Pilotprojekt konnten der Bedarf nach einem Case Management und die nutzbringende Umsetzung der Betreuung bestätigt werden. Allerdings gibt es noch zahlreiche Fragen, die erst bei einer weiteren Verbreitung von Case Management beantwortet werden können:

  • Welche Elemente von Case Management sind in die öffentliche Apotheke integrierbar?
  • Welcher zusätzliche Aufwand resultiert daraus?
  • Welche Kosten entstehen?
  • Ist eine Vergütung möglich?
  • In welche Richtung entwickelt sich das Leistungsangebot einer Apotheke?

Projekt "Case Management"

Das Projekt "Case Management" wurde von verschiedenen Personen und Institutionen erarbeitet. Maßgeblich beteiligt waren Prof. Dr. Marion Schaefer, Berlin, die Landesapothekerkammer Bayern, die Qualitätszirkel Augsburg und Weiden sowie Mitarbeiter des Beta-Instituts. Ergebnisse des Pilotprojekts:

  • Nachweis eines Beratungsbedarfs.
  • Signifikante Erhöhung der Lebensqualität des Patienten durch die Beratung.
  • Lang anhaltende Zufriedenheit des Patienten durch die Beratung.

Damit das Case Management erfolgreich umgesetzt werden kann, bietet die Bayerische Landesapothekerkammer einen fünftägigen Kurs zu dieser Thematik an.

Historische Entwicklung des Case Managements

Das Case Management hat seine Wurzeln in der amerikanischen Siedlerbewegung, als sich Wohlfahrtsverbände in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts um die sozialen und medizinischen Belange der Siedler kümmerten. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Case Management ein fester Bestandteil der Krankenpflege, erlebte nach dem 2. Weltkrieg einen Aufschwung durch die Betreuung der Kriegsteilnehmer und vergrößerte sich nochmals nach der Kostenexplosion im Gesundheitswesen.

In Deutschland wird Case Management seit rund 15 Jahren angewandt. Schwerpunkte sind bislang die Betreuung psychisch Kranker, die ambulante Rehabilitation (z.B. von Straffälligen) und die kommunale Altenhilfe.

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