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Hausapothekenmodell der Barmer: Am 1. April soll es in Hessen losgehen

FRANKFURT/MAIN (aal). Das aus politischem Willen entstandene Konzept der Hausapotheke ist eines der wenigen, das gleich von den Marktteilnehmern als vorteilhaft und umsetzbar beurteilt wurde. Im Januar beschlossen, ist schon jetzt im März ein Vertrag zwischen dem Hessischen Apothekerverband (HAV) und der Barmer Ersatzkasse zur Realisierung des Entwurfs unterzeichnet. Am 1. April soll es losgehen mit den Service-Apotheken.

Gemeinsam haben der HAV und die Barmer in den letzten Wochen dafür gesorgt, dass die technischen und organisatorischen Voraussetzungen, die zum Qualitätssiegel der "Barmer Service-Apotheke" berechtigen, geschaffen wurden. Dazu gehörte z. B. die Schulung des Apothekenpersonals, das Barmer-Versicherte berät.

Der Hessische Apothekerverband und die Barmer Ersatzkasse setzen damit eine Kooperationsvereinbarung um, die Deutschlands größte Ersatzkasse mit dem Deutschen Apothekerverband auf Bundesebene geschlossen hat. Ihre Idee: Versicherte wählen für die pharmazeutische Betreuung (zunächst einmal für ein Jahr) eine Service-Apotheke, von der sie dauerhaft betreut werden. Durch die intensivere phamazeutische Beratung soll die Effektivität der Arzneimittelversorgung gesteigert werden.

"Dass sich in der Startphase über 70% der hessischen Apotheken für eine Beteiligung entschieden haben, zeigt deutlich, dass die Apotheker bereit sind, aktiv an einer erweiterten pharmazeutischen Versorgung teilzunehmen und neue Aufgaben zu übernehmen", so Dr. Peter Homann, Vorsitzender des HAV. Nach Angabe des HAV hat dieser bereits über 1000 hessische Apotheker in Seminaren geschult.

Bereits über 800 Apotheken in Hessen tragen ab sofort das Qualitätssiegel "Barmer Service-Apotheke". Sie garantieren damit den rund 60 000 Barmer-Versicherten im Bundesland neue Serviceleistungen und Qualitätsstandards sowie attraktive Preisvorteile.

Die Barmer-Versicherten brauchen, um diese Vorteile nutzen zu können, nur eine Service-Apotheke zu wählen, von der sie sich künftig betreuen lassen wollen. Welche Apotheken in Hessen die Voraussetzungen für das Qualitätssiegel "Barmer Service-Apotheke" erfüllen, erfährt man in jedem Barmer-Kundencenter oder beim HAV.

Die besonderen Apothekenleistungen

Das Qualitätssiegel "Barmer Service-Apotheke" beinhaltet Pluspunkte in fünf Bereichen:

  • Beim "Arznei-Service" bewertet ein Apotheker über einen längeren Zeitraum und mit ausdrücklicher Zustimmung des Versicherten dessen Medikation. Das gibt dem Apotheker die Möglichkeit, Patienten konkret über Wechsel- und Nebenwirkungen verschiedener Medikamente zu beraten.
  • Der "Home-Service" liefert zum Beispiel bettlägerigen oder frisch aus dem Krankenhaus entlassenen Patienten Arzneimittel innerhalb von sechs Stunden direkt ans Krankenbett. Ein solcher Home-Service wird zwar schon häufig angeboten, soll jetzt aber verpflichtend aufgenommen werden.
  • Mit dem "Bonus-Service" erhalten Barmer-Versicherte für apothekenübliche Waren einen Rabatt von drei Prozent. Übersteigt der Einkauf innerhalb eines Jahres 250 Euro, so erhöht sich der Rabatt auf den Gesamtumsatz auf fünf Prozent.
  • Ein "pharmazeutisches Management" bietet die Service-Apotheke aufbauend auf dem Arznei-Service bestimmten Patientengruppen an. Konkret bedeutet dies z. B. für Asthma-Patienten eine Einweisung und Training des Gebrauchs ihrer Inhalatoren in ihrer Haus-Apotheke.
  • Im "Check-up-Service" bekommen Barmer-Versicherte Untersuchungen gegenüber anderen Apothekenkunden preisgünstiger angeboten. So wird die kasseneigene Initiative "Prävention aktiv" unterstützt, die die Menschen anregen möchte, bei gesundheitlichen Problemen früher ihren Hausarzt aufzusuchen. Für einen Euro werden zu Beginn die Parameter Blutzucker, Blutdruck und Body-Mass-Index bestimmt (später kostet jeder Parameter einzeln einen Euro), eine Messung des Gesamt-Cholesterins kostet den Versicherten nur drei Euro.

Was bringt es den Beteiligten?

Rechnerisch kommen auf jede der ca. 1100 hessischen Apotheken 670 Barmer-Haupt- oder Mitversicherte. Natürlich kann es sehr attraktiv sein, diesen Kundenstamm fest an das Unternehmen zu binden. Keine Frage jedoch, dass es dafür einer nicht unerheblichen Investition bedarf. So muss eine spezielle Monitoring-Software existieren, die Patientendaten mit den Arzneidatenpools der ABDA verknüpft, um jederzeit individuelle Wechsel- und Nebenwirkungen der Medikation sowie persönliche Kontraindikationen zu erfassen.

Die Kosten für eine solche Software liegen bei ca. 50 Euro im Monat. Des weiteren muss damit gerechnet werden, dass die intensivere Bertreuung mehr Personalzeit erfordert (schließlich ist ein ausführliches Beratungsgespräch mit 15 Minuten angesetzt) und auch die Steuerung, Wartung und Aktualisierung der Software zeitlich zu Buche schlägt.

Letztlich ist auch noch die Rabattgewährung in die Berechnungen einzubeziehen, die die Margen des Apothekers bei Verkäufen an Barmer-Versicherte zusätzlich schmälern. Die Abgeltung von fünf Euro, die die Barmer den Apotheken für jeden Betreuten leistet, wiegt alle diese vorgenannten Kosten bei weitem nicht auf.

Für den Patienten liegen die Vorteile der Bindung - abgesehen von den Preisvorteilen des Bonus Service – in der besseren und individuelleren Beratung. Da die Ärzte immer weniger Zeit für Ihre Patienten aufwenden können, bleiben zunehmend mehr Fragen beim Praxisbesuch offen.

Diese Lücke kann die Apotheke durchaus füllen. Aber auch bei weitgehender Selbstmedikation ist eine gute Überwachung der Verträglichkeit der einzelnen Mittel untereinander gewährleistet. Der Patient spart durch die kompetente Hilfe in der Apotheke Arztbesuche – und spart zehn Euro Praxisgebühr.

Für die Barmer sind mit ca. 16% die Arzneikosten der zweitgrößte Kostenfaktor nach dem Krankenhaus (32 bis 33% der Ausgaben) in der Gesundheitsversorgung. Die Krankenkasse verspricht sich durch das Modell vor allem eine Abnahme der Medikamentenkosten.

Einmal, weil die Arzneimittel aufgrund besserer Beratung einmal überhaupt zum Einsatz kommen (wie viele landen aufgrund unverständlicher oder erschreckender Verpackungsbeilagen im Müll), und zweitens weil sie durch höhere Compliance oder richtige Handhabung erst ihre volle Wirkung entfalten können. Aber auch die Arztkosten könnten sinken, da sich die Apotheke schon allein wegen der gesparten Praxisgebühr zur ersten Anlaufstelle der Kranken entwickeln wird.

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