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Integrationsversorgung soll Schmerzpatienten zu besserer Behandlung verhelfen

BERLIN (ks). Einige schwerstkranke Schmerzpatienten können künftig mit einer besseren Therapie rechnen: Sechs Krankenkassen und der Bundesverband der Betriebskrankenkassen haben mit der Gesellschaft für Schmerztherapie (DGS) einen Vertrag zur integrierten Versorgung abgeschlossen. Vereinbart wurde, so genannte interdisziplinäre Schmerzkonferenzen als Instrument der Patientenversorgung zu erproben und zu etablieren. DGS-Präsident Dr. Gerhard Müller-Schwefe und Dr. Christoph Staub vom Vorstand der Techniker Krankenkasse (TK) erläuterten am 10. März in Berlin, was es mit diesem Vertrag auf sich hat.

Rund 15 Millionen Erwachsene in Deutschland leiden unter Schmerzen. Etwa zwei Millionen haben mit "problematischen" Schmerzzuständen zu kämpfen – um die Therapie dieses Leidens ist es in der Regel schlecht bestellt. Viele Ärzte können den Schmerz ihrer Patienten nicht richtig einschätzen – und messen lässt er sich nicht.

Hat sich der Schmerz erst einmal zu einer eigenständigen Krankheit entwickelt, bedarf es einer entsprechenden Diagnostik sowie komplexer Behandlungsstrategien, die auf mehreren Säulen beruhen, erklärte Müller-Schwefe. Doch Fachärzte hörten die Probleme ihrer Patienten meist nur mit ihren "fachspezifischen Ohren", so der DGS-Präsident.

Es sei es eine "traurige Wahrheit", dass Schmerzpatienten im Schnitt auf eine Krankheitsgeschichte von 12,5 Jahren zurückblicken, während der sie rund elf verschiedene Ärzte aufgesucht haben, wenn sie zu einem ausgewiesenen Schmerztherapeuten kommen. Nun hofft Müller-Schwefe auf Besserung: Seines Erachtens eignet sich die Schmerztherapie besonders gut für die integrierte Versorgung, denn sie sei "per se interdisziplinär und sektorenübergreifend".

Ablauf der Schmerzkonferenz

Konkret sieht der Vertrag Folgendes vor: Schmerzkranke Versicherte der beteiligten Krankenkassen (ab Chronifizierungsstadium II) sowie ihre Ärzte können an den Schmerzkonferenzen teilnehmen. Die Konferenzen werden regional und unter der Leitung eines Moderators – der als Schmerztherapeut anerkannt ist und von den beteiligten Krankenkassen und der DGS für diese Aufgabe ausgewählt wurde – an dessen Praxissitz abgehalten.

Der Moderator entscheidet über die Aufnahme eines Patienten in die Schmerzkonferenz. Weiterhin beteiligt sind mindestens drei weitere Fachärzte (ggf. auch Psychotherapeuten, Zahnärzte, oder Physiotherapeuten). Der behandelnde Arzt stellt "seinen" Patienten in der Runde vor, anschließend kommt der Patient selbst zu Wort.

Die unterschiedlichen beteiligten Fachrichtungen sollen eine möglichst umfassende Befragung des Patienten ermöglichen. Der Untersuchung und Besprechung folgt sodann eine gemeinsame Empfehlung für die weitere Therapie. Pro Fall zahlen die beteiligten Kassen maximal 305 Euro. Mit dieser Summe werden alle ärztlichen Leistungen, die im Zusammenhang mit der Schmerzkonferenz stehen, vergütet.

Kein neues Modell

Müller-Schefe wies darauf hin, dass es Schmerzkonferenzen bereits seit 20 Jahren gebe – allerdings handelte es sich bislang eher um eine "Hobbyveranstaltung" unter Schmerztherapeuten, auf die Versicherte keinen Anspruch hatten. Die Ausrichtung von Schmerzkonferenzen ist jedoch auch schon in der Vergangenheit ein Qualifikationsmerkmal von Schmerzärzten gewesen.

Ein Instrument der Spitzenversorgung

Straub betonte, dass es sich bei den Schmerzkonferenzen um ein "Instrument der Spitzenversorgung" handle und nicht um die Routineversorgung von Schmerzpatienten. Die TK rechnet damit, dass "einige 100" ihrer acht Millionen Versicherten an der neuen Versorgungsform teilnehmen werden. Straub wies darauf hin, dass auch eine Zusammenarbeit mit den Kassenärztlichen Vereinigungen – bislang am Vertrag nicht beteiligt – denkbar sei.

Der Vertrag enthalte eine entsprechende Öffnungsklausel. Auch weiteren Krankenkassen sei der Beitritt zum Vertrag möglich. Der TK-Vorstand hob weiterhin hervor, dass es sich bei der Vereinbarung erstmalig um bundesweit einheitliche Vertragsmuster handle.

Unterstützung durch die Schmerzliga

Dr. Marianne Koch, Präsidentin der Deutschen Schmerzliga, begrüßte die Initiative. Sie wies insbesondere auf die Ausbildungsdefizite der Ärzte in der Schmerztherapie hin: Dies sei ein Thema, das im Medizinstudium schlicht nicht vorkommt. "Daraus resultiert die Unkenntnis der Ärzte", so Koch, "selbst wenn sie sich Mühe geben, wissen sie es nicht besser."

Hinzu komme, dass die wenigsten Patienten wüssten, dass es sich beim Schmerz um eine eigenständige Krankheit handeln kann. Die Schmerzkonferenzen ermöglichten nun das, was in der Schmerztherapie wirklich wichtig sei, erklärte Koch, nämlich "auf den Patienten als ganzen Menschen einzugehen".

Informationen bei DGS oder Krankenkasse

Bislang sind auf Kassenseite neben der TK die Siemens-Betriebskrankenkasse, die Gmünder Ersatzkasse, die BKK Gesundheit, die Krankenkasse für Bau- und Holzberufe, die Krankenkasse Eintracht Heusenstamm sowie der BKK Bundesverband beteiligt. Straub und Müller-Schwefe rechnen damit, dass bis zum 1. April 40 bis 50 Zentren an dem Projekt teilnehmen werden. Interessierte Patienten können bei der DGS oder ihrer Krankenkasse – soweit sie an dem Vertrag beteiligt ist – Informationen über akkreditierte Schmerzärzte in ihrer Nähe erhalten.

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