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Arzneimittelinteraktionen: Komedikation von Phytopharmaka und Synthetika

"Sind pflanzliche Arzneimittel sicher"? Die etwas provozierende Frage ist im Hinblick auf Wechselwirkungen mit bestimmten synthetischen Arzneistoffen berechtigt. Es handelt sich um pharmakokinetische Wechselwirkungen, die auf einer Änderung der Absorption oder des Metabolismus von Arzneistoffen beruhen. Bei Arzneistoffen mit einer geringen therapeutischen Breite können diese Interaktionen für unzureichende Wirkungen oder aber für Intoxikationen aufgrund zu hoher Plasmaspiegel verantwortlich sein.

Zwei Mechanismen spielen bei den pharmakokinetischen Wechselwirkungen eine entscheidende Rolle:

  • der Abbau von Arzneistoffen durch Cytochrom-P450(CYP)- Enzyme und
  • das Ausschleusen von Arzneistoffen aus den Zellen durch Efflux- Transporter.

    Besonders prominente Vertreter der CYP-Enzyme und Efflux- Transporter sind das CYP3A4, das am Metabolismus von ca. 60% aller Arzneistoffe beteiligt ist, und das P-Glykoprotein (Pgp), das eine entscheidende Rolle bei der Multi-drug-Resistance von Krebszellen spielt. CYP3A4 wird vor allem in Enterozyten des Dünndarms und in der Leber exprimiert und verursacht einen hohen First-pass-Effekt bei Arzneistoffen wie Ciclosporin, Indinavir oder Taxol. CYP3A4 und P-gp können sowohl gehemmt als auch induziert werden. Während z.B. Rifampicin CYP3A4 induziert, hemmen oral applizierbare Azol-Antimykotika (z.B. Ketoconazol, Itraconazol) CYP3A4; entsprechend beschleunigen oder verzögern sie den Metabolismus von CYP3A4- Substraten (z.B. Simvastatin, Terfenadin).

    Grapefruitsaft und Johanniskraut-Extrakte

    Grapefruitsaft und Johanniskraut- Extrakte sind zwei Beispiele dafür, dass pflanzliche Zubereitungen die Plasmakonzentration von Arzneistoffen signifikant beeinflussen und zu ernsten Wechselwirkungen führen können. Grapefruitsaft hemmt die Expression von CYP3A4 und P-gp ausschließlich im Dünndarm, da die für die Inhibition hauptverantwortlichen Inhaltsstoffe (Furanocumarine) nicht resorbiert werden. Bei Arzneistoffen, die einem starken Abbau im Dünndarm unterliegen, können die Plasmaspiegel der Wirkstoffe bei gleichzeitiger Einnahme von Grapefruitsaft sehr stark ansteigen, was im Falle von Terfenadin zu lebensbedrohlichen Herzrhythmus-Störungen führen kann. Die meisten Johanniskraut-Extrakte enthalten das Phloroglucinolderivat Hyperforin, das an den nukleären Pregnan-X-Rezeptor (PXR) bindet und dadurch eine verstärkte Expression von P-gp und CYP3A4 bewirkt. Wenn gleichzeitig bestimmte andere Arzneistoffe (z.B. Indinavir, Saquinavir, Ciclosporin) eingenommen werden, senken sie deren Plasmakonzentration. Das kann im Fall von Ciclosporin zu Transplantat-Abstoßungen mit Todesfolge führen.

    Kava-Kava-Zubereitungen

    Auch bei der Hepatotoxizität von Kava-Kava-Zubereitungen, mit der das BfArM im Jahre 2002 die Marktrücknahme begründet hat, könnte es sich um eine Wechselwirkung mit Alkohol oder synthetischen Arzneimitteln handeln. Denn sowohl für Kava-Extrakt als auch für die wirksamkeitsbestimmenden Kavalactone konnte Dr. Matthias Unger, Universität Würzburg, eine potente Inhibition von CYP3A4 und weiteren am Arzneistoff- Metabolismus beteiligten CYP-Enzymen eindeutig nachweisen.

    Gewürze

    Interessanterweise sind auch einige Gewürze potente Inhibitoren von am Arzneistoff-Metabolismus beteiligten CYP-Enzymen. Hierzu gehören Pfeffer, Muskatnuss und Zimt, aber auch Ingwer und seine zur Therapie von Reisekrankheiten angewandten Extrakte. In-vitro-Untersuchungen zeigten, dass einige Pflanzenextrakte CYP-Enzyme der Unterfamilie CYP2C, die am Metabolismus von Arzneistoffen mit einer geringen therapeutischen Breite (z.B. Cerivastatin, Phenytoin, Warfarin) beteiligt sind, sehr stark hemmen. Dies ist allerdings nur dann therapeutisch relevant, wenn die für die Inhibition der CYP-Enzyme verantwortlichen Inhaltsstoffe bioverfügbar sind oder eine dem Grapefruitsaft vergleichbare Inhibition von CYP3A4 im Dünndarm verursachen. Generell empfiehlt es sich, bei der Einnahme von Phytopharmaka eine Komedikation von Arzneistoffen, die eine geringe therapeutische Breite besitzen, zu unterlassen.

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