Gesundheitsmonitor: Bürger fordern mehr Qualitätsvergleich

BERLIN (ks). Mangelnde Transparenz, zu unterschiedliche Behandlungsqualitäten und zu hohe Zuzahlungen bei Medikamenten - das stört die Deutschen an unserem Gesundheitssystem am meisten. Zu diesem Ergebnis kommt der "Gesundheitsmonitor 2004" der Bertelsmann Stiftung, der am 9. Dezember in Berlin gemeinsam mit der Verbraucherverband Bundeszentrale (vzbv) vorgestellt wurde. Die Studie zeigt zudem, dass ein Großteil der Bevölkerung nichts von einheitlichen Krankenkassenbeiträgen hält.

Um der Intransparenz im Gesundheitswesen zu begegnen, würden es 79 Prozent der Versicherten befürworten, wenn die Krankenkassen über die Qualität der Leistungen von Ärzten und Krankenhäusern informieren würden. Sollten die Informationsmöglichkeiten sich nicht verbessern, so wünschen sich die meisten Befragten zumindest die Sicherheit, gut behandelt zu werden: 58 Prozent sprechen sich für einen "Ärzte-TÜV" aus, eine regelmäßige und unabhängige Überprüfung der Praxis.

Probleme bei Arzneimittelzuzahlungen

Probleme haben die Menschen hingegen bei den Zuzahlungen für Arzneimittel. 72 Prozent der Befragten finden sie zu hoch. Vor allem kranke Geringverdiener sind betroffen - hier gaben zwei Drittel an, dass es schwierig sei, die Zuzahlungen aufzubringen. Zwar gibt es eine Zuzahlungsbegrenzung - deren Umsetzung sei jedoch problematisch, erklärte Edda Müller. Viele Patienten müssen ihre gesamte Zuzahlung bereits im Januar leisten. Dieses Problem, so die vzbv-Chefin, müsse schnell gelöst werden - etwa mit einer Zwölfer-Regelung, mit der die Zuzahlungen übers Jahr verteilt werden können.

Lieber Kürzungen bei Leistungserbringern

Gefragt, welchen weiteren gesundheitspolitischen Reformoptionen sie zustimmen würden, sprachen sich 57 Prozent für Kürzungen in der Vergütung der Ärzte, Apotheker und Pharmaindustrie aus. Lediglich 35 Prozent sind bereit, medizinische Leistungen teilweise aus der eigenen Tasche zu bezahlen — unter den chronisch Kranken sind es nur 26 Prozent. Eine Anhebung des Beitragssatzes befürworten nur 12 Prozent, die allgemeine Kürzung von Leistungen sieben Prozent.

Praxisgebühr akzeptiert

Der Gesundheitsmonitor zeigt auch, dass sich die meisten Menschen an die neu eingeführte Praxisgebühr gewöhnt haben. Projektleiter Jan Böcken bestätigte, dass das gesetzgeberische Ziel, mit der Gebühr die Arztbesuche wegen Bagatellerkrankungen zurückzuführen, offenbar erreicht wird. Dabei sei nicht so sehr das Einkommen, sondern die Art der Erkrankung entscheidend, ob ein Arzt konsultiert wird oder nicht. Während Chroniker und schwer Erkrankte dieses Jahr nicht signifikant seltener zum Arzt gingen als 2003, waren es bei den nur leicht Erkrankten rund zehn Prozent weniger. Gesunken ist auch die Zahl der Facharztbesuche ohne hausärztliche Überweisung: Waren es in den Vorjahren noch rund 60 Prozent, die gleich den Spezialisten aufsuchten, holten sich im zweiten Quartal dieses Jahres 37 Prozent zuerst die Überweisung ihres Hausarztes.

Mehrheit gegen Pauschalen

Auch hinsichtlich der gegenwärtigen Diskussion um die künftige Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zeigen die Befragten eine klare Tendenz auf: Ein einheitlicher Krankenkassenbeitrag im Sinne einer Gesundheitsprämie findet bei den Deutschen zurzeit keine Mehrheit - und das unabhängig von der parteipolitischen Präferenz. 58 Prozent der SPD-, 61 Prozent der Grünen- und 57 Prozent der CDU/CSU-Wähler bewerten ein solches Modell als ungerecht. Unter den FDP-Wählern sind etwa gleich viele Befürworter und Gegner. Die Anhänger sämtlicher Parteien sprechen sich mehrheitlich dafür aus, die GKV auf Selbstständige, Beamte und Gutverdiener auszuweiten — ein zentraler Punkt der Bürgerversicherungsmodelle (SPD: 76 Prozent, CDU/CSU: 61 Prozent, Grüne: 73 Prozent, FDP: 54 Prozent). Der Reformvorschlag, alle Einkommensarten in die Berechnung des Krankenkassenbeitrags einzubeziehen, spaltet die Wähler allerdings: SPD-Wähler finden dies zu 58 Prozent gerecht, Grünen-Wähler zu 65 Prozent. CDU/CSU-Anhänger finden die Einbeziehung von Einkommen aus Mieten und Zinseinkünften hingegen zu 56 Prozent ungerecht. Bei den FDP-Wählern sind es knappe 52 Prozent.

Ulla Schmidt zufrieden

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt sieht ihren Reformkurs durch die Ergebnisse des Gesundheitsmonitors bestätigt. Die Studie zeige, dass das bestehende System zwar gut sei, aber Reformen erfordere, "um Bewährtes zu erhalten und Qualität zu verbessern". Mit der jüngsten Reform habe man bereits für mehr Transparenz im Gesundheitswesen gesorgt und die Qualität gestärkt, erklärte die Ministerin. So sei etwa die Patientenquittung eingeführt worden, ebenso eine industrieunabhängige Fortbildung von Ärzten und Qualitätsberichte im Krankenhaus. Der Gesundheitsmonitor der Bertelsmann Stiftung befragt seit dem Jahr 2001 repräsentativ zweimal jährlich 1500 Versicherte und einmal im Jahr 500 Ärzte nach ihrer Meinung zu Themen des Gesundheitswesens in Deutschland.

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