Gesundheitsausgaben und Arbeitsmarkt: Gutachten: Belastung der Arbeitgeber wird

BERLIN (im). Dass deutsche Arbeitgeber durch die Gesundheitsausgaben (als Teil der hohen Lohnnebenkosten) zu stark belastet sind und deshalb Neueinstellungen scheuen, ist eine oft gehörte Klage. Ein neues Gutachten kommt zu einem anderen Schluss: Die Arbeitgeberbelastung wird demnach überschätzt, es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Arbeitgeber-Belastung durch Gesundheitsausgaben und der Entwicklung der Beschäftigung.

Das haben das Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) und das Augsburger BASYS-Institut in einer 299 Seiten starken Untersuchung festgestellt. "Wir haben mehrere Branchen untersucht und konnten keinen Zusammenhang feststellen. Der internationale Vergleich zeigt: Beim Anteil der Arbeitgeber an den gesundheitsbedingten Kosten liegt Deutschland im Mittelfeld", so IGES-Direktor Bertram Häussler bei der Vorstellung der Untersuchung am 26. Oktober. Das Gutachten wurde im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) erstellt. Häusslers Angaben zufolge entfallen rund zehn Prozent der Arbeitskosten auf Gesundheitsausgaben. Gemessen an den Gesamtkosten der Unternehmen, also dem Produktionswert, liege der Anteil sogar nur bei rund drei Prozent.

Wofür Chefs zahlen

Zu den Gesundheitsausgaben wurden neben dem Arbeitgeberanteil zu einer Krankenversicherung (GKV oder PKV) auch staatliche Gesundheitsleistungen gezählt, die über Steuern bezahlt werden, welche die Arbeitgeber mitfinanzieren. Von den insgesamt 283,3 Milliarden Euro, die im Jahr 2000 für Gesundheit ausgegeben wurden, brachten die Arbeitgeber 116,8 Milliarden Euro auf ("gesundheitssystembedingte Arbeitgeberbelastung"). Das sind 41,2 Prozent. Davon entfielen 45,2 Milliarden (38,7 Prozent) auf GKV-Beiträge. Den zweitgrößten Posten bildete mit 30,6 Milliarden Euro (26,2 Prozent) die Lohnfortzahlung, 28,1 Milliarden wurden an andere Versicherungssysteme gezahlt. Steuerzahlungen und direkte Leistungen der Arbeitgeber machen weitere 12,9 Milliarden aus.

Überschätzte Kosten

Ein weiteres Ergebnis des Gutachtens ist, dass zwischen 1995 und 2000 alle Kostengrößen stärker wuchsen als die Aufwendungen der Arbeitgeber für GKV/PKV-Beiträge oder Lohnfortzahlung. Damit habe das Gesundheitssystem den Anstieg der Arbeitskosten sogar gebremst. Die Ergebnisse machten deutlich, dass der gesundheitssystembedingten Arbeitgeberbelastung gegenüber den gesamten Produktionskosten nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt, geringer, als die öffentliche Debatte vermuten lasse. Noch weniger sei der Arbeitgeberanteil an der GKV schuld an der hohen Arbeitslosigkeit. Denn die Arbeitgeberbelastung sei durchaus vergleichbar mit anderen hoch entwickelten Standorten. Die Diskussion über die Belastungshöhe in Deutschland entspreche nicht der tatsächlichen Lage, heißt es im Gutachten.

"Politik darf nicht auf Basis falscher Annahmen gemacht werden", kommentierte Norbert Klusen, Vorsitzender des TK-Vorstandes, die Untersuchung. Deutschland habe ein leistungsfähiges Gesundheitssystem, das trotz erheblichen Reformbedarfs erhalten bleiben müsse. Es solle auch stärker als Standortfaktor wahrgenommen werden. "Der Weg kann nicht sein, in der Hoffnung auf mehr Beschäftigung wichtige Leistungen der Krankenkassen zu streichen", warnte Klusen, dessen Kasse 5,7 Millionen Versicherte zählt.

Auch eine Branchenbetrachtung ließ keinen Zusammenhang zwischen Arbeitgeberbelastung und Beschäftigungsentwicklung erkennen. In der Textilindustrie zum Beispiel sei die Belastung durch Kassenbeiträge und Lohnfortzahlung zwischen 1995 und 2000 um 16,2 Prozent gesunken, die Beschäftigung dadurch jedoch nicht gestiegen, sondern um 26,8 Prozent abgesackt. Im Fahrzeugbau dagegen sei die Beschäftigung um 18,3 Prozent gewachsen, obwohl die gesundheitsbedingten Belastungen um 31 Prozent zunahmen. Im Gesundheitssektor sei die Beschäftigung (+ 15 Prozent) stärker gewachsen als die Belastung der Arbeitgeber (+ 14,7 Prozent). Als eine Erklärung wird die große Zahl nicht-gewinnorientierter Arbeitgeber im Gesundheitswesen genannt.

Deutschland im Mittelfeld

International liegt Deutschland bei der gesundheitsbedingten Arbeitgeberbelastung im Mittelfeld. Der Anteil am Produktionswert liegt mit 3,2% ähnlich wie in den USA. Polen (2,1%), Großbritannien (1,8%) und die Schweiz (1,9%) haben laut Gutachten geringere Anteile; Frankreich (3,6%) und die Niederlande (3,7%) liegen höher. Für keines der Länder konnte zwischen 1995 bis 2000 ein Zusammenhang zwischen den Gesundheitskosten der Arbeitgeber und der Entwicklung der Beschäftigung gezeigt werden. Es müssten andere Ursachen für Jobverluste oder Neueinstellungen verantwortlich sein, so die Gutachter.

GMG bringt 2 Promille

Das Gutachten untersuchte auch die Auswirkungen des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG), das die Belastung der Arbeitgeber senken soll. In 2007 werden die Arbeitgeber gegenüber dem Jahr 2000 um acht Milliarden Euro entlastet. Dies käme einer Reduzierung der Arbeitskosten um 0,7 Prozent gleich, letztlich sänken die Kosten deutscher Produkte um gerade mal zwei Promille. "Ein VW Golf würde um 28,88 Euro billiger, eine Versicherungspolice (200 Euro) um 37 Cent." Durch das GMG sei also keine große Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit zu erwarten. Trotzdem sollten die Politiker nicht bei den Bemühungen nachlassen, die Strukturen des Gesundheitssystems wirtschaftlicher zu machen, mahnte Häussler.

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