Gesetzliche Krankenversicherung: Studie: Hohe Kassenbeiträge durch die Politik

Berlin (ks). Pharmaindustrie, Apotheker, Ärzte, Krankenhäuser: Sie sind im Visier der Politik, wenn die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) steigen. Abhilfe sollen seit Jahren Kostendämpfungsgesetze schaffen. Dabei könnten die GKV-Beiträge heute bei 11,8 Prozent liegen - hätten politische Entscheidungen den Kassen nicht immer wieder Geld entzogen. Zu diesem Ergebnis kommt die jüngste Studie des Fritz-Beske-Instituts für Gesundheits-System-Forschung Kiel (IGSF), die am 12. Oktober in Berlin vorgestellt wurde.

Beskes Institut hat für die Studie die finanziellen Auswirkungen politischer Entscheidungen auf die GKV innerhalb der letzten 27 Jahre untersucht und beziffert. Der Tenor ist nicht neu: Die GKV hat ein Einnahmen- und kein Ausgabenproblem. Neu ist aber, dass die Politik selbst entscheidend zu den steigenden Beitragssätzen beigetragen hat — Stichwort Verschiebebahnhöfe.

Relikte aus besseren Zeiten

"Rund acht Milliarden Euro werden der GKV dieses Jahr durch politische Entscheidungen entzogen, nächstes Jahr werden es knapp elf Milliarden sein", erklärte Prof. Beske. In Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs habe sich die Politik in der Gewährung neuer Leistungen überboten. Die gute Finanzsituation der GKV sei auch ein Grund gewesen, dass die Verlagerung von Finanzierungsanteilen aus anderen Zweigen der Sozialversicherung in die GKV widerspruchslos akzeptiert wurde. "So sind über Jahrzehnte hinweg Lasten von der sozialen Sicherung und vom Staat auf die GKV übertragen worden", sagte Beske. Auch die Wiedervereinigung habe die gesetzlichen Kassen stark belastet.

Hartz lässt die Kassen bluten

Nach den Berechungen des IGSF läge der für das Jahr 2004 erwartete Beitragssatz der GKV ohne diese externen Einflüsse bei 11,8 Prozent statt bei 14,1 Prozent. Allein die Folgen der Arbeitsmarktgesetze (Hartz II bis IV) belasten die Krankenkassen demnach in diesem Jahr mit rund 1,6 Mrd. und im nächsten Jahr mit knapp 3 Mrd. Euro. Auch versicherungsfremde Leistungen und die Rentengesetzgebung schlagen spürbar zu Buche. Noch nicht berücksichtigt sind in dieser Rechung weitere Belastungen der GKV; etwa durch den vollen Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel, erweiterte versicherungsfremde Leistungen (z. B. Familienmitversicherung) oder Leistungen der GKV für die gesetzliche Unfallversicherung.

Bezieht man diese mit ein, könnte der durchschnittliche Beitrag unter zehn Prozent liegen, so Beske. Er forderte die Politik auf, ehrlich mit der finanziellen Situation der GKV umzugehen. "Die Höhe des Beitragssatzes und die Entwicklung der letzten Jahrzehnte sind maßgeblich durch politische Entscheidungen bedingt". Weder die Struktur noch die Art der Finanzierung der GKV könne für die Finanzsituation der Kassen verantwortlich gemacht werden. Die Politik dürfe der GKV nicht immer neue Lasten aufbürden, so Beske . "Wir brauchen jetzt verlässliche Rahmenbedingungen für alle, d. h. Sicherheit für die Beitragszahler und Patienten sowie Planungssicherheit für die Leistungserbringer."

Industrie und Ärzte begrüßen Studie

Pharmaindustrie und Ärzteschaft begrüßten die Kieler Analyse. "Die Studie belegt einwandfrei, dass die Arzneimittelausgaben nicht für die Finanzmisere der GKV verantwortlich sind", erklärte der Sprecher des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie Uwe Dolderer. Schuldzuweisungen aus der Politik erwiesen sich daher als "Täuschungsmanöver".

Der Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Manfred Richter-Reichhelm, würdigte sie als "wichtigen Beitrag zu einer ehrlichen Diskussion". Gleichzeitig warnte er vor einem Innovationsstau im Gesundheitswesen: Die Entwicklungen in der GKV hätten dazu geführt, dass Ärzten, Kliniken, Pharmaindustrie und Geräteherstellern Investitionen und damit Innovationen immer schwerer gemacht würden. Richter-Reichhelm warnte: "Das Gesundheitswesen ist einer der bedeutendsten Arbeitsmärkte in Deutschland. Ohne die notwenigen Investitionen droht der Jobmaschine großer Schaden."

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