HIV/Aids: Die Bombe tickt weiter

Berlin (ks). Bundesregierung und Ärzte haben vor einem zu sorglosen Umgang mit der Immunschwächekrankheit Aids gewarnt. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt verwies am 26. August in Berlin auf die Erfolge der deutschen Präventionskampagne zu HIV/Aids. Gleichzeitig betonte sie, dass man sich nun den neuen Herausforderungen stellen müsse: So sind in Osteuropa und Zentralasien weltweit die höchsten Steigerungsraten zu verzeichnen. Zudem lasse auch in Deutschland das Schutzverhalten nach. "Manchmal wird vergessen, dass Aids eine unheilbare Krankheit ist", sagte die Ministerin. Kritik übte Schmidt an der Pharmaindustrie, die mit Werbung suggeriere, Aids sei heilbar.

Auch der Arzt Bernhard Bieniek vom Berliner Arbeitskreis Aids niedergelassener Ärzte sieht die Gefahr durch die Immunschwächekrankheit nicht gebannt: "Die Bombe tickt noch". Die deutsche Präventionskampagne sei zwar so erfolgreich wie in keinem anderen Land gewesen - dennoch mehrten sich insbesondere in Ostdeutschland die Hinweise, dass das Schutzverhalten sinke. Auch wenn dies noch nicht statistisch zu belegen sei: "Wir hören das Gras wachsen", so Bieniek.

Erklären kann er sich das nur damit, dass die Ostdeutschen im Unterschied zu Menschen im Westen die große Furcht vor Aids nie erlebt haben, wie sie im Westen in den 80er Jahren herrschte. Auch habe durch den medizinischen Fortschritt die Angst vor der Infektion und dem zwangsläufigen Tod überall abgenommen. "Die Sorglosigkeit in den Risikogruppen lässt uns aufschrecken", erklärte Bienik weiter. Wenngleich Informationen über HIV/Aids im Grunde verbreitet sind, zeigten sich gerade bei jungen Menschen erhebliche Wissenslücken. So glauben 16 Prozent der Jugendlichen, man könne einem HIV-Infizierten seine Infektion ansehen.

Osteuropa: Afrikanische Verhältnisse

Auch die Situation in Osteuropa - insbesondere den Baltischen Staaten, der Russischen Föderation und der Ukraine - verschärft sich weiter. Unmittelbar an der Grenze zu Deutschland zeichne sich eine Aids-Katastrophe ab, die nur noch mit der Entwicklung in Afrika zu vergleichen sei, so Bienik. Was dort nun an Aufklärungsarbeit versäumt wird, werde sich bald in unseren Statistiken niederschlagen, warnte der Berliner Arzt. Auch die Bundesregierung sieht dieses Problem "vor unserer Haustür". Schmidt betonte, dass Deutschland für einen Fonds zur Aids-Bekämpfung in Osteuropa und Zentralasien 300 Millionen Euro bereitstelle. Auch in Deutschland werden wiederum mehr als neun Milliarden Euro für die Aids-Aufklärung bereitgestellt. "Trotz schwieriger Haushaltslage gibt es hier keine Kürzung", so die Ministerin.

Kritik an Pharmaindustrie

Scharfe Kritik übte Schmidt an der Pharmaindustrie. Ihre Werbekampagnen für Aids-Medikamente vermittelten den Eindruck, als sei mit neuen Präparaten eine Heilung möglich, was jedoch nicht der Fall sei. Dieses Verhalten, so die Ministerin, sei "nicht verantwortungsbewusst" und entspreche nicht den ethischen Ansprüchen der Pharmabranche.

Vom 3. bis 5. September findet in Berlin der Aids-Fachkongress "HIV im Dialog" statt. Themenschwerpunkte werden hier unter anderem die AIDS-Katastrophe in Osteuropa, neue Präventionsansätze und die Folgen der Gesundheitsreform für Aids-Kranke sein.

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