Arzneimittel: Ost-Ärzte zurückhaltend bei Verordnungen

Bonn (im). In Ostdeutschland sind die Rückgänge bei den rezeptpflichtigen Arzneimitteln deutlicher als im Westen, zugleich sind die Ausgaben für Medikamente pro Versichertem nahezu auf West-Niveau gesunken. Das geht aus den Finanzzahlen der gesetzlichen Kassen (GKV) des ersten Quartals 2004 hervor. Laut Monika Koch, Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbands, sparen die Kassen durch die neue Honorierung der Apotheker mittels Kombimodell vergleichsweise viel in den neuen Bundesländern ein. Dort müssten Apotheken mit einem höheren Rezeptdurchschnitt entsprechende Ertragsrückgänge verkraften.

Den GKV-Quartalszahlen zufolge sanken die Ausgaben für Arzneimittel in den alten Bundesländern um 15 Prozent gemessen am Vorjahreszeitraum, in den neuen Ländern jedoch mit fast 17 Prozent etwas stärker. Die Ost-West-Ausgabenquote je Versichertem ist jetzt fast identisch, sie liegt bei den Medikamenten nun bei 101 Prozent. Im ersten Quartal 2002 hatten die Arzneiausgaben in den neuen Ländern noch rund 15 Prozentpunkte über dem Westniveau gelegen.

Hart gegen Wunschverordnung

Wie Monika Koch der Apotheker Zeitung sagte, fehlen derzeit noch Statistiken zu den Gründen. Ihrer Einschätzung nach geben Ärzte im Osten reinen "Wunschverordnungen" von Patienten weniger nach. Angesichts des Ärztemangels in einigen Regionen zwischen Stralsund und Zwickau und dadurch fehlendem Konkurrenzkampf betrieben die Mediziner kein "Marketing mit Rezepten", was in überversorgten Gebieten womöglich anders aussehe. Als weiteren Grund vermutete Koch allgemeine Zurückhaltung bei Medizinern im Osten nach den jahrelangen Auseinandersetzungen mit den Kassen um Arzneibudgets. Ihrer Schätzung zufolge haben die Ärzte in den neuen Bundesländern auch nicht im großen Umfang von verordneten, rezeptfreien Medikamenten auf rezeptpflichtige umgestellt. Zum Beispiel seien in der Urologie die Alpha-Blocker nach dem Wegfall der nicht-verschreibungspflichtigen Präparate gegen Prostataleiden aus der Kassenerstattung nicht übermäßig stark verschrieben worden. Hier müsse die weitere Entwicklung beobachtet werden, meinte die sächsische Verbandschefin.

Ärzte verschrieben nach Wende innovative Arzneimittel

Dass ostdeutsche ApothekenleiterInnen tendenziell stärker durch das neue Kombimodell als westdeutsche belastet werden, will sie nicht ausschließen. Zwar sei die Struktur der jeweiligen Apotheke ausschlaggebend, vor allem der Anteil hochpreisiger Medikamente am Umsatz. Der liege jedoch gerade in vielen Apotheken im Osten zum Teil höher als im Westen. Denn in den neuen Ländern hätten die Ärzte nach der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten sich grundlegend in der Arzneitherapie umorientiert und innovative Medikamente verschrieben. In den alten Bundesländern dagegen hätten etliche Ärzte, teils altersbedingt, ältere Therapien beibehalten, was die bisher höheren Pro-Kopf-Ausgaben in den neuen Ländern erkläre.

Darüber hinaus machte sich der Wegzug jüngerer Leute bemerkbar, die nach der Lehre im Westen blieben, mit steigenden Rentnerzahlen im Gegenzug im Osten. Dadurch, verbunden mit einer höheren Erkrankungshäufigkeit, belegt laut Koch bei insulinpflichtigem Diabetes, sowie teils falscher Ernährung der Menschen, hätten die Kassenausgaben für Medikamente in den vergangenen Jahren im Osten deutlich das Westniveau übertroffen, was sich nun offenbar annähere. Durch das Kombimodell müssten Apotheken mit einem höheren Rezeptdurchschnitt Ertragsrückgänge hinnehmen.

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