Kommentar

Bisschen richtig, reichlich falsch

Ein bisschen richtig, ansonsten reichlich falsch - aber allemal bemerkenswert: Dass sich auch viele Journalisten von Medien, die ansonsten als seriös gelten, immer wieder als unkritisches Sprachrohr, als Werbeclown obskurer Arzneiversender missbrauchen lassen, ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. "Karstadt-Quelle verkauft Medikamente im Internet" titelte gerade eben z. B. das Handelsblatt auf Seite 1. Gemeint ist: Der marode Konzern, bei dem (nach einer Meldung vom gleichen Tage) 15 000 der 47 000 Arbeitsplätze bedroht sind, bietet neuerdings eine exklusive Link-Möglichkeit von seiner Internetseite karstadt.de auf die Seite der Versandabteilung einer Wittenberger Apotheke, die mit derzeit rund 40 Mitarbeitern (soviel wie in 8 Durchschnittsapotheken) jetzt auf den Ansturm der Besteller wartet. Karstadt will so ein wenig Kasse machen - ob orientiert am vermittelten Umsatz oder an der Kundenzahl, ist noch unklar.

Man wird sehen, ob in unserer Republik Apotheken mit derart lauten Stillen Gesellschaftern - doch wohl contra legem? - inzwischen stillschweigend akzeptiert werden. Spannend ist auch, woher die behaupteten 200 000 Arzneimittel kommen, die man angeblich meint liefern zu können. Auch ein vollstsortierter deutscher Großhandel könnte damit nicht dienen - selbst wenn er wollte. Und wer würde wollen? "Preisvorteil bis 30 %" - so tönt die mit Karstadt verbandelte schnuckelige Versandapotheke marktschreierisch. Dazu würde ein einziger Artikel reichen. Das kann jede Apotheke.

Aber dennoch: Unsere journalistischen Kollegen plappern munter nach, was ihnen aufgetischt wird. Sie schnuppern Wettbewerb, wittern eine frische Brise. Und fallen doch nur herein auf eine ziemlich plumpe Bauernfängerei. Wo bleiben unter dem Strich relevante Preisvorteile? Die Zustellung aus der Apotheke um die Ecke ist allemal schneller und sicher nicht weniger bequem.

Immerhin: Was Karstadt angeht, gibt es inzwischen auch kritische Töne. "Karstadt - der Name stand einmal für solides kaufmännisches Handeln ... Doch die Fassade bröckelt", so die Neue Ruhr Zeitung aus Essen, dem Stammsitz von Karstadt. Der Konzern stehe am Scheideweg, ihm fehle eine schlüssige Strategie. Es darf bezweifelt werden, dass daran der versuchte virtuelle Einstieg in den Arzneimittel-Internethandel etwas ändern wird.

Klaus G. Brauer

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.