Rexrodt auf dem Wirtschaftsforum: Gesundheitssektor hat Entwicklungschancen

Berlin (im). Deutschland steht vor enormen Herausforderungen wegen der Globalisierung, die alle Wirtschaftszweige bei uns berührt. Es muss sich dem Wettbewerb stellen, auf mehr Wirtschaftswachstum setzen und zugleich das Problem der Überalterung und Schrumpfung unserer Gesellschaft lösen. Diese Ansicht vertrat Bundeswirtschaftsminister a. D. Dr. Günter Rexrodt (FDP) auf einer Veranstaltung des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) am 6. Mai in Berlin.

Angesichts der katastrophalen demographischen Entwicklung, die unsere Sozialversicherungssysteme unbezahlbar macht, schlug der Liberale eine aktive Einwanderungspolitik qualifizierter integrationswilliger Ausländer - wie in Kanada, den USA oder Australien - vor. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit und der zu niedrigen Geburtenrate seien Rente und Gesundheit auf Dauer nicht mehr wie bisher zu finanzieren.

Im Gesundheitsbereich schlägt die FDP vor, den Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung auszuzahlen, eine Basisversicherung einzuführen und die Arbeitnehmer zum Abschluss einer privaten Zusatzversicherung zu verpflichten. In den kommenden Jahren müsse eine grundlegende Reform kommen, sonst nähmen die Probleme überhand. Rexrodt betonte aber die enormen Entwicklungschancen des Gesundheitssektors, in dem 16 Prozent des Sozialprodukts erwirtschaftet werden - ein wachsender Bereich verbunden mit mehr Arbeitsplätzen.

Apotheker müssen sich Wettbewerb stellen

Den Apotheken bescheinigte er mit der besonderen Ware Arzneimittel eine wichtige Position, hier solle der hohe Anspruch an die Versorgung der Bevölkerung aufrecht erhalten werden. Gleichwohl seien die Pharmazeuten mehr Wettbewerb ausgesetzt und müssten selbst Lösungen bieten, um beispielsweise Ketten zu verhindern. Wer sich zu wenig bewege, habe irgendwann das Heft nicht mehr in der Hand und könne Entwicklungen nicht mehr kontrollieren.

Zu hohe Arbeitslosigkeit

Weltweit gebe es expandierende Tendenzen in den USA und Ostasien, vor allem in China. Viele Schwellenländer in Asien und Südamerika bestimmten die Globalisierung mit. In der Europäischen Union sei die Stagnation seit 2003 überwunden, auch in Deutschland nähmen die Exporte weiter zu, allerdings sei die Binnennachfrage zu schwach. Rexrodt kritisierte den mehrmaligen Verstoß unseres Landes gegen die Maastricht-Verträge aufgrund zu hoher Defizite. Das verunsichere Wirtschaft und Bevölkerung und bremse die Investitionsbereitschaft. Dabei wäre ein selbsttragender Aufschwung zum Abbau der Arbeitslosigkeit nötig. Selbst optimistische Wirtschaftsgutachten gingen von einem Verharren der Erwerbslosigkeit bei 10 Prozent aus, "eine katastrophale Entwicklung", meinte Rexrodt.

Zu den strukturellen Problemen zählte er die hohen Lohn- und Lohnnebenkosten sowie das starre Arbeitsrecht. Dem Anpassungsdruck gegenüber Schwellenländern wären Firmen vor allem durch höhere Produktivität und Entlassung von Mitarbeitern begegnet. Grundsätzlich habe Deutschland als Industriegesellschaft eine starke Position, der Dienstleistungssektor sei noch ausbaufähig. Die jüngste Diskussion einer Sonderwirtschaftszone in den neuen Bundesländern nannte der FDP-Politiker abwegig. Anstelle von mehr Förderung sei die gezielte Unterstützung von Projekten notwendig.

Vom Mittelstand, dem Rexrodt einen zunehmenden Konzentrationsprozess vorhersagte, zeichnete er ein differenziertes Bild. Neben dem "klassischen Mittelstand" gebe es neue Mittelständler, die sich nicht an alte, tradierte Regeln hielten. Die mangelnde Eigenkapitalbasis der Unternehmen sei bedauerlich, aber die Differenzierung der Kreditwürdigkeit mit den Bewertungsverfahren durch Basel II sei unumgänglich. Insgesamt hält Rexrodt Pessimismus in Deutschland nicht für angebracht, es gebe noch Potenzial für mehr Wirtschaftswachstum.

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