Kommentar

Beratungsbarometer auf 97 Prozent

Während uns die Stiftung Warentest und ihre Hintermänner und -frauen die "hundsmiserable" Beratung (Zitat Geschäftsführer Primus) in deutschen Apotheken um die Ohren schlägt, kann man im Mitteilungsblatt der Apothekerkammer Westfalen-Lippe ganz andere Zeilen lesen. In diesem Kammerbereich stieg das "Beratungsbarometer" auf 97 Prozent!

Im Klartext heißt dies: Im Januar wählte die Kammer 62 Apotheken in ihrem Bezirk nach dem Zufallsprinzip aus und bewertete mit unangemeldeten Testkäufen die pharmazeutische Beratung. 60 dieser 62 Apotheken erfüllte dabei "den hohen Anspruch an eine nachhaltige pharmazeutische Beratung", wie der Geschäftsführer Pharmazie dieser Kammer, Andreas Walter, im Kammerblatt schwärmt, mithin also rund 97 Prozent und damit ein Prozentpunkt mehr als im Jahr 2002.

Wie lässt sich diese Differenz zum Ergebnis der Stiftung Warentest erklären? Spielt hier der "Präsidenteneffekt" eine Rolle? (Ist es doch die Kammer, der unser ABDA-Präsident Friese höchst persönlich vorsteht.) Oder sind solche Tests "unter Pfarrerstöchtern" eher skeptisch zu bewerten, mangelt es ihnen an Objektivität? Wie lässt sich die große Diskrepanz zu Tests erklären, die von den Berliner Warentestern durchgeführt werden? Oder muss man an deren Objektivität zweifeln?

Da drängt sich mir die Frage auf: Wie sehen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, überhaupt unangemeldete, verdeckte Testkäufe, von unseren eigenen Kammern organisiert? Halten Sie solche Testkäufe für sinnvoll und nützlich oder fühlen Sie sich dadurch in Ihrer Berufsehre verletzt und gekränkt oder gar bespitzelt und überwacht?

Eine Lösung besteht sicher darin, sich freiwillig einer gezielten Überprüfung zu unterziehen. Das Pseudo-Customer-Konzept der ABDA-Tochter Werbe- und Vertriebsgesellschaft könnte hier ein Ausweg sein: Wer sich für die Teilnahme anmeldet (225 Euro im Jahr), wird zweimal unangemeldet von geschulten "Pseudo-Kunden" heimgesucht und auf seine Beratungsqualität getestet. In konstruktiven Gesprächen nach den Besuchen erfährt der Apotheker dann, was gut und was schlecht an seiner Beratung war. Vielleicht steigt das Beratungsbarometer dann tatsächlich auf ungeahnte Höhen.

Peter Ditzel

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.