Großbritannien: Müssen sich britische Apotheker auf mehr Liberalisierung gefas

(jr). Die britische Regierung baut auf eine weitere Liberalisierung des inländischen Apothekenwesens. Indessen entwirft der Apothekerverband - National Pharmaceutical Association - ein Zukunftsszenario aus ungeahnter Konkurrenz, Pleiten und Serviceverlust.

Britischen Apothekern ist die Konkurrenz durch Fremd- und Mehrfachbesitz nicht neu. Unternehmensketten gehören seit Jahrzehnten zum hart umkämpften Markt. Der internationale Branchenriese Boots zählt allein in Großbritannien 3 000 Apotheker in etwa 1 400 Filialen. Dennoch genossen Apotheker in den letzten 17 Jahren im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen wie Bäcker, Fleischer oder Obst- und Gemüsehändler durch Marktregulierungskriterien gesetzlichen Schutz. Die Eröffnung einer Apotheke war danach nur erlaubt, wenn die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln nicht gesichert werden konnte oder im Falle eines Umzuges im bisher betreuten Einzugsbereich.

Marktöffnung konnte verhindert werden ...

Einzelunternehmer wie Apothekenketten fürchten indessen das Ende der Regulierung. Anstoß gab die Empfehlung der britischen Wettbewerbsbehörde (Office of Fair Traiding, OFT) an die britische Regierung, eine totale Öffnung des Apothekenmarktes durchzusetzen. Die Gegner dieser Bestrebungen warfen der Wettbewerbsbehörde vor, überwiegend wirtschaftliche Überlegungen angestellt zu haben, während gesundheitspolitische auf der Strecke blieben. Den Patienteninteressen könne auf diese Weise nicht gedient werden, betonte der Apothekerverband, die National Pharmaceutical Association. Auch Schottland, Wales und Nordirland lehnten die Empfehlung umgehend ab. Die Londoner Regierung erklärte später, bis auf weiteres keine völlige Deregulierung anzustreben. Stattdessen gab sie kurz darauf ihre eigenen Pläne als so genanntes "ausgewogenes Paket an Maßnahmen" bekannt.

... kommt sie durch die Hintertür?

Die Regierungsinitiative sieht den freien Markteintritt für große Geschäftskomplexe mit mehr als 15000 qm zu vermietender Grundfläche vor, für Apotheken, die beabsichtigen, ihre Dienstleistungen mehr als 100 Stunden pro Woche anzubieten, Internet- oder Versandapotheken und für Konsortien in Zentren medizinischer Grundversorgung. Viele Apotheker, darunter vor allem Einzelunternehmer, bezeichnen den Vorstoß der Regierung als Deregulierung durch die Hintertür, die Erlaubniskriterien zudem mehr als schwammig.

Was geschehe, so fragen Kritiker, wenn die 100-Stunden-Apotheke die Öffnungszeiten nicht durch die gesetzlich vorgeschriebene Anwesenheit eines Apothekers abdecken könne? Wer kontrolliere die 100 Stunden pro Woche oder die Qualifikation des Diensthabenden? Wie definiere die Regierung den Begriff "Zentren medizinischer Grundversorgung"; sei auch ein Arzt berechtigt, Arzneimittel an Patienten abzugeben? Seien von den 15 000 qm in Geschäftskomplexen nur Ladenflächen erfasst oder zählten auch Lagerräume dazu? Antworten blieb die Regierung bislang schuldig.

Aufweichen von Zulassungsbeschränkungen

Der Apothekerverband, die National Pharmaceutical Association, spricht indessen von einer weiteren Aufweichung der Zulassungsbeschränkungen. Die Konkurrenz durch Wirtschaftsriesen werde vielen kleineren Existenzen die Kundschaft abspenstig machen, Apothekenschließungen nach sich ziehen und nicht zuletzt dem Service abträglich sein. Die britische Regierung scheint jedoch entschlossen, die Reformpläne zügig voranzutreiben. Die ersten Schritte wurden für den April 2004 angekündigt, während die Apotheker sich auf die ersten Folgen einstellen. Die große Supermarktkette Asda gab bereits bekannt, unter erleichterten Bedingungen das Netz aus derzeit 81 Apotheken weiter ausbauen zu wollen. An Platz wird es dem Unternehmen mit seinen 259 Filialen nicht fehlen.

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