Stiftung Warentest: Apothekenberatung fällt im "Test" durch - ABDA geht in die

Berlin (ks). Für die März-Ausgabe der Zeitschrift "Test" hat die Stiftung Warentest in Berlin, München und Köln die Beratungsqualität von 50 Apotheken unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Nur in einer der getesteten Apotheken wurden in allen Prüfpunkten gute Resultate erzielt. Bei 90 Prozent der Apotheken wurden bei Beratung und Verkauf "erhebliche Schwächen" festgestellt, erklärte Hubertus Primus, Bereichsleiter Publikationen bei der Stiftung Warentest, am 26. Februar in Berlin. Auch wenn die Untersuchung "keinesfalls repräsentativ" sei: Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) nimmt sie "ernst", versicherte ABDA-Präsident Hans-Günter Friese im Anschluss an die Vorstellung dieser Testergebnisse.

Die Testkäufe in Apotheken sind nicht neu. Bereits 1991 und 1999 hatte die Stiftung Warentest in Apotheken Testkäufe vorgenommen - auch damals fiel das Urteil über die Beratungsqualität schlecht aus. Die jüngste Untersuchung wurde im Oktober und November 2003 durchgeführt. Jeweils 15 Apotheken in Köln und München, sowie 20 Apotheken in Berlin - davon die Hälfte im Ostteil der Stadt - wurden in einer Stichprobe aus dem Branchenbuch ausgewählt. Zwei Testkäufer wurden los geschickt: Eine junge, schlanke Kundin mit dem Wunsch nach einem Abführmittel und ein Kunde mit Fließschnupfen, der diesen kurzfristig in den Griff bekommen wollte. Bewertet wurde jeweils das Beratungsgespräch und das anschließend verkaufte Präparat, d. h. vier Prüfpunkte. Die Apotheken wurden im Anschluss nicht darüber informiert, dass ein Testkauf stattgefunden hat. Sie erfahren dies erst im neuesten "Test"-Heft, hier sind sie namentlich aufgeführt.

1. Testfall: Abführmittel

Im Abführmittelfall bejahte die Frau die Nachfrage des Apothekenpersonals, ob sie schon einmal Abführmittel genommen habe: Sie nennt Dulcolax, Depuran und Agiolax, doch alle Mittel wirkten "nicht mehr richtig". Dem Apothekenpersonal hätte der offensichtliche Missbrauchsfall auffallen müssen, erklärte Primus. Die Apotheker hätten alternative Maßnahmen vorschlagen müssen, bestenfalls Milchzucker oder Leinsamen verkaufen dürfen. Doch nur in der Hälfte der Apotheken wurde gefragt, ob schon zuvor Medikamente eingenommen wurden. Wurde der Testkundin eines der vermeintlich schon probierten Mittel angeboten, wies sie darauf hin, dass sie dieses bereits genommen habe. Dennoch seien in jeder zweiten Apotheke darmreizende synthetische Mittel wie Dulcolax, Pyrilax und Laxoberal oder darmreizende pflanzliche Mittel wie Ramend, Regulax und Kräuterlax verkauft worden, so Primus. In 20 Apotheken wurde zudem nicht danach gefragt, für wen das Medikament bestimmt ist - obwohl diese Frage nach den von den Bundesapothekerkammer (BAK) verabschiedeten Leitlinien zur Qualitätssicherung der Patientenberatung stets zu stellen ist. Nur in acht Apotheken wurde nachgefragt, wie lange die Kundin schon Abführmittel nehme.

2. Testfall: Schnupfenmittel

Im Fall des Fließschnupfens wollte der Testkunde ein Mittel, das ihn für einen wichtigen Termin vom lästigen Schnupfen befreit. Er fragte dabei nach, wie lange er das Mittel nehmen könne, ob es neben Sprays auch Tabletten gebe und wie es um preiswerte Präparate bestellt sei. Erwartet wurde, dass das Apothekenpersonal das Krankheitsbild abfragte und sodann Nasentropfen vom Typ Olynth für eine kurzfristige Anwendung abgibt. Für eine längerfristige Behandlung wären auch salzhaltige Sprays sinnvoll gewesen.

In jedem zweiten Fall wurden hier geeignete Mittel verkauft - wenn auch in der Regel nach einem schlechten oder nicht vorhandenen Beratungsgespräch. In jedem dritten Fall wurde jedoch ein Kombinationsmittel verkauft - am häufigsten Rhinopront. Ein wenig geeignetes Mittel, da es für den allergischen Schnupfen bestimmt sei, so Primus. In nur zwei Fällen wurde darauf hingewiesen, dass die Mittel die Reaktionsfähigkeit herabsetzen. "Offensichtlich wurde der Fließschnupfen als zu banal angesehen, um hier ausführlich zu beraten", sagte Primus. Der Testkäufer stellte übrigens auch fest, dass von den 50 Apothekenmitarbeitern nur 20 ein Namensschild trugen. Nur vier davon nannten darauf auch die Ausbildung.

Test statistisch nicht repräsentativ

"Es bleibt der Eindruck, dass sich die Apotheker im Bereich der Selbstmedikation oft darauf verlassen, dass der Kunde schon weiß, was er will", erklärte Primus zu den Testergebnissen. Er räumte ein, dass 50 Apotheken statistisch nicht repräsentativ seien - die Ergebnisse ließen jedoch einen "deutlichen Rückschluss auf Apotheken allgemein zu". Projektleiter Hans Joachim Koubenec fügte hinzu, dass der Test nur von Stadtapotheken und die Auslassung von Landapotheken, zu einer "kleinen Verzerrung" führen könne. Anzuraten sei allen Apothekenkunden in jedem Fall ihre Beschwerden stets möglichst genau dazulegen und immer wieder nachzufragen. Dies verbessere die Beratungsqualität in der Regel, so Primus.

Friese: Solche Testergebnisse wird es nicht noch einmal geben

Den Ratschlag, immer nachzufragen, unterstützt auch die ABDA. Schon zwei Stunden nach Vorstellung der "Test"-Ergebnisse lud die Apothekerorganisation zu einem Pressegespräch. ABDA-Präsident Friese versicherte, man werde die Untersuchungsergebnisse gründlich prüfen und, "wenn sie neue Ansatzpunkte zur Qualitätsverbesserung enthalten, die notwendigen Schlüsse daraus ziehen". Generell laufe die Stiftung Warentest mit ihrer Untersuchung "offene Türen" ein. Beratung und ihre Qualität seien wesentliche Standbeine der Apotheken, so Friese. Er verwies darauf, dass Apotheker im alljährlich von der Zeitschrift Reader's Digest durchgeführten Vertrauenstest, 2003 auf Platz 4, knapp hinter Feuerwehrleuten, Krankenschwestern und Piloten und noch vor den Ärzten, lagen.

Ähnliche Werte habe das Institut für Demoskopie Allensbach ermittelt. Der Gegensatz zwischen den wenigen Warentest-Stichproben und der positiven Erfahrung von täglich drei bis vier Millionen Apothekenkunden müsse sicher aufgeklärt werden. "Wir werden in unserem Berufsstand alles tun, damit eine vielleicht noch einmal kommende Untersuchung der Stiftung Warentest zu einem anderen Ergebnis kommt", erklärte Friese. Er verwies auf das "Beratungsbarometer" in Westfalen-Lippe, einem Test der von der Apothekerkammer kürzlich zur Beratungsqualität zum Thema Kopfschmerz durchgeführt wurde. Hier seien die Ergebnisse deutlich besser ausgefallen.

ABDA startet Qualitätsoffensive

BAK-Präsident Johannes M. Metzger erläuterte, wie man künftig die Beratungsqualität optimieren wolle; schließlich sei Beratung "das Herzstück des Apothekerberufs". Einerseits werde man auch in Zukunft auf die Einsicht und Freiwilligkeit der Apotheker setzen: 67 385 Teilnehmer an Fortbildungsveranstaltungen der Apothekerkammern zeigten, dass diese durchaus vorhanden sei. Andererseits habe man ein so genanntes "Pseudo-Customer-Projekt" gestartet: Jede Apotheke müsse damit rechnen, von fachkundigen Testkäufern unangemeldet besucht und auf ihre Beratungsqualität überprüft zu werden, erklärte Metzger. Wo sich Mängel zeigten, würden sodann Einzelgespräche geführt. "Schwarze Schafe" sollen so aufgedeckt werden. Erste Ergebnisse seien in einigen Monaten zu erwarten. Über diese soll sodann auch die Öffentlichkeit informiert werden.

Metzger erklärte, dass man zum Ausbau des Prüfsystems einer Zusammenarbeit mit unabhängigen Organisationen offen gegenüber stehe. Man scheue auch nicht das Gespräch mit der Stiftung Warentest. Der BAK-Chef und Friese erläuterten zudem, dass die Apothekerkammern schon jetzt Sanktionsmöglichkeiten haben, wenn Apotheken Mindeststandards bei der Beratung nicht erfüllen. "Wer in diesem Kerngebiet Defizite hat, muss auch mit Sanktionen rechnen", betonte Friese.

Übrigens: Dem Beratungstest im aktuellen "Test"-Heft ist eine Übersicht zu Online-Apotheken nachgestellt. Getestet wurden diese Apotheken allerdings nicht. Für jetzt handle es sich nur um einen Info-Kasten, erläuterte Primus. Zu gegebenem Anlass werde die Stiftung Warentest aber auch diese Apotheken genauer unter die Lupe nehmen.

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