Feuilleton

Zur Erinnerung: 150. Todestag von Jonathan Pereira

Der Begriff "Materia medica" stammt von dem griechisch-römischen Arzt Pedanius Dioskorides (1. Jh. n. Chr.). Er bezeichnete die Gesamtheit des Arzneischatzes aus den drei Naturreichen (Botanik, Mineralien und Tierreich). Die Materia medica befasste sich auch mit der Wirkung von Arzneistoffen, da sich die Pharmakologie erst im 19. Jahrhundert als eigenständige Disziplin herausbildete. Für Materia medica setzte sich im 19. Jahrhundert nicht die wörtliche Übersetzung "Medizinische Warenkunde", sondern "Pharmakognosie" durch, die sich in den 1970er-Jahren zur Pharmazeutischen Biologie weiterentwickelte. Bedeutende Pharmakognosten des frühen und mittleren 19. Jahrhunderts waren u. a. Nicolas Guibourt (1790-1867), Theodor Martius (1796-1863), Daniel Hanbury (1815-1875), Friedrich A. Flückiger (1826-1894) sowie der Engländer Jonathan Pereira.

Jonathan Pereira wurde als Sohn eines Kaufmanns am 22. Mai 1804 in Shoreditch bei London geboren. Er besuchte vier Jahre lang eine Lateinschule und kam mit 15 Jahren zu einem Schiffs-Chirurgen in die Lehre. 1821 wurde er Student an der Aldersgate School, wo er Vorlesungen über Chemie, Materia medica, praktische Heilkunde, Naturphilosophie und Botanik hörte. Im Alter von 18 Jahren legte er am 6. März 1823 mit Auszeichnung das Apothekerexamen ab und begann nun selbst an der Schule zu unterrichten.

Bald darauf übersetzte er die Londoner Pharmakopöe von 1824 und kommentierte die darin aufgeführten Präparate. Dazu gab er ein kleines Handbuch "Selecta e Praescriptis" für junge Pharmazeuten heraus. 1825 nahm man Pereira, der sich nebenbei am St. Bartholomew's Hospital chirurgisch weitergebildet hatte, in das Royal College of Surgeons auf. Ein Jahr später übernahm er dann die Chemie-Vorlesungen von Dr. Henry Clutterbuck an der Aldersgate School. Ferner erlernte er die französische und deutsche Sprache.

Ein Leben für die Materia medica

Ab 1828 begann Pereira mit Vorlesungen über Materia medica, die bald zu den meist besuchten ihrer Art in London wurden. Wegen des großen Zulaufes ließ er sogar auf eigene Kosten ein neues Auditorium errichten.

Von 1835 bis 1837 veröffentlichte er seine Vorlesungen in der Medical Gazette.

Pereira hatte 1832 geheiratet und begonnen als Arzt zu praktizieren. Eine Berufung als Dozent für Chemie und Materia medica am St. Bartholomew's Hospital lehnte er ab. Dagegen bewarb er sich 1841 erfolgreich um eine Anstellung als Assistenzarzt am Royal London Hospital, erhielt kurz darauf die Lehrbefugnis am Royal College of Physicians und nach einer Promotion in absentia den medizinischen Doktorgrad der Universität Erlangen.

Das große Echo ermutigte Pereira, den schon längst geplanten Druck seines Hauptwerkes "Elements of materia medica and therapeutics" zu realisieren. Die beiden Bände erschienen 1839/40 und waren schnell vergriffen. Bereits 1854/57 folgte die 4. Auflage dieses großartigen Werkes. Die deutsche Übersetzung ("Handbuch der Heilmittellehre", Leipzig 1844) stammte von dem Pharmakologen Robert Buchheim (1820-1879).

Nachdem 1842 am Bloomsbury Square die neue School of Pharmacy eröffnet worden war, bekam Pereira dort 1843 die Professur für Materia medica. In seinen Vorlesungen behandelte er sowohl die Wirkungen der Arzneimittel als auch die Vorschriften ihrer Herstellung. Als Anschauungsmaterial verwendete er seine pharmakognostische Sammlung, die nahezu 500 Objekte umfasste.

Er hielt drei verschiedene Übungen und zwei bis drei Vorlesungen pro Tag. Im Laufe der Zeit reduzierte er seine Lehrverpflichtungen und unterrichtete schließlich nur noch an der Schule der Royal Pharmaceutial Society in London.

Erforschung des Perubalsams

Die Pharmakognosie verdankt Pereira zahlreiche Bereicherungen, so z. B. mikroskopische Untersuchungen und den Einsatz polarisierten Lichtes zur Charakterisierung ätherischer Öle und Balsame. Berühmt wurde seine Arbeit über die Stammpflanze des Perubalsams, die John Forbes Royle nach seinem Tod in "Myrospermum Pereirae" umbenannte (heute: Myroxylon balsamum var. pereirae). Pereira verfasste auch ein Werk über die Zusammensetzung der Nahrungsmittel ("A treatise of food and diet"; gekürzte deutsche Übersetzung 1845) und leistete Vorarbeiten zur modernen Pharmakologie.

Völlig unerwartet starb Jonathan Pereira in seinem 49. Lebensjahr am 20. Januar 1853 an den Folgen eines Sturzes auf einer Treppe, bei dem es zur Ruptur eines Blutgefäßes in der Brust gekommen war. Zur Erinnerung an den Mitbegründer der wissenschaftlichen Pharmakognosie und Meister der Materia medica schuf man von ihm eine Marmorbüste, die im Royal London Hospital aufgestellt wurde. Die Royal Pharmaceutical Society stiftete die Pereira Medal als Auszeichnung für den besten Pharmaziestudierenden eines Jahrgangs.

Literatur

Poggendorf II, Sp. 403. J. B. Christin: Biographisches Denkmal. Dr. Jonathan Pereira. Archiv der Pharmazie 127, 193-203 (1845). O. Zekert: Berühmte Apotheker, Bd. 2, Stuttgart 1962, S. 16 f. Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker (hrsg. v. A. Hirsch), 3. Aufl., Bd. 4. München/ Berlin 1962, S. 554-556. G. O. Story: Jonathan Pereira (1804-1853), the father of pharmacology. Journal of Medical Biography 6, 206-216 (1998).

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