Pharmazeutische Betreuung

R. Goebel, M. SchaeferBlutdruckkontrolle in Apotheke

Welchen Beitrag Offizin-Apotheker mit Methoden der Pharmazeutischen Betreuung bei medikamentös behandelten Hypertonikern zur normotensiven Blutdruckeinstellung und Verbesserung des kardiovaskulären Risikoprofils leisten können, wurde in zwei Gemeinschaftsprojekten in Zusammenarbeit mit den Landesapothekerkammern Brandenburg und Thüringen untersucht.

In der Brandenburger Studie wurden in zwei Studiendurchgängen von April 1997 bis Januar 2000 verschiedene Instrumente der Pharmazeutischen Betreuung bei Hypertonikern mit unterschiedlichen Grund- und Begleiterkrankungen getestet sowie die Einflussmöglichkeiten einer sechsmonatigen intensiven Betreuung auf beeinflussbare kardiovaskuläre Risikofaktoren und arzneimittelbezogene Probleme analysiert.

In der Thüringer Studie wurde von Januar bis Dezember 1998 das Modell eines Arzneimittel- und Blutdruckmonitorings bei Hypertonikern auf die medikamentöse Einstellung und Therapieumstellung angewendet, wobei der Stellenwert einer apothekengestützten Blutdruckselbstmessung und das Vorkommen von Therapiewechseln unter Alltagsbedingungen analysiert wurde.

Hypertonie als gesundheitliches Problem

Die arterielle Hypertonie ist mit einer Prävalenz von 20 bis 30% in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung der verbreitetste Risikofaktor für kardiovaskuläre und zerebrovaskuläre Erkrankungen und die am häufigsten gestellte Diagnose in allgemeinmedizinischen und internistischen Arztpraxen in Deutschland [1 - 3]. In Deutschland leiden nach zuverlässigen Hochrechnungen ca. 16 Millionen Menschen an Bluthochdruck, der nach internationaler Übereinkunft unabhängig von pathophysiologischen und klinischen Gesichtspunkten durch Blutdruckwerte > 140/90 mm Hg (Mehrfachmessungen) definiert ist [4].

Vergleichende nationale epidemiologische Analysen des letzten Jahrzehnts [1, 5, 6, 7] lassen für Deutschland einen leichten Prävalenz-Anstieg der Hypertonie und ihrer zerebro- und kardiovaskulären Folgeerkrankungen sowie einen deutlichen Unterschied zwischen den ost- und westdeutschen Bundesländern erkennen, der sich in der Mortalität durch koronare und zerebrovaskuläre Erkrankungen widerspiegelt [5, 8 - 12].

Da der Bluthochdruck im Frühstadium subjektiv nicht als unangenehm und gewöhnlich nicht als Krankheit empfunden wird, ist der Erkennungs- und Behandlungsgrad relativ niedrig. Von 16 Mio. Hypertonikern in Deutschland wissen ca. 5 Mio. gar nicht, dass sie Bluthochdruck haben. Von den 11 Mio. mit bekannter Hypertonie werden nur ca. 9 Mio. wegen ihres Bluthochdrucks therapiert. Von den 9 Mio. behandelten Hypertonikern erreichen jedoch nur ca. 4 Mio. normotensive Blutdruckwerte, während die anderen 5 Mio. zwar antihypertensiv behandelt werden, aber keinen Blutdruckzielwert von < 140/90 mm Hg erreichen. Insgesamt ist demnach von den 16 Mio. Hypertonikern nur etwa jeder Vierte ausreichend behandelt und auf normotensive Blutdruckwerte eingestellt [13].

Während die Behandlungssituation in einigen europäischen Ländern in den vergangenen zehn Jahren im Trend Verbesserungen erkennen ließ, stagnierte der Detektions- und Behandlungsgrad in den deutschen Studienzentren auf einem gesundheitspolitisch unbefriedigenden Niveau (Tab. 1). Bei Hochrisikopatienten waren sogar Verschlechterungen der Behandlungssituation zu beobachten, wie die Vergleiche zur Blutdruckeinstellung bei KHK-Patienten in neun europäischen Ländern zeigten (EuroAspire 1995/6 und 1999/2000) [14, 15].

Somit bleibt festzuhalten, dass die arterielle Hypertonie zusammen mit anderen Herz-Kreislauf-Risikofaktoren in der deutschen Bevölkerung seit Jahren in einem unvermindert hohen Ausmaß verbreitet ist, dem gesundheitspolitisch entgegengewirkt werden muss. Welchen Beitrag die öffentliche Apotheke zur Verbesserung dieser Situation leisten kann, soll im Folgenden begründet und untersucht werden.

Grundsätze und Ziele der Bluthochdrucktherapie

Das Hauptziel der Bluthochdrucktherapie ist die Senkung der kardio- und zerebrovaskulären Morbidität und Mortalität durch die Verhütung, Behandlung und gegebenenfalls Rückbildung von hypertoniebedingten Endorganschäden. Die zuverlässige über 24 Stunden anhaltende Blutdrucksenkung sowie die Verbesserung des gesamten Herz-Kreislauf-Risikoprofils der Patienten bilden die Grundlage der heutigen antihypertensiven Therapie [23, 24].

Die Blutdruckhöhe sowie das gleichzeitige Auftreten von prognostisch wichtigen kardiovaskulären Risikofaktoren (Tab. 2), Endorganschäden sowie Folge- und Begleiterkrankungen (Tab. 3) spielen bei der Entscheidung für die Einleitung therapeutischer Maßnahmen und bei der Festlegung der Zielblutdruckwerte eine wichtige Rolle.

Das Vorliegen von Blutdruckwerten ≥ 140/90 mm Hg gilt altersunabhängig als Behandlungsindikation. Nur bei älteren Patienten mit isolierter systolischer Hypertonie besteht nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand erst bei systolischen Werten ≥ 160 mm Hg eine gesicherte (medikamentöse) Behandlungsindikation [23, 26, 27]. Für hypertone Diabetiker und Patienten mit Nieren- oder Herzinsuffizienz wird von Experten eine Behandlung bei Blutdruckwerten > 135/85 mm Hg gefordert [4, 28].

Nach dem inzwischen weltweit anerkannten Prinzip der Risikostratifikation in der Hochdrucktherapie werden für besondere Risikogruppen, wie Diabetiker, Patienten mit Herz- und Niereninsuffizienz sowie für Hypertoniker, bei denen zugleich mehrere kardiovaskuläre Risikofaktoren (Tab. 2, 3) vorliegen, frühzeitig intensivierte (medikamentöse) Behandlungsmaßnahmen sowie eine noch stärkere Blutdrucksenkung als unter 140/90 mm Hg empfohlen.

Basierend auf den Ergebnissen der HOT-Studie [29, 30] und der UKPDS-Studie [31] werden von deutschen und US-amerikanischen Experten bei Diabetikern, insbesondere mit Mikroalbuminämie und manifester diabetischer Nephro- pathie, Blutdruckzielwerte von < 135/80 mm Hg bzw. bei guter Toleranz sogar von < 130/80 mm Hg gefordert [18, 23, 25, 28]. Die Gremien der Internationalen Hypertonie Gesellschaft und der WHO empfehlen diese Zielblutdruckwerte auch für die Langzeitbehandlung bei jüngeren Hypertonikern [4].

Therapiebegleitung von Hypertonikern in der Apotheke

Die Pharmazeutische Betreuung stellt insbesondere für hypertone Diabetiker und andere Hochrisiko-Patienten, wo nach den genannten Empfehlungen bezüglich der Zielblutdruckwerte ein viel aggressiveres therapeutisches Handeln zwingend erforderlich ist, einen vielversprechenden Ansatz zur praktischen Realisierung aktueller Therapieziele, einschließlich einer verbesserten gesundheitsbezogenen Lebensqualität, dar [32, 33].

Welchen Beitrag die Pharmazeutische Betreuung bei Bluthochdruck-Patienten mit unterschiedlichen Risikokonstellationen und Begleiterkrankungen leisten kann, wurde bislang in einzelnen Studien im Ausland untersucht. Diese konnten Verbesserungen der Blutdruckeinstellung, Compliance, Patientenzufriedenheit sowie bei ausgewählten Aspekten der gesundheitsbezogenen Lebensqualität feststellen [34 - 42].

Inwieweit das Pharmaceutical-Care-Konzept bei medikamentös therapierten Hypertonikern in öffentlichen Apotheken Deutschlands durchführbar ist und Akzeptanz bei den Patienten, Ärzten und Offizin-Apothekern findet, wurde bislang noch nicht untersucht. Daher wurde der Versuch unternommen, die Pharmazeutische Betreuung im Rahmen von zwei Studienprojekten in öffentlichen Apotheken Brandenburgs und Thüringens einzuführen und über 6 Monate zu begleiten [43 - 45].

Organisation und Durchführung der beiden Studien

Das Brandenburger Studienprojekt zur Pharmazeutischen Betreuung von Hypertonikern wurde allen Offizin-Apothekern des Kammerbereichs Brandenburg in zwei Studiendurchgängen (Staffel 1: 04/1997 - 04/1998, Staffel 2: 11/1998 - 01/2000) zur Teilnahme angeboten [43, 45]. Unabhängig vom Hypertonie-Schweregrad und dem Vorliegen weiterer Grund- und Begleiterkrankungen stellte die medikamentöse Behandlung mit mindestens einem Antihypertensivum das wichtigste Patienten-Einschlusskriterium dar.

Im zweiten Studiendurchgang wurde zusätzlich zu den Patientenberatungen und Blutdruckkontrollen in den Apotheken der Einsatz von Leihgeräten zur Blutdruckselbstmessung (Blood Pressure Watch MEMORY®) getestet. An beiden Studienstaffeln haben sich insgesamt 28 Apotheken beteiligt, darunter befanden sich 7 Apotheken, die an beiden Studiendurchgängen teilgenommen haben. Aus personellen und/oder organisatorischen Problemen haben 30 Apotheken ihre Studienteilnahme zurückgezogen oder vorzeitig abgebrochen [46]. Im Unterschied zur Pharmaceutical-Care-Studie in Brandenburg wurde die Thüringer Pilotstudie primär zur Testung der Durchführbarkeit eines apothekengestützten Blutdruck- und Arzneimittelmonitorings konzipiert und in 10 von der LAK Thüringen ausgewählten Studienapotheken durchgeführt.

Als Studienmessgerät wurde bei allen Studienteilnehmern das Messsystem visomat® watch PC, ein Blutdruckmessgerät mit computergestützter Speicher- und Auswertungsfunktion zur Langzeitbeobachtung, eingesetzt. In der Thüringer Studie wurden Hypertonie-Patienten rekrutiert, die erstmals mit Antihypertensiva behandelt wurden ("Neu-Einstellung") oder auf eine neue antihypertensive Medikation umgestellt wurden ("AM-Umstellung").

Zur Gewinnung von Studienpatienten haben die Studienapotheker in Absprache mit den praktizierenden Ärzten der Umgebung ein Patienten-Screening über einen Zeitraum von ca. 4 Wochen durchgeführt. Die Studienteilnehmer wurden den behandelnden Ärzten namentlich mitgeteilt, erhielten durch die Apotheker eine ausführliche Anleitung zur Blutdruckselbstmessung und bekamen das Studienmessgerät visomat® watch PC mit einem Patienten-Protokoll ausgehändigt.

Das Studiendesign sah nach dem intensivierten Monitoring des ersten Einstellungsmonats für die nachfolgenden fünf Monate regelmäßige Konsultationen mit den Apothekern sowie die fortlaufende Aufzeichnung der Blutdruckwerte und der ärztlich angeordneten antihypertensiven Arzneimitteltherapie vor, wobei die Patienten-Protokolle auf freiwilliger Basis fortgeführt wurden. Im Studienverlauf fand eine Fortbildungsveranstaltung zur Pharmazeutischen Betreuung, zur antihypertensiven Pharmakotherapie und zum Thema "Generikawechsel" statt.

Studiendesign und Dokumentationsmaterial

Den Untersuchungen lag jeweils ein prospektives, quasi-experimentelles Studiendesign zugrunde, bei dem ausgewählte Merkmale der Patientenstichproben in einem Prä-/Post-Vergleich analysiert wurden (Tab. 4).

Auswertbare Datensätze

In die Auswertung für den Prä-/Post-Vergleich wurden nach Prüfung der Ein- und Ausschlusskriterien die Fragebögen und Betreuungsprotokolle von insgesamt 210 Hypertonikern der Brandenburger und Thüringer Studie einbezogen. Von 197 Patienten lagen vollständige Daten des Antihypertensivagebrauchs vor. Darüber hinaus wurde die Begleitmedikation von 143 Brandenburger Hypertonikern über 6 Monate dokumentiert und ausgewertet (Tab. 5).

Studienpatienten

In den Brandenburger und Thüringer Studienapotheken wurden Hypertonie-Patienten zwischen dem 30. und 85. Lebensjahr betreut (Tab. 7). Das Durchschnittsalter lag in beiden Studienkollektiven bei ca. 60 Jahren. In der Brandenburger Studie war ein überproportional hoher Frauenanteil rekrutiert worden, wie er bereits in vergleichbaren apothekenbasierten Untersuchungen beobachtet wurde [49, 50].

In der Brandenburger Stichprobe wurden 90% der Patienten bereits länger als ein Jahr wegen Bluthochdruck medikamentös therapiert. Bei 10% der Teilnehmer wurde wenige Monate vor Studienbeginn eine antihypertensive Arzneimitteltherapie eingeleitet. Am Studienbeginn machten 79% der Brandenburger Studienpatienten zusätzlich zum Bluthochdruck Angaben über weitere Erkrankungen und Beschwerden. Die häufigsten Begleiterkrankungen dieser Stichprobe waren Stoffwechselerkrankungen (53,8%), Herz-Kreislauf-Beschwerden (39,7%) und Erkrankungen des Muskel- und Gelenkapparates (35,3%) (Tab. 6). In die Studie wurden insgesamt 23 Diabetiker, darunter 7 insulinpflichtige Diabetiker, sowie 2 dialysepflichtige Patienten eingeschlossen.

In der Thüringer Stichprobe wurden insgesamt 29 Männer (53,7%) und 25 Frauen (46,3%) über sechs Monate betreut. Zu den eingeschlossenen Teilnehmern gehörten 16 Patienten (29,6%), die vor der Studie keine Antihypertensiva eingenommen hatten und am Studienbeginn auf eine medikamentöse Therapie eingestellt wurden (Gruppe "einzustellende Hypertoniker"). Weiterhin wurden 38 Hypertoniker (70,4%) eingeschlossen, die bereits vor der Studie medikamentös behandelt wurden, aber am Studienbeginn von ihrem behandelnden Arzt auf eine neue Bluthochdruckmedikation (Präparate-, Stärke- oder Dosierungswechsel) umgestellt wurden (Gruppe der "umzustellenden Hypertoniker").

Da die Pharmazeutische Betreuung ein freiwilliges Zusatzangebot von Apotheken für Patienten mit einem primär vorhandenen Interesse an ihrer Gesundheit und Gesunderhaltung ist, entspricht der Studiencharakter und die Patientenauswahl weitgehend den gegenwärtig existierenden Bedingungen und Anforderungen zur praktischen Umsetzung des Konzepts der Pharmazeutischen Betreuung.

Offizin-Apotheker können durch die Pharmazeutische Betreuung von Hypertonikern deren Gesundheitszustand verbessern. Dies ist das Fazit von zwei Studien, die von 1997 bis Anfang 2000 mit Hypertonikern in Brandenburg und Thüringen durchgeführt wurden. Die Patienten profitierten von der engmaschigen Kontrolle sowohl des Blutdrucks als auch der Arzneitherapie. Im 1. Teil dieser Publikation geht es um die allgemeinen Therapieziele und das spezielle Studiendesign.

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