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Gesundheitsreform: Massive Kritik am "Zentrum für Qualität in der Medizin"

BERLIN (ks). Kaum ein anderer Reformeckpunkt der Bundesgesundheitsministerin trifft auf so viel Widerstand wie das geplante "Zentrum für Qualität in der Medizin". Vor allem Pharmaindustrie und Ärzteschaft fürchten hierdurch "Staatsdirigismus" und eine schlechtere Versorgung. Aber auch die Opposition und Krankenkassen reihen sich in den Kritiker-Kreis ein.

Das neu zu schaffende Zentrum soll nach der Idee Ulla Schmidts die Patientenversorgung deutlich verbessern. Es soll als eine Art "Stiftung Warentest im Gesundheitswesen" fungieren, indem es die Patienteninformation verbessert. Zudem soll es zu den wichtigsten Volkskrankheiten Behandlungsleitlinien entwickeln und eine Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln vornehmen.

Der Präsident der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe sagte in einem Interview mit dem Tagesspiegel (Ausgabe vom 17. Februar), das geplante Zentrum bedeute einen "Wechsel in die Staatsmedizin". Nicht mehr die Gremien der Selbstverwaltung sollten künftig bestimmen, was in der Medizin geschieht, sondern ein Institut solle Leitlinien festlegen. Hoppe schenkt den Erklärungen Schmidts, das Zentrum werde staatsfern und unabhängig arbeiten, keinen Glauben. Er ist der Auffassung, bislang funktioniere das bisherige System der Beratung zwischen Hausarzt, Facharzt und Patient sehr gut.

Auch der Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) nutzte vergangene Woche erneut die Gelegenheit, das Vorhaben der Ministerin zu kritisieren. VFA-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer erklärte am 14. Februar in Berlin, die so genannte vierte Hürde könnte sich als "Patientenzugangssperre" erweisen. Abseits der Kosten-Nutzen-Bewertung von neuen Arzneimitteln seien Aufbau und Aufgaben des Instituts noch nebulös. Doch auf Regulierungsinstrumente, die gezielt gegen innovative, patentgeschützte Arzneimittel vorgingen, müsse die Ministerin in jedem Fall verzichten. Das bereits jetzt vorhandene Instrumentarium (u. a. Arzneimittel-Richtlinien, Negativliste, Festbeträge, aut-idem) sei ausreichend, um Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung sicherzustellen.

Vor allem fürchtet der VFA, dass Patienten durch das neue Zentrum erst verspätet Zugriff zu Innovationen haben werden. Dies belegten Erfahrungen mit dem britischen National Institute of Clinical Excellence (NICE), so Yzer. Zum Teil hätten Patienten mit schweren Krankheiten in Groß-Britannien über ein Jahr auf Arzneimittel warten müssen, die in anderen Ländern schon längst erstattet wurden. Zudem kritisiert der Verband, dass es keine Bewertungsmaßstäbe gebe, wie hoch die Kosten im Vergleich zum Nutzen sein dürfen. Für das oft gehörte Zitat der Ministerin, ein Medikament mit 10 Prozent mehr Nutzen dürfe nicht 300 Prozent mehr kosten, fällt Yzer kein Beispiel ein. Auch Schmidt vermied bislang eine Konkretisierung ihres Exempels.

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