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Fachgespräch von DPV und SPD: Rot-Grün für Mehrbesitz: maximal fünf Apotheke

STUTTGART (diz). Nach den Vorstellungen der rot-grünen Bundesregierung soll in Deutschland zukünftig der Arzneimittelversandhandel und der Mehrbesitz von Apotheken erlaubt werden. Bei Mehrbesitz denkt die Regierung nicht an eine große Filialisierung von Apotheken, es sollen maximal fünf Apotheken pro Apotheker erlaubt sein. Diese Aussage machte die Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk in einem Fachgespräch mit der SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg und dem Deutschen Pharmazeutinnen Verband (DPV) am 8. Februar in Stuttgart.

Wenngleich bei dem Fachgespräch, das auf Anregung der DPV-Präsidentin Karin Wahl zustande kam, das Thema "Frauen und Gesundheit" im Mittelpunkt stand, ließ es sich die Parlamentarische Staatssekretärin nicht nehmen, einige allgemeine Ausführungen zum Beitragssatzsicherungsgesetz und zu den in der letzten Woche vorgestellten Eckpunkten der Gesundheitsreform zu machen.

Das Beitragssatzsicherungsgesetz sei zwar "nicht schön, aber notwendig", rechtfertigte Frau Caspers-Merk die Verabschiedung des Gesetzes, es sei als Notmaßnahme zu sehen, um noch höhere Beitragssatzsteigerungen der Krankenkassen zu verhindern. Das verabschiedete Gesetz müsse nun durch die geplante Gesundheitsreform vervollständigt werden, damit das Gesundheitswesen zukunftsfähig werde. Außerdem soll die Einnahmeseite der GKV konjunkturabhängig werden.

Die Belastungen, die die Apotheken nun aufgrund des Beitragssatzsicherungsgesetzes zu tragen haben, rechtfertigte Frau Caspers-Merk mit den Umsatzsteigerungen der letzten Jahre, die Apotheken hätten von den Preissteigerungen der Arzneimittel in den letzten Jahren profitiert. Man sehe zwar, dass es für viele Apotheken in der nächsten Zeit schwerer werde, Aufgabe der Regierung könne es jedoch nicht sein, eine Bestandsgarantie zu geben. Die Apothekenzahl in Deutschland sei nach ihrer Auffassung an Grenzen gestoßen. Ob weitere Apotheken notwendig seien oder eher weniger, regele der Markt.

Mehrbesitz von Apotheken bringt nichts

Der Apotheker müsse sich, so machte Frau Caspers-Merk mit Blick auf die Eckpunkte der Gesundheitsreform deutlich, auf ein verändertes Berufsbild einstellen. So beabsichtige die Regierung, den Versandhandel mit Arzneimitteln zuzulassen, Versandapotheken werden wohl kommen. Außerdem soll das Mehrbesitzverbot aufgehoben werden, wobei allerdings an eine Obergrenze von vier bis fünf Apotheken pro Apotheker gedacht ist. Eine Filialisierung der Apotheken befürworte man nicht.

Mit dem Mehrbesitzverbot könnten Erleichterungen für die Apotheke verbunden sein, beispielsweise sei es nicht notwendig, dass dann jede der einem Apotheker gehörenden Apotheken ein Labor besitze, ein Labor in der "Zentralapotheke" reiche vollkommen aus, so Caspers-Merk. Die Obergrenze von maximal fünf Apotheken, die ein Apotheker besitzen dürfe, sei bewusst gewählt worden, um den massiven Einstieg von Großhandlungen im Apothekenbereich zu verhindern.

Karin Wahl merkte dazu an, dass man eine Entwicklung zum Mehrbesitz sehr kritisch sehe, auch vor dem Hintergrund, dass die Regierung möglicherweise davon ausgehe, dass dies auch eine Chance für Frauen sei, "Filialleiterin" einer Apotheke werden zu können.

Wahl: "Wir warnen vor dieser Sichtweise, denn Frauen können das in aller Regel nur selten leisten, beispielsweise wegen der Erziehung der Kinder." Sie plädiere eher dafür, dass bessere Teilzeitangebote geschaffen werden oder auch andere Gesellschaftsformen wie eine GmbH oder Ähnliches für Apotheken zugelassen würden.

Trotz aller Maßnahmen, so Caspers-Merk, wolle man dennoch eine flächendeckende Struktur in der Arzneimittelversorgung beibehalten. Im Gegenzug dazu biete die Regierung den Apotheken an, die Arzneimittelpreisverordnung zu ändern, die Beratungsleistung solle honoriert werden, angedacht sei ein Honorar pro Arzneimittelabgabe.

Die Regierung befürworte, wenn die Apotheken in Richtung Hausapotheke gehen und einen Homeservice, die Lieferung von Arzneimitteln nach Hause, anböten. Caspers-Merk erwähnte in diesem Zusammenhang das Hausapothekermodell, das zur Zeit in Niedersachsen mit der Betriebskrankenkasse erprobt werde.

Frau Wahl unterstrich den Gedanken der Hausapotheke. Die Zustellung von Arzneimitteln durch die Apotheke sei besser, als wenn ein Postbote ein Päckchen von einer Versandapotheke abgebe. Man dürfe die menschliche Komponente, die bei der Betreuung von Patienten eine große Rolle spiele, nicht vernachlässigen. Die Mehrzahl der Apotheker fühlten sich schon heute als Heilberufler, die den Patienten betreuen und nicht den "schnellen Euro" machen wollten.

Auch Niedersachsens Kammerpräsidentin, Frau Magdalene Linz, verwies auf das Hausapothekermodell in ihrem Bundesland. Mittlerweile sei es zu einer Vereinbarung zwischen dem Landesapothekerverband Niedersachsen und den Betriebskrankenkassen gekommen, wonach die Krankenkassen den Apotheken das Führen eines Arzneimitteldossiers bzw. eines Medikationsprofils im Rahmen der Pharmazeutischen Betreuung als Hausapotheke mit fünf Euro vergüten.

Kassen sollen mehr experimentieren dürfen

Noch offen und dialogfähig sei man in der Frage der Zuzahlung, so Caspers-Merk. Man könne sich mittlerweile vorstellen, dass die Zuzahlung bei Arzneimitteln eine steuernde Wirkung haben soll. Die Zuzahlung könne auch unterschiedlich sein, je nachdem, ob ein Generikum oder ein Originalpräparat verordnet worden sei. Die Zuzahlung solle auf jeden Falle einen Anreiz schaffen zum vernünftigen Verhalten – "in diesen Fragen sind wir gesprächsbereit" so die Parlamentarische Staatssekretärin.

Zu den Eckpunkten der Gesundheitsreform gehöre auch, dass man die Experimentierklauseln der Kassen lockern wolle. Der Ansatz der Techniker Krankenkasse, den Versicherten einen Bonus zu gewähren, wenn sie möglichst selten einen Arzt aufsuchten, setze allerdings falsche Anreize.

Besser sei es nach ihren Vorstellungen, so Caspers-Merk, wenn Krankenkassen dann einen Bonus einräumten, wenn beispielsweise der Versicherte alle Vorsorgeuntersuchungen wahrnehme oder der Diabetiker sich beispielsweise einer Ernährungsberatung unterziehe.

Befürwortet würden auch Hausarztmodelle, bei denen der Versicherte sich bei einem Arzt einschreibe, der Arzt dann als Lotse im Gesundheitssystem fungiere. Außerdem könne der Versicherte einen Bonus erhalten, wenn er im Falle einer chronischen Erkrankung an den so genannten Chronikermodellen teilnehme.

Ein Bonus könnte auch gewährt werden, wenn Adipöse abnähmen oder Raucher an Raucherentwöhnungsprogrammen teilnähmen. Die Kassen sind ferner aufgefordert, auch die Zusammenarbeit mit privaten Krankenkassen zu verbessern. Insgesamt strebe man an, mehr Flexibilität ins System zu bringen.

Zurück zur alten Reimportregelung?

Ulla Hausmann, Vorsitzende des Arbeitskreises Sozialpolitik und Gesundheits- und Sozialpolitische Sprecherin der SPD, brachte das Thema der Reimportquote zur Sprache. Während die Pharmazeutinnen dafür plädierten, die Importquote vollkommen abzuschaffen, da Importfirmen derzeit durch eine "miserable Lieferfähigkeit" glänzten, es außerdem zu Irritationen bei den Patienten komme, und sie statt dessen für einen verstärkten Einsatz von Generika plädierten, wollte Frau Caspers-Merk von einem generellen Einsatz der Reimporte nicht abrücken.

Von einer Quote, wie sie derzeit zu erfüllen sei, halte sie allerdings nichts, stattdessen plädiere sie eher dafür, die alte Regelung wieder einzuführen, wonach ein Import erst dann eingesetzt werden müsse, wenn sein Preis mindestens 10% unter dem des Originalpräparats liege. Am besten wäre es, wenn es einen europäischen Herstellerabgabepreis gebe, der Importregelungen überflüssig mache, so die Politikerinnen und Pharmazeutinnen einstimmig.

Auch der Zwangsrabatt, der von den Großhandlungen auf die Apotheken abgewälzt wird, war Thema des Fachgesprächs. Hier stünden Gespräche mit dem Bundesverband des Pharmagroßhandels an, so Frau Caspers-Merk, man wolle erreichen, dass der Großhandel wenigstens einen Teil seines Beitrages selbst trage und nicht den gesamten Anteil von 3% an die Apotheken weitergebe.

Frau Wahl wies darauf hin, dass viele Apotheken bereits heute am Tropf des Großhandels hingen. Kürze der Großhandel den derzeit gewährten Rabatt, so könnten einige Apotheken heute nicht mehr überleben. Am besten wäre es wohl, wenn sämtliche Rabatte, sowohl Einkaufsrabatte des Großhandels als auch die Zwangsrabatte von Pharmahersteller, Großhandel und Apotheke an die Krankenkassen abgeschafft würden und insgesamt ein neues Preisbildungssystem eingeführt würde, das die logistische und die Beratungsleistung der Apotheke berücksichtige.

Wird die Gesundheit von Frauen weniger ernst genommen?

Anliegen des Deutschen Pharmazeutinnen Verbands war es auch, das Thema "Frauen und Gesundheit" mit der Parlamentarischen Staatsekretärin zu diskutieren. Denn dieses Thema sei in der Vergangenheit oft nur stiefmütterlich behandelt worden. Diagnose und Therapie orientierten sich noch viel zu häufig an der männlichen Lebenssituation und dem männlichen Gesundheitsempfinden.

Dabei hätten Untersuchungen gezeigt, dass Frauen auf psychische Krisen und schwierige Lebenssituationen unmittelbarer und häufiger mit Gesundheitsstörungen reagierten. Aber, dies räumte auch Caspers-Merk ein, die Beschwerden von Frauen würden oft weniger ernst genommen als die der Männer. Anhand von drei Beispielen ging sie auf diese Thesen ein.

Zur Linderung von Wechseljahresbeschwerden wird vielen Frauen auch heute noch eine Hormonersatztherapie verordnet, obwohl mittlerweile bekannt ist, dass die langjährige Hormoneinnahme das Brustkrebsrisiko erhöhen kann. Eine gründliche Beratung und Abwägung von Nutzen und Risiken der Behandlung sei daher notwendig. Die Apotheker könnten bei der Beratung eine wichtige Rolle spielen, wie auch eine neue Studie der deutschen Organisation "Women’s Health Coalition" zeige.

82% der Frauen zwischen 40 und 75 Jahren bezieht ihre Information zu diesem Thema durch das Fernsehen, so die Studie, an zweiter Stelle liegen Informationen vom Hausarzt mit 66%. Und ebenso viele Frauen informieren sich über Apothekenzeitschriften zu diesem Thema. Frauenärzte werden dagegen nur in 46% der Fälle zu diesem Thema befragt. Dies lasse vermuten, so Caspers-Merk, dass es immer noch eine große Hemmschwelle gebe, über Wechseljahresbeschwerden zu reden.

Ein Beispiel für die unzureichende Versorgung von Frauen seien Brustkrebserkrankungen, die zu den häufigsten Krebserkrankungen und die häufigsten Krebstodesursachen bei Frauen gehörten. Schwerpunkt der Gesundheitspolitik sei daher eine Verbesserung der Früherkennung und der Versorgung. Krankenkassen können seit Juli vergangenen Jahres strukturierte Behandlungsprogramme zertifizieren lassen.

Solche Programme sollen sicherstellen, dass in Zukunft unnötige Brustamputationen vermieden, notwendige Bestrahlungen gesichert und der psychosozialen Betreuung und Begleitung der Patientinnen ein großer Stellenwert eingeräumt wird.

Mit Unterstützung des Bundesgesundheitsministeriums wird zur Zeit ein qualitätsgesichertes Mammographie-Screeningprogramm nach europäischen Leitlinien für Frauen zwischen 50 bis 70 Jahre durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen ausgearbeitet.

Und schließlich liegt auch die Versorgung von Frauen mit Arzneimitteln im Argen. Viele Arzneimittel wirken bei Frauen anders als bei Männern, einige wirken gar nicht, andere haben stärkere Nebenwirkungen. Eine Statistik der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zeigt, dass die Nebenwirkungsrate von Arzneimitteln bei den 20- bis 39-jährigen Frauen doppelt so hoch ist wie bei gleichaltrigen Männern.

Hier komme zum Vorschein, dass geschlechtsspezifische Unterschiede durchaus eine Rolle spielen können, wie auch die Beispiele von Heuschnupfenmitteln zeigen, die vom Markt genommen werden mussten, weil sie besonders bei Frauen Herz-Rhythmus-Störungen verursachten.

Solche unterschiedlichen geschlechtsspezifischen Wirkungen von Arzneimitteln würden in der Arzneimittelforschung bislang noch zu wenig berücksichtigt. So werden Untersuchungen für Arzneimittelzulassungen heute immer noch in der Regel an überwiegend jungen gesunden Männern durchgeführt. Die Forschung begründet es damit, dass Tests bei Frauen die Gefahr der Fruchtschädigung bergen, außerdem seien Arzneimitteltests wegen der monatlichen Hormonschwankungen komplizierter, langwieriger und teurer.

Doch, so Caspers-Merk, es müsse zwar im Gesundheitswesen gespart werden, aber es dürfe nicht dort gespart werden, wo es zu Lasten der Menschen gehe.

Große Chancen für Frauen sieht Frau Caspers-Merk nach wie vor in den Gesundheitsberufen. Mit 42,7% sei der Frauenanteil bei den Apothekerinnen bereits erfreulich hoch, bei den Ärztinnen liege er immerhin bei 33,5%. Allerdings finde der große Anteil der Frauen in den Gesundheitsberufen noch keine Entsprechung in der Besetzung von hohen Ämtern in den Bundesverbänden.

Im Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung befinde sich derzeit keine einzige Frau. Für den Bereich der Apotheken sehe das Verhältnis dagegen besser aus, so Frau Wahl. Immerhin gebe es bereits Kammerpräsidentinnen und Vorsitzende von Apothekerverbänden.

Frau Caspers-Merk wünschte vor diesem Hintergrund dem Deutschen Pharmazeutinnen Verband bei seiner weiteren Arbeit und dem Einsatz für Frauen im Beruf viel Erfolg.

Nach den Vorstellungen der rot-grünen Bundesregierung soll in Deutschland zukünftig der Arzneimittelversandhandel und der Mehrbesitz von Apotheken erlaubt werden. Bei Mehrbesitz denkt die Regierung nicht an eine große Filialisierung von Apotheken, es sollen maximal fünf Apotheken pro Apotheker erlaubt sein. Diese Aussage machte die Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk in einem Fachgespräch mit der SPD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg und dem Deutschen Pharmazeutinnen Verband (DPV) am 8. Februar in Stuttgart.

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