Feuilleton

Ausstellung: Die Familie Siebold und Würzburg

Nicht nur Einzelpersonen, auch Familien können Geschichte schreiben. Die Entwicklung der Würzburger Medizinischen Fakultät an der Schwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert ist aufs engste mit der Familie Siebold verbunden, aus der neben bedeutenden Ärzten auch Naturforscher, Zoologen und Diplomaten hervorgegangen sind. Eine Sonderausstellung im Würzburger Siebold Museum, die bis zum 30. März läuft, porträtiert die Glieder der Familie, die über drei Generationen die Medizin an der Würzburger Universität entscheidend geprägt haben.

Der Chirurg Carl Caspar von Siebold

Die große Ära begann, als Carl Caspar Siebold (1736 – 1807) im Jahre 1760 als Militärwundarzt nach Würzburg kam. Zu dieser Zeit benötigte ein Wundarzt oder Feldchirurg noch keine akademische Ausbildung, verfügte aber dennoch aufgrund seiner praktischen Erfahrung über ausreichendes manuelles Geschick auf dem Gebiet der Chirurgie. Carl Caspar von Siebold vertiefte seine Kenntnisse, indem er sich über seine handwerkliche Ausbildung hinaus zu einem Medizinstudium entschloss. So bekleidete er am Würzburger Juliusspital nicht nur die Stellung eines Oberwundarztes, sondern wurde auch Professor der Anatomie und Chirurgie und hatte darüber hinaus auch die Position eines Hebammenmeisters inne.

In der Schlacht bei Würzburg konnte Carl Caspar im Jahre 1796 seine Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Während der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen französischen und kaiserlichen Verbänden galt es, etwa 600 Verwundete medizinisch zu versorgen. Für diese herausragende fachliche, aber auch organisatorische Leistung wurde Siebold fünf Jahre später in den erblichen Adelsstand erhoben.

Würzburg unter Bischof von Erthal

Das Wirken der Siebolds fällt zusammen mit der Entwicklung des Würzburger Juliusspitals, das bei seiner Gründung im Jahre 1573 in erster Linie als "Hospital für Arme" gedacht war. Unterstützt von dem Würzburger Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal gelang es Carl Caspar von Siebold, das Juliusspital zu einer modernen Klinik auszubauen.

Im anatomischen Gartenpavillon war das anatomische Institut untergebracht, wo Siebold entsprechende Unterrichtsveranstaltungen und Lehrsektionen abhielt. Als praktisch ausgebildeter Wundarzt kümmerte er sich auch um den Einkauf medizinischer Instrumente, die ebenfalls in der Ausstellung gezeigt werden.

Die zweite Generation

Während der Schlacht von Würzburg hatten Carl Caspars Söhne Johann Barthel (1774 – 1814), Johann Adam Elias (1775 – 1828) und Johann Georg (1767 – 1798) ihrem Vater bei der medizinischen Versorgung der Verwundeten assistiert und traten letztendlich auch in seine Fußstapfen: Johann Barthel Siebold wurde mit einer Dissertation über die Struktur des "Nervus facialis" promoviert.

Ein eindrucksvolles anatomisches Präparat in der Ausstellung zeigt genau den von Johann Barthel von Siebold bearbeiteten Gesichtsnerv. Johann Barthel wurde später als Oberwundarzt und Professor der Chirurgie direkter Nachfolger seines Vaters. Der jüngste Sohn Johann Adam Elias errichtete die erste Würzburger Universitäts-Geburtsklinik und wurde später in Berlin der erste Ordinarius für Geburtshilfe.

Der älteste Sohn Johann Georg von Siebold leitete bis zu seinem frühen Tod – er wurde nur 31 Jahre alt – die medizinische Klinik im Juliusspital; er ist der Vater des "Japan-Siebold" (s. u.).

Gynäkologie um 1800

Der Sohn Johann Damian (1768 – 1828) brachte es "nur" zum Amtsarzt in Worms und Darmstadt. In seiner Gattin Josepha (1771 – 1849) hatte er jedoch eine tüchtige Partnerin, die sich vor allem auf dem Gebiet der Geburtshilfe auszeichnete. Sie erhielt nicht nur eine amtliche Zulassung auf diesem Gebiet, sondern ihr wurde 1815 sogar die Ehrendoktorwürde der medizinischen Fakultät der Universität Gießen verliehen.

Ihre Tochter Charlotte (1788 – 1859) war übrigens eine der ersten promovierten Ärztinnen Deutschlands (1817) und engagierte sich vor allem auf dem Gebiet der Geburtshilfe.

Dieser Bereich wird in der Ausstellung vor allem in der Sammlung entsprechender Geburtszangen thematisiert. Darüber hinaus wird ein Einblick in die gynäkologisch relevanten Fragen des frühen 19. Jahrhunderts gegeben. So beschäftige man sich in der Wissenschaft ernsthaft mit der Frage, welche Auswirkungen die Schwangerschaft auf das Gewicht der werdenden Mutter hat. Für eine Gewichtsabnahme [!] führte man den physikalischen Auftrieb des Embryos im Fruchtwasser an.

Der "Japan-Siebold"

Aufgrund des frühen Todes seines Vaters bekam Philipp Franz von Siebold (1796 – 1866) in Gestalt des Pfarrers Dr. Franz Joseph Lotz einen Vormund, der seine wissenschaftlichen Neigungen ganz entscheidend prägte. Philipp Franz blieb zunächst im Umfeld von Würzburg, wo er sich nach erfolgreichem Abschluss des Gymnasiums im November 1815 in der medizinischen Fakultät der Universität Würzburg einschrieb.

Auch das studentische Verbindungsleben schien er in vollen Zügen genossen zu haben, wie entsprechende Sammelstücke aus dieser Zeit dokumentieren. Bemerkenswert ist unter anderem ein Brief, in dem Siebold seinem Onkel Elias schreibt, dass "er fleißig studiere und seine Professoren mit ihm zufrieden sind." Das erfolgreiche abgelegte Examen führte ihn zunächst als "Landarzt" ins nahe bei Würzburg gelegene Heidingsfeld.

Diese Tätigkeit konnte Siebold auf Dauer nicht zufrieden stellen. Er bewarb sich als Militärarzt bei der niederländischen Armee und verließ im September 1822 Europa von Rotterdam aus in Richtung Batavia (heute Jakarta) auf der Insel Java. Er sollte einen heiklen Auftrag erfüllen. Den Holländern lag daran, die Beziehungen mit Japan wieder zu vertiefen. Sie waren dort – übrigens als einzige Europäer – nur auf einer künstlich angelegten, 170 mal 70 Meter großen Insel im Hafen von Nagasaki geduldet. Und genau dort sollte Siebold etwa sechs Jahre lang wirken.

Das Japanbild in Europa wurde bis zu dieser Zeit in erster Linie von Engelbert Kaempfer geprägt, der von 1690 bis 1692 als Arzt der holländischen Handelsniederlassung in Nagasaki tätig gewesen war. Siebold erlernte dort Chinesisch und Japanisch. Er beschäftigte sich auch intensiv mit der fernöstlichen Heilkunde und machte die einheimischen Ärzte wiederum mit dem System der europäischen Medizin vertraut. In dieser Zeit entstanden auch seine Werke über die "Flora japonica" und "Fauna japonica".

Ein Höhepunkt seines Aufenthaltes war sicherlich die Reise nach Yedo (heute: Tokio). Alle vier Jahre hatten nämlich die Holländer dem Shogun ihre Aufwartung zu machen, um die Handelsverträge zu erneuern. Siebold schloss dort Freundschaft mit dem Hofastronomen Takahashi, was jedoch verhängnisvolle Konsequenzen nach sich ziehen sollte.

Denn dass Siebold seit diesem Besuch mit dem Hofastronomen korrespondierte und wissenschaftliches Material sammelte, war in den Augen der japanischen Herrscher ein Tabubruch, der streng geahndet wurde. Siebold konnte zwar wichtige Dokumente vor den japanischen Behörden verstecken, das Vertrauen der Machthaber in ihn war jedoch zerstört. Er musste am 22. Oktober 1829 Japan "auf ewig" verlassen.

Japanischer Familienzweig

Siebold hatte in dieser Zeit übrigens nicht nur wissenschaftliche, sondern auch familiäre Bande geknüpft. Aus der offiziell nicht gestatteten Verbindung mit seiner japanischen Lebensgefährtin Taki Kusumoto ging eine Tochter Ine und ein japanischer Zweig der Familiendynastie hervor. Ähnlich wie Alexander von Humboldt nutzte Siebold die Jahrzehnte nach seinem Forschungsaufenthalt zum Auswerten des wissenschaftlichen Materials. Er wohnte in den Niederlanden, schlug jedoch den Ruf auf einen Lehrstuhl an der Universität Leiden aus.

Im Alter von 49 Jahren heiratete Siebold eine um 25 Jahre jüngere Frau. Sein aus dieser Verbindung stammender Sohn Alexander begleitete ihn auf seiner zweite Japanreise, die ihn dreißig Jahre nach seiner Verbannung zu einem Wiedersehen mit seiner Tochter Ine Kusumoto führte. Diese praktizierte inzwischen – getreu den Traditionen der Familie Siebold – als erste japanische Ärztin für westliche Medizin.

Ausblick

Auch die vierte und fünfte Generation der Siebolds findet in der Ausstellung Berücksichtigung. Nicht nur Mediziner, sondern auch Zoologen, Kunstsammler und Diplomaten werden in ihrem Umfeld vorgestellt. Wer einen Einblick in eine interessante Familiendynastie gewinnen will und darüber hinaus sich noch ein Bild über die Entwicklung der Wissenschaften im 18. und 19. Jahrhundert machen will, dem sei ein Besuch im Siebold Museum empfohlen.

Kasten

Siebold Museum, Frankfurter Straße 87, 97082 Würzburg Tel. (09 31) 41 35 41, Fax 6 19 22 40 E-Mail: sieboldgesellschaft@web.de Geöffnet: Dienstag bis Sonntag von 15 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag auch 10 bis 12 Uhr. Ein Katalog erscheint in Kürze (Autor: A. Mettenleiter).

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