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Interview mit Dr. Bauer, MdB CDU: Versandhandel in jeder Form ablehnen!

(daz). Dr. Wolf Bauer (CDU), Abgeordneter des Deutschen Bundestags und von Beruf selbst Apotheker, setzt sich vehement gegen den Versandhandel mit Arzneimitteln ein, befürwortet aber sinnvolle Reformen, beispielsweise eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung. In einem Interview bringt der Abgeordnete seine Reformvorschläge auf den Punkt.

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So langsam sickern die Eckpunkte der von der Bundesregierung geplanten Gesundheitsreform durch. Was sind für Sie die wichtigsten apothekenrelevanten Punkte?

Bauer:

Es ist zur Zeit sehr schwer zu erkennen, ob die Gesundheitsministerin, das Bundeskanzleramt oder irgendwelche Kommissionen die Inhalte einer angekündigten Gesundheitsreform bestimmen. Aber einige Punkte kristallisieren sich inzwischen heraus. Für den Apothekenbereich ist offensichtlich eine so genannte Liberalisierung geplant. Es sollen Versandapotheken zugelassen werden. Auch an die Aufhebung des Mehrbesitzverbotes wird gedacht. Ferner soll die Arzneimittelpreisverordnung novelliert werden. Und es soll das Verordnen von "Scheininnovationen" eingeschränkt und die Arzneimittelausgaben mit einer Positivliste verringert werden.

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In welcher Form sollten Ihrer Meinung nach die deutschen Apotheker darauf reagieren?

Bauer:

Da bis auf eine Modifizierung der Arzneimittelpreisverordnung diese Veränderungen von existenzieller Bedeutung für die deutschen Apotheken sind, sollten die Apotheker klar und deutlich Stellung beziehen - und zwar dagegen! Vor einer Kompromissbereitschaft - auch wenn sie sich strategisch begründen lässt - warne ich.

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Was heißt das z. B. in Bezug auf Versandhandel?

Bauer:

Versandhandel ist in jeder Form abzulehnen. Die Gründe dafür sind bekannt: Der Versandhandel gefährdet nicht nur eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung mit Arzneimitteln, sondern konterkariert auch den Sicherstellungsauftrag, wie er im Apothekengesetz festgelegt ist. Arzneimittelsicherheit, Compliance und Beratung bleiben auf der Strecke.

Nahezu zwangsläufig wird das eintreten, was gemeinhin als "Rosinenpickerei" bezeichnet wird. Versandapotheken sind nur an hochpreisigen Arzneimitteln für chronisch Kranke interessiert. Niedrigpreisige Arzneimittel sind für die Versender uninteressant. Und für die Akutversorgung - meist handelt es sich dabei um eher niedrigpreisige Arzneimittel - stehen die Versandapotheken ohnehin nicht zur Verfügung.

Das ist übrigens gegenüber der Versorgung aus einer Hand (durch eine Apotheke) auch ein Verlust an Arzneimittelsicherheit, weil zum Beispiel Interaktionen zwischen Arzneimitteln für die Akutversorgung und für die Behandlung chronischer Erkrankungen nicht erkannt werden können.

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Ist das deutsche Versandhandelsverbot EU-konform?

Bauer:

Vor dem Europäischen Gerichtshof wird diese Frage zur Zeit geprüft. Interessant finde ich, dass der Vertreter der Bundesregierung, Wolf-Dieter Plessing, bei der Anhörung am 10. Dezember 2002 der Meinung der Apothekenverbände, dass das deutsche Arzneimittelrecht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, gefolgt ist. So oder so: Ein "vorauseilender Gehorsam" durch das Bundesgesundheitsministerium muss nicht sein.

Eine Aufhebung des Versandhandelsverbotes birgt ja auch die Gefahr in sich, dass es zu einer Aufhebung des Mehrbesitzverbotes kommt. Und die Aufhebung des Mehrbesitzverbotes führt nahezu zwangsläufig zur Aufhebung des Fremdbesitzverbotes.

Ich befürchte, dass dann in relativ kurzer Zeit Apothekenketten und später Apothekendiscounter entstehen. Eine solche Entwicklung stellt die qualitativ hochwertige und flächendeckende Arzneimittelversorgung durch öffentliche Apotheken in Deutschland infrage.

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Nicht nur aus Apothekerkreisen wird immer wieder gefordert, die Lieferung von Arzneimitteln bis ans Krankenbett zu ermöglichen. Wie stehen Sie dazu?

Bauer:

Einer entsprechenden Änderung des § 17 der Apothekenbetriebsordnung stehe ich positiv gegenüber. Eine Lieferung von Arzneimitteln aus einer wohnortnahen Apotheke durch einen qualifizierten Boten halte ich durchaus für sinnvoll und ziehe sie unpersönlichen Versandhandelsstrukturen vor.

Wenn es hierdurch bedingt zu einer Novellierung der Apothekenbetriebsordnung kommt, darf das auf keinen Fall zum Anlass genommen werden, das Verbot des Auseinzelns zu lockern. Das würde nicht zuletzt größte Probleme mit der Arzneimittelsicherheit und der Arzneimittelhaftung aufwerfen.

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Kann eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung dem Bestreben nach Freigabe des Versandhandels entgegenwirken?

Bauer:

Ich halte eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung für wirkungsvoll. Sie könnte z. B. derart modifiziert werden, dass im GKV-Bereich eine pauschale Abgabegebühr einerseits und eine prozentuale Preiskomponente andererseits das derzeitige System ersetzen. Für den Nicht-GKV-Bereich müsste allerdings eine andere Regelung gefunden werden, damit hier die Arzneimittel nicht zu teuer für den Patienten werden.

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Weitere Punkte, die Sie anfangs angesprochen haben, betreffen "Scheininnovationen" und die Positivliste. Wie beurteilen Sie diese Reformpunkte des Gesundheitsministeriums?

Bauer:

Durch ein neu zu schaffendes Institut soll der Einsatz von "Scheininnovationen" drastisch verringert werden. Ein solcher Vorschlag wurde bereits im Dezember 2002 von der CDU/CSU abgelehnt. Die Begründung dafür waren einerseits Abgrenzungsfragen zwischen echten Innovationen und "Scheininnovationen" und andererseits der Umstand, dass medizinischer Fortschritt nicht schnellstmöglich eingesetzt werden kann. Nach wie vor steht auch fest, dass hierdurch nur unsere Gerichtsbarkeit einen weiteren Konjunkturschub erhalten würde.

Die Positivliste ist für mich ein vollkommen überflüssiges Instrument, das vor allem nicht zu den erhofften Einsparungen bei den Arzneimittelausgaben führen wird. Bereits in den Neunzigerjahren hat Horst Seehofer eine Pressemitteilung überschrieben mit "Die Positivliste ist überflüssig und schädlich".

Ich hoffe, dass auch die jetzige Bundesregierung noch zu der Einsicht kommt, dass die negativen Auswirkungen gravierender sind als der Nutzen, der möglicherweise daraus gezogen werden könnte. Vor allem Ärzte und Patienten haben ein Recht darauf, dass ihnen alle Möglichkeiten moderner Therapien - und zwar ohne willkürliche Verzögerung - zur Verfügung gestellt werden.

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Herr Dr. Bauer, wir bedanken uns für das Gespräch!

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