Rechtsprechung 2003

C. RottaZwangsrabatte, Versandhandel, Europa & Co.

Beitragssatzsicherungsgesetz und GKV-Modernisierungsgesetz Ų selten war ein Jahr von solch grundlegenden apothekenrechtlichen und apothekenpolitischen Debatten geprägt wie 2003. Gleich mehrfach meldeten sich auch das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof zu Wort. Dabei sorgte nicht nur der Dauerbrenner Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln weiterhin für Aufregung und Aufmerksamkeit, sondern auch so manche andere Gerichtsentscheidung. Erinnern Sie sich noch?

  • Nicht alle "Internationalen Apotheken" sind unlauter. Die Ludwigs-Apotheke in München darf sich weiterhin "Internationale Apotheke" bezeichnen. Auch in zweiter Instanz scheiterte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs mit ihrer Unterlassungsklage.

    Wie das Oberlandesgerifcht München in seinem Beschluss in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Entscheidung feststellt, gibt es keine gesetzliche Grundlage dafür, einer Apotheke schlechthin die Bezeichnung "Internationale Apotheke" zu verbieten. (AZ 1 – 3/8)

  • Eilanträge gegen Zwangsrabatte abgelehnt. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Eilanträge von vier Apothekern und dem Pharma-Großhandelsunternehmen GEHE auf Erlass einstweiliger Anordnungen gegen das Inkrafttreten des Beitragssatzsicherungsgesetzes abgelehnt. Auch ein Antrag der Zahntechniker, der sich gegen die Absenkung der Höchstpreise für abrechnungsfähige zahntechnische Leistungen um 5% wandte, hatte keinen Erfolg. (AZ 5/1)

  • Pflichtangaben bei Online-Werbung. Bei einer Werbung für Arzneimittel im Internet genügt die Erreichbarkeit der Pflichtangaben durch einen Link den Anforderungen des Heilmittelwerbegesetzes jedenfalls dann nicht, wenn für den Werbeadressaten mehrere Schritte erforderlich sind, um zu den Pflichtangaben zu gelangen. Dies haben die Oberlandesgerichte München und Hamburg in zwei Entscheidungen festgestellt. (AZ 6/5)

  • Landessozialgericht: Versandhandelsverbot ist (bis 31. Dezember 2003) geltendes Recht. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen entschied Ende Januar, dass ein Bescheid des Bundesversicherungsamtes, mit dem einer Betriebskrankenkasse untersagt wurde, für den Arzneimittelversand zu werben und im Wege des Versandes bezogene Medikamente zu erstatten, nicht zu beanstanden ist. (AZ 7/8)

  • Karlsruhe bestätigt Ausschlussregel. Besser verdienende Ehepaare können auch künftig ihre Kinder nicht beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenkasse mitversichern lassen, wenn ein Elternteil privat versichert ist. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte die bestehende Regelung im Fünften Teil des Sozialgesetzbuchs als verfassungsgemäß. Die Bestimmung verstoße nicht gegen den grundgesetzlich verbürgten Schutz der Ehe und den Gleichheitssatz. (AZ 8/8)

  • Bundesverfassungsgericht lockert Versandhandelsverbot. Das gesetzliche Verbot, Impfstoffe an Ärzte zu versenden und hierfür zu werben, verletzt nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts die Apotheker in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und ist deshalb verfassungswidrig. Der seit 1994 verbotene Versandhandel mit Impfstoffen wurde damit gegenüber Ärzten wieder erlaubt. (AZ 10/1)

  • Keine Privilegierung von Zweigapotheken. Auch Zweigapotheken unterliegen der Pflicht zur ständigen Dienstbereitschaft und können daher in einen normalen Notdienstturnus eingegliedert werden. Bei der Befreiung von der Dienstbereitschaft gelten für Zweigapotheken keine anderen Vorschriften als für Vollapotheken.

    Der Erholungsurlaub eines Apothekenverwalters außerhalb von Betriebsferien rechtfertigt deshalb eine Dienstbefreiung nach § 23 Abs. 2 Apothekenbetriebsordnung regelmäßig nicht. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einem unanfechtbaren Beschluss festgestellt. (DAZ 17/2068)

  • Kündigung auch ohne Grund. Wird eine neu eingestellte Arbeitnehmerin von ihren Kollegen gemobbt, so kann sie dennoch nicht gegen eine in der Probezeit ausgesprochene Kündigung angehen, da es bei einer Kündigung während der Probezeit generell keines Grundes bedarf. Dies gilt nach einer Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts auch dann, wenn der Arbeitgeber in Mobbing-Fällen seine Fürsorgepflicht verletzt hat. (AZ 26/5)

  • Keine Abgabe von Diabetes-Teststreifen durch Ärzte. Ärzte dürfen Heil- und Hilfsmittel nur dann an ihre Patienten abgeben, wenn die ärztliche Therapie erfordert, dass das Produkt dem Patienten nur durch den Arzt selbst und nicht durch einen Dritten verabreicht wird.

    Die Abgabe von Diabetes-Teststreifen ist in diesem Sinne kein notwendiger Bestandteil der Therapie. Allein der Vorteil, dass der Arzt die Teststreifen günstiger besorgen kann, macht nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Köln die Abgabe des Mittels an den Patienten durch ihn noch nicht notwendig. (DAZ 33/4184)

  • Meinungsfreiheit geht vor. Privatleuten kann eine Präsentation von zur Krebsbehandlung bestimmten Arzneimitteln im Internet nicht untersagt werden, wenn sie damit keine wirtschaftlichen Interessen verfolgen. Die Anpreisung solcher Produkte ist durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt.

    Es liegt kein Wettbewerbshandeln zum Nachteil eines anderen vor, wenn das angepriesene Arzneimittel zusätzlich zu der ärztlich verordneten Medikation (Chemotherapie) verabreicht wird, weil es dann an einer Benachteiligung potenzieller Wettbewerber fehlt. Dies hat das Oberlandesgericht Köln in einer rechtskräftigen Entscheidung festgestellt. (DAZ 41/5261)

  • Arzneimittel erst nach Zweckbestimmung. Aus China importierte unbehandelte oder grob vorbehandelte getrocknete Pflanzenteile, die in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) zu Heilzwecken verwendet werden, stellen als solche keine Arzneimittel im Sinne des § 2 Arzneimittelgesetz dar.

    Diese Zweckbestimmung erhalten sie nach einer Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts erst dann, wenn mehrere unterschiedliche Pflanzenteile in der Apotheke aufgrund ärztlicher Verordnung gezielt zusammengestellt und vermischt werden. (DAZ 43/5496)

  • Auch einmal Ecstasy kann Folgen haben. Straßenverkehrsbehörden sind berechtigt, Autofahrern schon nach einmaligem Konsum von Ecstasy die Fahrerlaubnis zu entziehen, weil sie als "ungenügend zum Führen von Kraftfahrzeugen" anzusehen sind.

    Das Verwaltungsgericht Stuttgart befürchtet nach der Einnahme von Ecstasy eine riskante Fahrweise, ein verändertes Blendempfinden der Augen sowie "massive Ermüdungs- und Erschöpfungszustände, Depressionen und Müdigkeitsphasen". (AZ 44/6)

  • ABDA schließt Vergleich mit Frensemeyer. Vor dem Landgericht Baden-Baden hat die ABDA in Sachen aponet.de mit dem Aachener Apotheker Dietmar Frensemeyer einen Vergleich geschlossen. Danach war es der ABDA bis 31. Dezember 2003 verboten, für ihren "aponet-Homeservice" und die Arzneimittelzustellung aus der Apotheke zu werben.

    Die bloße Bestellmöglichkeit ("Funktionalität") durfte bestehen bleiben. Mit dem Vergleich waren auch die massenhaften Abmahnungen gegenüber ca. 4000 aponet-Apothekern hinfällig. (AZ 45/1)

  • Drei Abmahnungen genügen. Hat ein Arbeitnehmer für drei erhebliche Verspätungen drei Abmahnungen erhalten und kommt er ein viertes Mal zu spät (hier: weil eines von drei Kindern in der Nacht krank geworden war und er verschlafen hatte), so kann ihm nach einer Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts fristlos gekündigt werden – auch wenn er zehn Jahre in dem Betrieb tätig ist. Der Arbeitgeber muss mit Pünktlichkeit planen dürfen. (AZ 49/2)

  • Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln darf verboten werden. In seiner mit Spannung erwarteten Vorlageentscheidung in Sachen Deutscher Apothekerverband (DAV) gegen DocMorris hat der Europäische Gerichtshof Mitte Dezember entschieden, dass nationale (grenzüberschreitende) Versandhandels- und Werbeverbote für verschreibungspflichtige Arzneimittel mit geltendem Europarecht in Einklang stehen.

    Zulässig sind auch Versandverbote für Medikamente, die in Deutschland nicht zugelassen sind. Absolute Verbote verstoßen jedoch dann gegen Europarecht, wenn sie sich auf nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel beziehen, die in Deutschland zugelassen sind. An der Einführung des Versandhandels zum 1. Januar 2004 in Deutschland, der auch für verschreibungspflichtige Arzneimittel gilt, hält der deutsche Gesetzgeber gleichwohl fest. (AZ 51-52/1)

  • Für "Botox" darf nicht geworben werden. Ein Hautarzt darf auf seiner Homepage nicht für eine Hautverjüngungsmethode werben, wenn er dabei auch auf das verschreibungspflichtige Arzneimittel "Botox" hinweist. Eine solche Werbung ist außerhalb der Fachkreise verboten. Dem Einwand des Mediziners, "Botox" habe auch außerhalb der Fachkreise inzwischen eine ähnliche Bekanntheit wie "Aspirin", vermochte das Saarländische Oberlandesgericht keine Bedeutung beizumessen. (AZ 51-52/2).

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