Berichte

Aufgaben der modernen Krankenhausapotheke

Aus Anlass des 50-jährigen Bestehens der Universitätsapotheke Greifswald fand am 29. November 2003 im Institut für Pharmakologie ein Symposium zu Aspekten der modernen Krankenhausapotheke statt. Es ging vor allem um die Arzneimittelsicherheit, um die Arzneimittelauswahl nach pharmakoökonomischen Gesichtspunkten und um die Optimierung der Logistik.

Grußworte sprachen der Direktor der Universitätsapotheke Dr. Dr. Georg Engel, der Kanzler der Universität Carl Heinz Jacob, der Prorektor Prof. Dr. Otto-Andreas Festge und PhR Dieter Trekel, Direktor der Zentralapotheke der Universität Rostock.

Rückblick auf die Geschichte

Prof. Dr. Christoph Friedrich, Direktor des Instituts für Geschichte der Pharmazie der Universität Marburg, stellte die Geschichte der Universitätsapotheke dar. Schon 1866 hatte der Apothekers Wilhelm aus Gützkow vergeblich versucht, eine Apotheke zur Versorgung der Universitätskliniken in Greifswald zu gründen.

Es sollten noch 87 Jahre vergehen, bis die Universität auf Anregung von Professor Valentin der Einrichtung einer eigenen Krankenhausapotheke zustimmte. Am 15. Juni 1953 wurde die Universitätsapotheke in den Räumen der vor 450 Jahren gebauten Alten Apotheke in der Baderstraße gegründet. Ihr erster Leiter war Hans-Joachim Seidlein.

Am 1. Mai 1961 wurde die Universitätsapotheke in den heutigen Räumen feierlich eröffnet. Sie war zugleich Krankenhausapotheke und öffentliche Apotheke; letztere wurde erst zum 1. 1. 1992 mit der Gründung der Scheele-Apotheke abgetrennt.

Seit den ersten Tagen bemühte sich die Universitätsapotheke Greifswald um die Verbindung von Praxis, Forschung und Ausbildung. Dies führte letztlich zur Entwicklung des Faches Sozialpharmazie, als deren Begründer in der DDR man Seidlein betrachten kann.

Seidlein wurde unter Valentin promoviert, habilitierte sich an der Philosophischen Fakultät und wurde auf den Lehrstuhl "Organisation und Ökonomie des Arzneimittelwesens" berufen. 1988 trat er in den Ruhestand.

Nach der Wende wechselten die Leiter der Universitätsapotheke aus unterschiedlichen, z. T. tragischen Gründen häufig. Lange Zeit wurde sie kommissarisch geleitet, bis 1999 Dr. Dr. Georg Engel ihre Leitung übernahm. Heute versorgt sie das Universitätsklinikum Greifswald und das benachbarte Neurologische Rehabilitationszentrum Greifswald.

Nicht jede Innovation ist ein Fortschritt

Über die Bewertung von Arzneimitteln als soziale und ethische Aufgabe von Apotheke und Arzneimittelkommission referierte Prof. Dr. Walter Thimme, Berlin, Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und Herausgeber des Arzneimittelbriefs.

Bei neuen Arzneimitteln sei zwischen Innovation und Fortschritt zu unterscheiden. Unter Berufung auf den Arzneiverordnungs-Report 2002 stellte er dar, dass die umsatzstarken Neueinführungen Aerius®, Xusal® und Starlix® der vergangenen Jahre zwar Innovationen waren, aber keinen bedeutenden Fortschritt für die Arzneimitteltherapie darstellten.

Ergebnisse klinischer Studien mit "innovativen" Arzneimitteln seien mit Skepsis zu betrachten, da ungünstige Ergebnisse klinischer Studien häufig nicht veröffentlicht werden. Die Anforderungen, die an die Durchführung klinischer Studien zu stellen sind, finden sich z. B. auf der Website www.consort-statement. org.

Unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen (UAW) seien "Waisenkinder" der medizinischen Forschung, sie seien eine "heimatlose Epidemie", die sich schleichend ausbreitet, da sie in der Regel erst nach der Zulassung in der breiten Anwendung erkannt werden. Die Krankenhausapotheke sei in einem Krankenhaus als einzige Abteilung in der Lage, die Erkennung und Meldung von UAW zu organisieren.

In einem modernen Einkaufsmanagement spielt das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Arzneimitteln eine wesentliche Rolle, berichtete Dr. Jörg Brüggmann, Chefapotheker der Apotheke des Unfallkrankenhauses Berlin.

Dabei werden nicht nur die Mehrkosten einer vermeintlich fortschrittlicheren Therapie im Hinblick auf die tatsächlich vorhandenen Belege aus klinischen Studien betrachtet, sondern es wird auch die Kenntnis des Arzneimittelmarktes genutzt, um Einkaufspotentiale durch Koordinierung des Bedarfs, Straffung und Standardisierung des Sortiments zu mobilisieren.

Wirtschaftliches Handeln ist auch im Hinblick auf die neuen Entgeltsysteme wie die Einführung von DRGs und die Teilnahme an Disease-Management-Programmen erforderlich.

Vermeidbare Fehler bei der Arzneimitteltherapie

Thomas Müller, Chefapotheker der Apotheke des Dietrich-Bonhoeffer-Klinikums Neubrandenburg, berichtete über Medikationsfehler in der Praxis. Neben der UAW; die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch eintritt, steht das unerwünschte Arzneimittelereignis (UAE) in einem umfassenderen Sinn.

Davon zu unterscheiden ist der Medikationsfehler, der jede falsche Anwendung eines Arzneimittels durch den Patienten, das Pflegepersonal oder den Heilberufler umfasst und im Prinzip vermeidbar ist.

Durch UAE und Medikationsfehler werden in Deutschland selbst nach konservativen Schätzungen mehr Menschen geschädigt als im Straßenverkehr. 13% der ambulanten Patienten leiden unter UAE, 0,95% der stationären Patienten sterben an ihnen. Bei 1% der Zubereitungen von parenteralen Arzneimitteln treten Fehler mit potenziell ernsthaften Folgen auf.

Häufige Ursachen von Medikationsfehlern sind Probleme bei der Übergabe des Patienten, mangelnde Einarbeitung des Personals, telefonische, mündliche oder handschriftliche Therapieanweisungen, neue Therapien oder Dosierungen und nicht eindeutige Studienprotokolle. Fehlerquellen können nur durch eine entsprechende "Fehlerkultur" erkannt und beseitigt werden. Dazu ist ein offenes, vertrauensvolles Klima erforderlich.

Der Vermeidung von Fehlern dienen standardisierte, gut dokumentierte Prozesse, eine einheitliche Nomenklatur und die Zentralisierung von Herstellungsprozessen in einem Klinikum.

In Zukunft werden EDV-gestützte Bestellsysteme mit Abgleich von Labordaten, die zentrale Zubereitung von parenteralen Arzneimitteln, die Unit-dose-Belieferung von Station und nicht-punitive Fehlermeldesysteme eine Rolle spielen. Zur Vermeidung von Fehlern trägt auch der informierte, mündige Patient bei, der z. B. fragt, warum er eine Spritze bekommen soll, die sein Arzt nicht erwähnt hat.

Logistik von Medizinprodukten

Über Medizinprodukte, die in der Diagnostik und im OP durch pflegerisches sowie ärztliches Personal eingesetzt werden, referierte Apothekerin Dr. Dorothee Hausmann, Zentralapotheke der Universität Rostock. Im Hinblick auf Austauschbarkeit und Verfügbarkeit können sie in drei Kategorien eingeteilt werden.

  • Kategorie III zeichnet sich durch hohe Standardisierung, Ähnlichkeit und damit gute Austauschbarkeit aus. Typische Produkte sind Spritzen, Kanülen und Spikes.
  • In Kategorie II sind Artikel, bei denen die Qualität eine Rolle für die einfache Handhabung spielt. Sie sind nach Bemusterung und Rücksprache mit Arzt oder Pflegedienst austauschbar.
  • Zur Kategorie I gehören z. B. Herzschrittmacher und Implantate: Für ihre Nutzung ist die persönliche Erfahrung des Anwenders und die handwerkliche Eignung des Produktes entscheidend.

Bei der Einkaufsentscheidung sind neben Qualität und Preis auch Verfügbarkeit, Eignung und Präferenzen der Anwender zu beurteilen. Außerdem sind Lieferzeit, Liefermengen und kundenspezifische Wünsche, wie der Bezug individueller Sets, zu beachten. Die Lagerkapazität bestimmt häufig den Umfang des Einkaufs. Vor Ort kommt die Lagerung im Rahmen der Modulversorgung oder in Konsignationslagern in Frage.

Wertschöpfung in der Krankenhausapotheke

Dr. Lothar Bornmann, Chefapotheker der Apotheke des Klinikums Oldenburg, legte am Beispiel der neu errichteten Apotheke des Klinikums Oldenburg dar, dass die Mehrkosten für eine GMP-gerechte Herstellungsabteilung einschließlich Sterilabteilung bei sorgfältiger Planung in einem akzeptablen Rahmen bleiben können.

Diese Kosten amortisieren sich in relativ kurzer Zeit, wenn sich die Herstellung auf teure Arzneimittel konzentriert, die nicht mehr patentgeschützt sind, aber noch nicht als Generikum verfügbar sind. Bei diesen bestehen zwischen den Herstellungskosten in der Krankenhausapotheke und den verlangten Einkaufspreisen in der Regel große Unterschiede. Als Beispiele nannte er Infusionslösungen von Pamidronat, Paclitaxel und Fluconazol.

"Die Krankenhausapotheke ist mehr wert, als sie kostet" resümierte Ltd. Pharmaziedirektor Rudolf Bernard, Apotheke des Klinikums rechts der Isar, München. Der Nutzen besteht zunächst einmal in einer in Geld kaum messbaren Steigerung der Qualität der Arzneimitteltherapie. Zum anderen kann ein echter monetärer Beitrag zum Betriebsergebnis erzielt werden. Dieser besteht aus direkten Einnahmen, ersparten Kosten und internen Leistungen.

Zur Wertschöpfung in der Krankenhausapotheke tragen alle Bereiche der Apotheke bei: Pharmazeutische Logistik, Zytostatikazubereitung, Herstellung, Analytik, pharmakoökonomische Beratung, Studienbetreuung, Verkauf an Mitarbeiter, Versorgung Externer und Ambulanzversorgung.

In der Krankenhausapotheke vor Ort sind Arzneimittel lückenlos verfügbar. Bestellfehler werden bemerkt und können unmittelbar korrigiert werden. Die Einhaltung der krankenhauseigenen Arzneimittelliste gewährleistet eine wirtschaftliche Therapie, die durch eine unabhängige Beratung weiter verbessert wird. Ein geschicktes Vertragsmanagement und das Erzielen von Boni unterschiedlicher Art können erheblich zu einem monetären Mehrwert beitragen.

In der Versorgung von Patienten, die in der Ambulanz im Krankenhaus behandelt werden, und in der Lieferung von Zytostatikazubereitungen an öffentliche Apotheken liegen weitere Chancen für die Krankenhausapotheke.

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