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DAZ-Interview: Scheifele: Mit Phoenix gibt es kein Preisdumping!

MANNHEIM (diz). Die Beziehung zwischen der Apotheke und ihrem Großhändler wird ab Januar 2004 - mit Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) - neu geordnet werden: So gut wie keine Rabatte mehr, dafür mehr Unterstützung in Sachen Marketing. Um zu erfahren, wie auch die übrigen Neuerungen des GMG von Großhandelsseite gesehen werden, sprachen wir mit Dr. Bernd Scheifele, Vorstandsvorsitzender des Pharmagroßhändlers Phoenix Pharmahandel AG & Co. KG, Mannheim. Das Gespräch nutzten wir auch für Fragen, die sich mit der Großhandelslandschaft in Deutschland und mit der Strategie des größten Großhändlers befassen.

Ein großes Thema derzeit: das GMG und seine Auswirkungen auf die Apotheken. Eine Veränderung, die gravierende Auswirkungen auf die Apotheken hat, ist die Halbierung der Großhandelsmarge mit der Folge, dass der Großhandel massive Rabattkürzungen für die Apotheken vornehmen musste bzw. keinen Rabatt mehr gewährt. Welche Reaktionen sehen Sie bei Ihren Kunden?

Scheifele:

Ein Großteil der Apotheker hat für die Notwendigkeit der Konditionsänderungen zum Jahresbeginn Verständnis, weil sie sehen, dass es betriebswirtschaftlich für den Großhandel keine anderen Möglichkeiten gibt. Andererseits ist bei den Apothekern eine deutliche Besorgnis festzustellen, wie es für sie in 2004 aussehen wird.

Es gibt da Befürchtungen und Unsicherheiten. Auch für uns ist die Lage schwer einzuschätzen, weil es nicht vorhersehbar ist, wie sich der Markt, das OTC-Geschäft, der Versandhandel oder das Direktgeschäft entwickeln.

Gibt es Alternativen zum Rabatt? Was bieten Sie als Großhändler Ihren Kunden statt dessen? Wie unterstützen Sie Ihre Kunden?

Scheifele:

Das bisherige Kundenbindungsinstrument Rabatt fällt jetzt weitestgehend weg und verliert hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Bedeutung dramatisch. Es muss jetzt durch andere Maßnahmen ersetzt werden.

Ich glaube, dass Phoenix auf dem Markt hier eine Vorreiterrolle übernommen hat: wir kooperieren seit mehreren Jahren sehr eng mit dem MVDA im Bereich Marketing, Apothekenmanagement und haben gemeinsam Konzepte entwickelt, die über das Thema Einkauf hinausgehen. Unsere Einschätzung des Marktes wird jetzt dadurch bestätigt, dass unsere Wettbewerber versuchen, mit mehr oder weniger guten Kopien diesen Schritt nachzuvollziehen.

Im Rahmen dieser Kooperationen bietet man einerseits günstige Einkaufsmöglichkeiten in den Bereichen OTC, Frei- und Sichtwahl, also alles, was nicht dem GKV-Sortiment zuzurechnen ist. Außerdem versucht man, Themen wie Management und Apothekenführung abzudecken. Dies geschieht durch Standortanalysen, Standortberatung, Verkaufsschulung oder Hilfe bei der Apothekenorganisation, was vor allem Unterstützung für das Team mit einschließt.

Hat das ein Großhändler nicht auch bisher seinem Kunden angeboten?

Scheifele:

Angebote dieser Art gibt es schon seit geraumer Zeit. Jetzt aber wird das Thema "Management in der Apotheke" immer stärker an Bedeutung gewinnen, weil der Druck auf die Apotheken insgesamt zunimmt.

Das führt uns zum Thema Kooperationen. Phoenix arbeitet mit dem MVDA zusammen, der die Dachmarke Linda kreiert hat, und mehr als Einkaufsvorteile bieten will. Die Verbände warnen ihre Mitglieder vor den Kooperationen, da der Apotheker zuviel von seiner Selbstständigkeit aufgibt. Können Sie die Argumentation der Verbände verstehen?

Scheifele:

Die Position der Apothekerverbände, mit denen wir natürlich ebenfalls im Gespräch sind, kann ich verstehen. Aber ich möchte auch darauf hinweisen, dass es sich beim MVDA um eine Selbstorganisation der Apotheker handelt. Das ist kein Großhandelskonzept, keine Konzeption, die den Apotheken aufgepfropft wird. Dadurch unterscheiden wir uns entscheidend von anderen.

Wir führen auch keine GmbH, an der der Großhandel beteiligt ist, und irgendwelche Einlagen bezahlt werden müssen. Der MVDA organisiert sich selbst. Ich beobachte, dass die Apotheker ein hohes Bedürfnis nach solchen Kooperationen haben - dafür sollte man aber nicht den Großhandel kritisieren. Das ist ein Megatrend im deutschen Markt, der sich im Übrigen in anderen europäischen Märkten schon viel früher zeigte.

In der Schweiz sind solche Gruppierungen viel weiter als in Deutschland, auch in Frankreich und in England. Wenn die Bedürfnisse aus dem Markt heraus entstehen, dann kann man sich nicht gegen den Markt stellen. Dass ein Verband versucht, gegen Markttrends zu agieren ist nachvollziehbar.

Aber als Unternehmen sich gegen den Markttrend stellen zu wollen - das wäre völlig unverständlich. Wir müssen uns dem Marktbedürfnis stellen, ob man das persönlich mag oder für falsch hält, ist eine andere Frage. Auch Phoenix kann an den Realitäten im Markt nicht vorbeigehen.

Zum Versandhandel: Sehen Sie eine Gefahr für die Apothekenlandschaft? Wird der Versandhandel in Deutschland überhaupt Fuß fassen?

Scheifele:

Den Versandhandel sehen wir aus zwei Gründen sehr skeptisch. Erstens: Die wirtschaftliche Attraktivität ist durch die Halbierung der Großhandelsspanne dramatisch gesunken. Bisher profitierte der Versandhandel vor allem von den hochpreisigen Produkten - mit der neuen Spannenverordnung hat sich das geändert.

Zweitens: Die Anforderungen, die der Gesetzgeber an den Versandhandel in Deutschland stellt, sind aus meiner Sicht prohibitiv. Sie erlauben keine industrielle Abwicklung des Versandhandels.

Versandhandel kann nach meiner Überzeugung nur dann ökonomisch erfolgreich sein, wenn es gelingt, eine kritische Marktgröße zu erreichen, die dann den riesigen Logistikapparat, der dahinter stecken muss, rentabel macht. Das können beispielsweise Versandhandelsunternehmen in den USA. In Deutschland nur aus einer Offizin heraus zu versenden, ist zu teuer.

Versandhandelsunternehmen in den USA, die schwarze Zahlen schreiben, sind professionelle Pharmagroßhandlungen mit Automaten. Das können Sie mit Päckchenpacken in der Apotheke nicht vergleichen. Das wird nicht funktionieren.

Auch Häuser wie Quelle, Kaufhof oder Deutsche Post, die ursprünglich in den Versandhandel einsteigen wollten, bemerken jetzt, dass eine deutsche Offizin mit den Qualitätsanforderungen des Arzneimittelversands kein Geschäftsfeld für sie ist. Insofern sehe ich das sehr gelassen.

Wir werden auch, was die Belieferung von Versandhändlern betrifft, sehr restriktiv verfahren, denn wir gehen davon aus, dass diejenigen, die Versandhandel in Deutschland industriell betreiben wollen, am Anfang eine lange Durstphase und einen negativen Cashflow haben werden - da stellt sich die Frage, wer die Verluste finanziert. Die Phoenix wird es nicht sein.

Versandhandel gibt es aber auch vom Ausland nach Deutschland - ist eine Belieferung von DocMorris für Sie vorstellbar?

Scheifele:

Dieses Problem, ob der Versand vom Ausland nach Deutschland rechtens ist, wird juristisch ausgetragen werden. Der Bundesverband der Pharmagroßhändler - Phagro wird dagegen vorgehen. Der Vertrag, den die Gmünder Ersatzkasse mit DocMorris geschlossen hat, wird juristisch angegangen. Wir glauben, dass es nicht möglich sein kann, vom Ausland aus die deutschen Anforderungen zu umgehen.

Wenn es zulässig wäre, wäre es natürlich ein Geschäftsfeld für den deutschen Großhandel über die Grenze zu liefern.

Scheifele:

Das sind theoretische Fragen, die diskutieren wir dann, wenn sie da sind.

Mehrbesitz - wird diese neue Möglichkeit genutzt werden oder werden nur vereinzelt Filialapotheken gegründet?

Scheifele:

Wir sehen heute am Markt ganz wenig Bewegung in diese Richtung. Die Restriktionen sind schwierig, die Banken finanzieren nicht, der Großhandel darf nicht finanzieren. Ich weise noch einmal darauf hin: die Apotheker, die den Großhandel bedrängen, die Finanzierung auch verdeckt vorzunehmen, verstoßen gegen das Kreditwesengesetz.

Das ist ein Straftatbestand. Der Großhandel darf und wird nicht finanzieren, so auch die Phoenix. Schon allein aus Finanzierungsgründen wird der großflächige Mehrbesitz nicht kommen. Auf die Bereitschaft der Banken, da Kredite zu gewähren, kann man nur mit großer Skepsis blicken.

Die Freigabe der OTC-Preise bereitet berufspolitisch Sorge. Befürchtet werden Preiskriege, Preisdumping und Rabattschlachten. Wollen und können Sie dagegen steuern?

Scheifele:

Wir positionieren uns hier klar dagegen: mit Phoenix gibt es kein Preisdumping. Bereits beim MVDA existieren deutliche Vorgaben im Vertrag, die den OTC-Preiskrieg verhindern sollen.

Der Wille ist da, die Frage ist nur, ob sich nicht doch eine genügend große Anzahl "preisverrückter" Apotheker finden wird, die versuchen mit Hilfe der Bild-Zeitung auf sich aufmerksam zu machen, und zwar nicht erst ab Januar, sondern schon jetzt.

In diesen Fällen sind Großhandel und Industrie in gleichem Maße gefordert, mäßigend einzugreifen und gegenzusteuern. Die Industrie hat angekündigt, dass sie auf keinen Fall Rabatte gibt, wenn sie Preisdumping feststellt.

Werfen wir einen Blick auf die Großhandelslandschaft. Es gibt Spekulationen, dass in absehbarer Zeit Bewegung festzustellen sein wird, vor allem im Bereich der genossenschaftlich organisierten Großhandlungen. Erwarten Sie hier Veränderungen?

Scheifele:

Ein Dreh- und Angelpunkt wird sicherlich der Ausgang des Kartellverfahrens in Sachen Sanacorp sein, was wohl in 2004 entschieden wird. Den Ausgang kann man als offen bezeichnen. Bevor diese Entscheidung gefallen ist, bewegt sich bestimmt wenig, nach dieser Entscheidung wird es sicherlich interessant.

Alle Unternehmen werden nachdenken und dann würde ich sagen, schau'n mer mal. Das Thema ist auch im Zusammenhang mit Alliance Unichem zu sehen, die sich jetzt als genossenschaftlich geprägter Großhandel darstellt. Ob dies zutrifft, müssen die Beteiligten für sich beurteilen.

Bei den Privaten glaube ich, dass diese im Wesentlichen abwarten werden, wie sich das Jahr 2004 nach dem Katastrophenjahr 2003 entwickelt. Wenn sich die Ertragslage im Großhandel 2004 verbessert und stabilisiert, werden die Privaten wieder business as usual betreiben.

Wenn der Großhandel weiterhin so hart um sein Ergebnis kämpfen muss, dann glaube ich, dass es auf der privaten Seite noch im 2. Halbjahr des nächsten Jahres zu Veränderungen kommen wird.

Wie geht es Phoenix? Wie laufen die Inlands- und Auslandsgeschäfte? Und wie sehen Sie die Osterweiterung?

Scheifele:

Wir haben im Inland wie alle Großhandlungen einen massiven Ergebnisverfall gehabt. Unsere Engagements im Ausland haben sich dagegen gut entwickelt. Die haben auf der Ergebnisseite eine erhebliche Kompensationswirkung. Insofern zeigt sich, dass unsere Strategie der geographischen Diversifikation in jedem Fall richtig war.

Werden Sie 2004 im Ausland expandieren?

Scheifele:

Wir haben in diesen Tagen die Verhandlungen über die Mehrheitsbeteiligung am slowakischen Marktführer Fides abgeschlossen. Damit ist Phoenix neben Ungarn und Tschechien auch in der Slowakei klarer Marktführer.

Auch Phoenix hatte unlängst Besuch vom Kartellamt. Könnte da noch etwas auf Ihr Unternehmen zukommen?

Scheifele:

Dass das Kartellamt einem Anfangsverdacht, es seien Rabattabsprachen zwischen Großhändlern erfolgt, nachgeht, ist Kern seiner Existenz. Wir sind fest überzeugt, dass an der Sache nichts, aber auch gar nichts, dran ist. Und wir können dies auch sehr gut belegen: wir haben in diesem Jahr einen Anstieg der Vergütungen der Apotheken, wie in den letzen zehn Jahren im Pharmagroßhandel nicht.

Zu vermuten, der Großhandel hätte vor diesem Hintergrund Absprachen getroffen, ist allein von den Fakten am Markt schwierig zu begreifen. Ich gehe davon aus, dass das Kartellamt da auch einer bewusst lancierten Anzeige nachgegangen ist. Ich glaube nicht, dass noch vor Weihnachten dazu Stellung genommen wird.

Herr Dr. Scheifele, vielen Dank für das Gespräch.

Die Beziehung zwischen der Apotheke und ihrem Großhändler wird ab Januar 2004 – mit Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) – neu geordnet werden: So gut wie keine Rabatte mehr, dafür mehr Unterstützung in Sachen Marketing. Um zu erfahren, wie auch die übrigen Neuerungen des GMG von Großhandelsseite gesehen werden, sprachen wir mit Dr. Bernd Scheifele, Vorstandsvorsitzender des Pharmagroßhändlers Phoenix Pharmahandel AG & Co. KG, Mannheim. Das Gespräch nutzten wir auch für Fragen, die sich mit der Großhandelslandschaft in Deutschland und mit der Strategie des größten Großhändlers befassen.

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