Arzneistoffporträt

K.-U. PetersenIn-vitro-Freisetzung von Protonenpumpe

Säurehemmung mit Protonenpumpenhemmern ist dosisabhängig. Dies lässt befürchten, dass unzureichende Wirkstoffabgabe bzw. ein zu geringer Wirkstoffgehalt die Therapieziele einer Säurehemmung gefährden. Dies war das Fazit im Mai 1999 vorgenommener In-vitro-Messungen an Omeprazol-Generika [1], die eine unzureichende Wirkstofffreisetzung aus den untersuchten Präparaten ergeben hatten. Zugleich fanden sich z. T. erhebliche Differenzen in der Freisetzung, innerhalb derselben Chargen wie auch zwischen verschiedenen Chargen. Hieran könnten Lagerungseffekte beteiligt sein oder auch eine problematische Produktqualität. Aus diesem Grunde wurden Kapseln des besonders negativ beurteilten Präparats Omep® nach 1 Jahr Lagerung erneut untersucht. Einbezogen wurden auch das neuformulierte Präparat Omeprazol-ratiopharm® NT, dessen Vorgänger Omeprazol-ratiopharm® ebenfalls Gegenstand des ersten Teils der Untersuchung gewesen war, sowie Originalpräparate mit einem racemischen (Pantozol®) und einem isomeren Protonenpumpenhemmer (Nexium®).

Methoden

Von AstraZeneca (Wedel) erhaltene (Nexium®) bzw. im Apothekenkauf erworbene Handelspräparate (Tab. 1) wurden in vitro untersucht. Probennahmen und -analysen wurden im April (Omeprazolpräparate) bzw. September 2000 durchgeführt. 2 der 3 Omep®-Chargen waren seit Mai 1999 bei Zimmertemperaturen gelagert worden, eine weitere wurde im April 2000 in einer Apotheke erworben. Zu dieser Zeit wurde auch das ebenfalls getestete Omeprazol-ratiopharm® NT eingekauft. Die Methodik entsprach der 1999 durchgeführten Untersuchung.

Probengewinnung

Die Freisetzungsuntersuchungen wurden mithilfe eines Blattrührers (Dissolution Tester DT6R, Erweka GmbH, Heusenstamm) nach der Paddle-Methode entsprechend USP XXII bei 37 °C und einer Rührgeschwindigkeit von 100 rpm durchgeführt. Hierzu wurden die Kapseln (6 Stück pro Charge) zunächst für 2 Stunden bei einem pH-Wert von 1 in einem Volumen von 300 ml Lösung (0,1 mol/l HCl) inkubiert. Sodann wurde das Inkubationsmedium durch Zugabe von 700 ml einer Na2HPO4-Lösung (0,086 mol/l) auf einen pH-Wert von 6,8 gebracht.

Unter diesen Bedingungen wurden zu definierten Zeiten Proben entnommen. Diese wurden filtriert, zur Stabilisierung des säurelabilen Wirkstoffs Omeprazol mit 0,25 mol/l NaOH (5 : 1) alkalisiert und umgehend eingefroren. Die Aufbewahrung bis zur weiteren Analyse erfolgte bei einer Temperatur von weniger als – 20 °C. Bei den Freisetzungsexperimenten wurden jeweils 6 Kapseln bzw. Tabletten parallel untersucht, wobei auf eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Chargen auf die einzelnen Serien geachtet wurde.

Wirkstoffbestimmung

Der Wirkstoffgehalt der einzelnen Proben wurde säulenchromatographisch entsprechend einer Arbeitsvorschrift von Astra Hässle (Doc. no. SPEG 7436) bei einer Wellenlänge von 302 nm analysiert. Als Referenz dienten Antra® pro infusione (Nexium®, Omep® und Omeprazol-ratiopharm® NT) bzw. Pantozol-Rifun i. v. (Pantozol®). Mittelwerte werden mit der Standardabweichung angegeben. Die statistische Signifikanz wurde mithilfe des t-Tests für unverbundene Stichproben geprüft, mit einer Signifikanzschwelle von p < 0,05. Variationskoeffizienten wurden als Quotient aus Standardabweichung und Mittelwert ermittelt und in Prozent ausgedrückt.

Ergebnisse

Abbildung 1Abbildung 1 und 2 zeigen den Zeitverlauf der Wirkstoffabgabe über 1 Stunde. Dargestellt sind die zeitgleich miteinander verglichenen Chargen. Bis zum Messzeitpunkt 20 min erfolgte die Freisetzung von Esomeprazol schneller als die von Pantoprazol. Die Freisetzung aus dem Ratiopharm-Produkt war im Vergleich mit jeder einzelnen Omep®-Charge ab der 5. Minute signifikant größer. Bezogen auf den Nominalgehalt war die initiale Wirkstoffabgabe aus den beiden Generika schneller als bei Pantozol®, aber langsamer als mit Nexium® (Tab. 2).

Im Gegensatz zu Nexium® und Pantozol® verfehlte Omep® die im Schrifttum gebräuchliche Akzeptanzschranke für den Wirkstoffgehalt (70%), Omeprazol-ratiopharm® erreichte sie knapp (Abb. 2). Tabelle 2 zeigt für jede untersuchte Charge die Mittelwerte der Freisetzung zu ausgewählten Zeitpunkten, zur besseren Vergleichbarkeit in Prozent des Nominalgehalts. Weiterhin sind in der Tabelle die jeweiligen Minimal- und Maximalwerte als Absolutwerte zusammengefasst. Die Variabilität lässt sich am besten anhand der Variationskoeffizienten beurteilen (Tab. 2).

Dieser Parameter gibt an, wie viel Prozent vom arithmetischen Mittel die Standardabweichung beträgt. Er fiel für Nexium® durchweg am niedrigsten aus. Zum repräsentativen Zeitpunkt 30 min fanden sich die größten Abweichungen bei zwei Omep®-Chargen, die dritte Charge dieses Präparats war in der Variationsbreite mit Pantozol® vergleichbar.

Diskussion

Freigesetzter Gehalt Bei den Originalpräparaten Esomeprazol und Pantoprazol ergaben sich keine nennenswerten Defizite im tatsächlichen gegenüber dem deklarierten Gehalt. Das im Schrifttum [2] gesetzte Referenzniveau einer 90%-Freisetzung innerhalb von 30 min wurde erreicht. Unterschiede in Zeitabhängigkeit und Variabilität der Freisetzung, soweit vorhanden, lagen zugunsten von Nexium®.

Demgegenüber wurde aus den generischen Omeprazolpräparaten anteilmäßig weniger Wirkstoff abgegeben. Soweit vergleichbar, bestätigen die vorliegenden Freisetzungsmessungen frühere Messungen [1]: Die Zeitverläufe für die beiden in Wiederholung untersuchten Omep®-Chargen waren praktisch deckungsgleich mit den 1999 beobachteten Verläufen. Sie sind zugleich nicht zu unterscheiden von den Werten der dritten, hier erstmals untersuchten Charge. Wiederum ergaben sich innerhalb einzelner Chargen teils erhebliche Unterschiede. Die niedrigste Freisetzungsrate lag mindestens 16% unter dem Maximalwert. Dies bestätigte sich zu allen ausgewerteten Messzeitpunkten.

Bei dem Ratiopharm-Produkt führte die Neuformulierung eher zu einer Verschlechterung der Ergebnisse. Wurden mit der alten Galenik 16 bis 17 mg binnen 30 min freigesetzt [1], so waren es mit der neuen Form 14 mg. Damit wird das in der Literatur geforderte Mindestniveau von 70% des Nominalgehalts [2, 3] knapp erreicht. Auch in der Schwankungsbreite ergab sich keine Verbesserung: Mit Abweichungen um 14% (30 min) entsprachen die Ergebnisse der schlechteren der beiden im Vorjahr getesteten Chargen [1]. Zugleich belegen die Ergebnisse jedoch die Möglichkeit signifikanter Unterschiede zwischen zwei aufgrund von Bioäquivalenzstudien zugelassenen Generika.

Mögliche Ursachen verminderter Freisetzung Bei der Suche nach den Ursachen der geringen Wirkstoffabgabe scheiden methodische Probleme mit großer Wahrscheinlichkeit aus. Die im Fall von Omep® praktisch deckungsgleichen Freisetzungskurven – untereinander, im Jahresvergleich und gegenüber der neu einbezogenen Charge – sprechen für eine hohe methodische Reproduzierbarkeit. Die abweichende (bessere) Kinetik von Omeprazol-ratiopharm® belegt zudem, dass abweichendes Verhalten methodisch erfasst wird und die niedrigen Freisetzungsraten nicht auf einen immanenten Fehler des Messsystems zurückzuführen sind: Zumindest der Unterschied zwischen den beiden Generika ist unanfechtbar.

Probleme bei sachgemäßer Lagerung können für Omep® aufgrund der Vergleiche zwischen den Werten von 1999 und 2000 praktisch ausgeschlossen werden. Vielmehr spricht die uniform feststellbare Minderfreisetzung für einen systematischen Fertigungsmangel, z. B. bei der säurefesten Umhüllung. Ob Ähnliches für das Ratiopharm-Produkt gilt, kann hier nicht beurteilt werden.

Klinische Relevanz Die Säurehemmung durch Protonenpumpenhemmer ist dosisabhängig. Dies erlangt besondere Bedeutung bei Indikationen wie Eradikation von Helicobacter pylori oder Prophylaxe von NSAR-Ulzera, Ziele, die bei zu niedriger effektiver Säurehemmung nicht mehr zuverlässig erreicht werden [4, 5]. Bei einer zu geringen Wirkstoffabgabe wird auch die Symptombefreiung nicht mehr in jedem Fall befriedigend verlaufen. Die symptomatische Wirksamkeit einer Säurehemmung durch Protonenpumpenhemmer beginnt erfahrungsgemäß etwa 20 bis 60 min nach Einnahme. Damit setzt die Besserung bereits vor Erreichen der maximalen Plasmakonzentration ein. Bei diesem Zeitrahmen kann eine Verzögerung von über 10 min, wie sie sich initial beim Vergleich von Pantozol® mit Nexium® ergibt (vgl. Abb. 1), durchaus zu Buche schlagen. Im Vergleich zur verminderten In-vitro-Verfügbarkeit der Omeprazolpräparate ist dieser Unterschied, ebenso wie die größere Variabilität in der Freisetzung (Tab. 2), allerdings weniger gravierend.

Zusammenfassung

Handelspräparate mit isomeren und racemischen Protonenpumpenhemmern wurden in vitro auf ihre Wirkstofffreisetzung untersucht. Zur Untersuchung kamen Nexium®, Pantozol® und zwei Omeprazol-Generika (Omep®, Omeprazol-ratiopharm® NT). Dabei wurden von Omep® 3 verschiedene Chargen analysiert: 2, die bereits 1 Jahr zuvor untersucht und in der Zwischenzeit gelagert worden waren, sowie eine neu beschaffte Charge.

Unter Verwendung eines Blattrührers nach der Paddle-Methode entsprechend USP XXII wurden die Kapseln (6 pro Charge) zunächst für 2 Stunden in einer Lösung mit einem pH-Wert von 1 inkubiert; anschließend wurde der pH-Wert auf 6,8 angehoben. In der zweiten Phase wurden zu definierten Zeiten über 1 Stunde Lösungsproben entnommen und später säulenchromatographisch auf ihren Wirkstoffgehalt untersucht.

Gemessen an der Freisetzung ergaben sich bei Nexium® und Pantozol® keine nennenswerten Defizite im tatsächlichen gegenüber dem deklarierten Gehalt (Freisetzung von p 90% binnen 30 min). Im Falle von Omep® hingegen wurden im Mittel von 18 Kapseln nur 54,8% des Nominalgehalts gefunden (Messpunkt bei 30 min). Untereinander und gegenüber den 1 Jahr zuvor untersuchten Kapseln zeigten die 3 untersuchten Chargen keine Unterschiede. Omeprazol-ratiopharm® NT erreichte mit einer 30-min-Freisetzung von 71% das von früheren Untersuchern gesetzte Limit von 70%. Die schnellste Wirkstoffabgabe und die größte Chargenkonformität wurde mit Nexium® beobachtet. Die größte Spannbreite innerhalb der Chargen fand sich bei Omep® (Abweichungen zwischen Minimal- und Maximalwert 16 – 33%).

Die Ursachen für die geringe In-vitro-Verfügbarkeit bleiben unklar. Offenbar hat eine ordnungsgemäße Lagerung bei Zimmertemperatur keinen Einfluss auf den nachweisbaren Gehalt. Somit rücken zumindest für Omep® mögliche Fertigungsprobleme oder auch Mängel in der säurefesten Umhüllung in den Vordergrund. Die klinische Relevanz einer zu niedrigen Freisetzung ergibt sich aus der Dosisabhängigkeit der Säurehemmung durch Omeprazol. Dies hat besondere Bedeutung bei der Sanierung einer Infektion mit Helicobacter pylori oder der Prophylaxe von NSAR-Ulzera. Weiterhin ist eine langsamere Freisetzung geeignet, den Zeitpunkt der Säurehemmung und damit eine symptomatische Besserung säurebedingter Beschwerden hinauszuschieben. Schließlich belegen die Untersuchungen, dass zwischen Generika trotz bei Zulassung erfüllter Bioäquivalenzkriterien klare Unterschiede auftreten können.

Literatur

[1] Petersen, K.-U.: Freisetzung von Omeprazol aus Kapsel-Generika in vitro. Der Deutsche Apotheker 8, 213 – 217 (1999). [2] Karlsson, A., et al.: An investigation of the pharmaceutical quality of non-Astra authorised omeprazole products – a comparative study. Int. Pharm. J. 10, 210 – 213 (1996). [3] Davidson, A. G., et al.: A survey of the stability of omeprazole products from 13 countries. Drug Dev. Ind. Pharm. 22, 1173 – 1185 (1996). [4] Bayerdörffer, E., et al.: Das neue Konzept in der Therapie des peptischen Ulkus. In: Malfertheimer, P. (Hrsg.): Helicobacter pylori – Von der Grundlage zur Therapie, S. 87 – 98. Thieme, Stuttgart 1994. [5] Yeomans, N. D., et al.: A comparison of omeprazole with ranitidine for ulcers associated with nonsteroidal antiinflammatory drugs. Acid Suppression Trial: Ranitidine versus Omeprazole for NSAID-associated Ulcer Treatment (ASTRONAUT) Study Group. N. Engl. J. Med. 338, 719 – 726 (1998).

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