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BPI kündigt massiven Widerstand gegen Positivliste an

BERLIN (ks). Mit der Positivliste will Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt mehr Qualität und mehr Wirtschaftlichkeit in die Arzneimittelversorgung einkehren lassen. Die Gegner der Liste haben jedoch ganz andere Erwartungen an das Regelungswerk: So fürchtet der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) Umsatzeinbußen von durchschnittlich 25% bei seinen Mitgliedsunternehmen Ų und damit den Verlust von bis zu 15 000 Arbeitsplätzen. Zudem werde die Positivliste die Versorgungsqualität verschlechtern und der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erhebliche Mehrkosten bescheren.

Werde der nun vorliegende Gesetzentwurf zur Positivliste geltendes Recht, so könne die Bundesregierung mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht rechnen, erklärte Dr. Bernd Wegener, Vorsitzender des BPI, am 22. Januar in Berlin. Bei Erfolg dieser Klage müsse sich der Bund zudem auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gefasst machen.

Bereits die Normenkontrollklage Baden-Württembergs gegen das Beitragssatzsicherungsgesetz, der sich am 21. Januar auch das Saarland angeschlossen hat, wurde von den BPI-Landesverbänden unterstützt. Wegener hob in diesem Zusammenhang auf die besondere Situation der Apotheken ab: Vor allem im ländlichen Bereich würden viele in eine "wirtschaftlich existenzielle Notlage" kommen, so dass dort mit einem "deutlichen Ausdünnen" der Apothekenlandschaft zu rechnen sei.

Ausgliederung aus dem SGB V: Wegen Umfangs der Materie ...

Auch für eine Klage gegen die Positivliste werden sich voraussichtlich Verbündete in den Länderparlamenten finden lassen. Denn Schmidt plant, die Liste nicht als Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats einzuführen, sondern über das "Gesetz über die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung" (AMPoLG).

Das neue Gesetz, das eine Zustimmung der Länderkammer nicht mehr vorsieht, soll die bisherige Rechtsgrundlage der Positivliste, § 33a Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V), ersetzen. In der offiziellen Begründung zum Gesetzentwurf heißt es, man wolle die Regelung angesichts des "Umfangs der Materie" aus dem SGB V herauslösen.

Und das Gesetz mit seinen Anlagen ist tatsächlich umfangreich: allein der Hauptteil mit den verordnungsfähigen Wirkstoffen und Wirkstoff-Kombinationen sowie etwaigen Verordnungseinschränkungen zählt über 60 Seiten. Dazu kommt ein ebenfalls seitenstarker Anhang zu Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen Phytotherapie, Homöopathie und Anthroposophie.

... oder zur Umgehung des Bundesrats?

Doch manch einer zweifelt, dass die Umwandlung des § 33a SGB V in ein einfaches Einspruchsgesetz, das vom derzeit unionsdominierten Bundesrat nicht blockiert werden kann, nur ein gänzlich unbeabsichtigter Nebeneffekt sei. Der BPI ist vielmehr der Überzeugung, das neue Gesetz verletze die grundgesetzlich verbürgten Mitwirkungsrechte des Bundesrats am Gesetzgebungsverfahren.

Gestützt wird diese Meinung durch ein Rechtsgutachten des Staatsrechtlers Dr. Karl Heinrich Friauf: Mit der Abtrennung des AMPoLG vom zustimmungsbedürftigen SGB V werde die "Grenze zur Willkür" überschritten, so Friauf. "Gesetzesästhetik", wie sie mit der Abspaltung wegen des "Umfangs der Materie" bezweckt werde, sei zwar "wünschenswert", legitimiere aber keinen Eingriff in die Mitwirkungsrechte des Bundesrats.

Patienten schlecht, aber teuer versorgt

Aber auch inhaltlich übt der BPI weiterhin Kritik: Zu viele Arzneimittel seien gänzlich oder für an sich nötige Indikationen ausgeschlossen. Erhebliche medizinisch-pharmazeutische Mängel weise die Liste insbesondere bei der Behandlung von chronischen Entzündungen der Bronchien, Osteoporose, Hauterkrankungen oder der Raucherentwöhnung auf.

Doch die Versorgung werde nicht nur schlechter, sondern auch teurer, erklärte BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp: Nach Berechnungen des Instituts für medizinische Statistik IMS Health werde die Positivliste für die GKV zu Mehrausgaben von etwa 900 Millionen Euro führen. Es sei zu erwarten, dass preiswerte und bewährte, aber auf der Liste nicht enthaltene Mittel durch teuere Präparate ersetzt werden.

Trotz dieser prognostizierten Mehrausgaben drohten den BPI-Mitgliedsunternehmen erhebliche Umsatzverluste, die Arbeitsplätze aufs Spiel setzten, so Fahrenkamp weiter. Da der BPI vor allem ein Verband des Mittelstands sei, seien hier besonders viele Verlierer zu finden: weniger stark diversifizierte Firmen könnten Verluste in einzelnen Produktgruppen nur schwer kompensieren. Größere Unternehmen, Global-Player, könnten letztlich die Gewinner sein. Doch die, so Wegener, seien es nicht, die in Deutschland Steuern zahlen und Arbeitsplätze schaffen.

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