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Zeitlich fast provokativ – am Aktions- und Protesttag des Bündnisses für Gesundheit – hat das Bundesverfassungsgericht Mitte letzter Woche die Anträge von Apothekern, pharmazeutischem Großhandel und Zahntechnikern auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) abgelehnt. In unserer letzten AZ, der Montagsausgabe zur DAZ, haben wir darüber ausführlich berichtet.

Im Ergebnis konnten die Entscheidungen der Karlsruher Richter nicht überraschen. Geht es nämlich – wie in den anhängigen Verfahren – darum, schon das In-Kraft-Treten eines Gesetzes aufzuschieben, legt das Bundesverfassungsgericht in der Regel einen besonders strengen Prüfungsmaßstab an. Bei vorläufigen "Eingriffen in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers" ist Karlsruhe äußerst zurückhaltend.

So auch hier: Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes vorgenommene Folgenabwägung der acht obersten Richter ergab, "dass die Nachteile für das gemeine Wohl bei Erlass der begehrten einstweiligen Anordnungen schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen für die Antragsteller bei deren Ablehnung". Ob das die 5000 Apothekerinnen und Apotheker, die hinter dem Verfahren stehen, ebenso sehen?

Immerhin: Zu Beginn seiner Entscheidung stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass der endgültige Ausgang des Beschwerdeverfahrens noch offen ist. Grund zu einer realistischen Hoffnung, das Beitragssatzsicherungsgesetz doch noch zu Fall zu bringen, dürfte dies freilich nicht sein.

Im Rahmen seiner Abwägung deutet das Bundesverfassungsgericht nämlich mit kühler, ja eisiger Distanz an, welche Argumente es im folgenden Hauptsacheverfahren für entscheidungsrelevant hält – und welche nicht. Und dabei stellen die Richter unter Federführung ihrer Berichterstatterin Jaeger fest, dass auch eine nennenswerte Anzahl von Apothekenpleiten kaum zu einer Gefährdung des Berufsstandes oder einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung führen würde.

Die von den Apothekern vorgelegten Zahlen und die pauschal berechneten Umsatzrenditen belegten lediglich, dass es infolge des BSSichG berufsintern zu einer verschärften Konkurrenzsituation kommen könne. Für das Gemeinwohl sei die Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung jedoch ebenso bedeutend wie eine "leistungsfähige und leistungsbereite Apothekerschaft". Auch wenn Apotheken durch das neue Gesetz "nicht unerhebliche Nachteile" drohten, liege darin kein Grundrechtsverstoß des Gesetzgebers gegenüber Apothekenleitern und ihren Mitarbeitern.

Schneidige Worte, die signalisieren, wohin (ungeachtet der Frage der Zustimmungsbedürftigkeit des BSSichG durch den Bundesrat) aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts im Hauptsacheverfahren die rechtliche Reise geht: Gravierende Umsatzeinbußen, ja sogar drohende Apothekenschließungen allein führen nicht zur Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Gesetzeswerks.

Vor diesem Hintergrund sollten wir uns über den Fortgang des Hauptsacheverfahrens keine Illusion machen – zumal auch die Berichterstattung der überregionalen Presse zu den Karlsruher Entscheidungen zeigt, woher der Zeitgeist weht: "Die Mär vom armen Apotheker" überschreibt eine große überregionale Tageszeitung ihren Dreispalter zu den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts.

Dass dabei zunächst ausführlich aus den in Karlsruhe vorgelegten Apothekenbilanzen zitiert wird, um sodann virtuos Umsatz, Rohgewinn, Rendite und Profit durcheinander zu wirbeln, wird ihre Wirkung nicht verfehlen: nicht in der Öffentlichkeit, nicht in der Politik und – wie zu befürchten ist – auch nicht in Karlsruhe.

P. S.: Ein Hinweis: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts können Sie hier im Bereich Rechtsprechung abrufen. Dort finden Sie auch weitere interessante Urteile rund ums Apotheken- und Arzneimittelrecht.

Christian Rotta

Mit kühler Distanz

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