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Pharmaziestudium: "Wir wehren uns"

BERLIN (cb). In Berlin gibt es massive Studentenproteste gegen die geplanten Sparmaßnahmen des Berliner Senats. 75 Millionen Euro sollen nach den Vorstellungen der Landesregierung an den drei Berliner Universitäten bis 2009 eingespart werden. Auch am Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie der Freien Universität (FU) sind massive Streichungen vorgesehen. Welche Konsequenzen für das Pharmaziestudium und die Forschung befürchtet werden, darüber sprach die DAZ mit Univ.-Prof. Dr. Ronald Gust, geschäftsführender Direktor des Instituts für Pharmazie der Freien Universität Berlin, und Prof. Dr. Matthias F. Melzig, Leiter der Arbeitsgruppe Pharmazeutische Biologie und stellvertretender Vorsitzender der Landesgruppe Berlin-Brandenburg der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft.

Welchen Beitrag soll der Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie der Freien Universität nach den derzeitigen Vorstellungen der Universitätsleitung zu den geplanten Einsparungen leisten?

Gust:

Ein Teil der geplanten Einsparsumme soll durch die Streichung von Professorenstellen, ein Teil durch Einsparungen im Verwaltungsbereich aufgebracht werden. Dies würde bedeuten, dass in der Chemie und der Biologie jeweils fünf und in der Pharmazie vier Professorenstellen abgebaut werden. Wir empfinden dies im Vergleich zu den geplanten Sparmaßnahmen in den anderen Naturwissenschaften als eine überproportionale Belastung.

Melzig:

Dazu kommt, dass innerhalb des Fachbereiches die Pharmazie der FU einen überproportionalen Sparbeitrag leisten müsste, wenn sie von elf Professoren vier einsparen soll, die Chemie dagegen von 22 nur fünf.

Welche Konsequenzen würden sich für Lehre und Forschung in der Pharmazie ergeben?

Gust:

Dies würde bedeuten, dass wir weniger Studenten immatrikulieren können. Bei einer Einsparung von rund 36% der Professorenstellen in der Pharmazie käme es zu einer Reduktion von 84 auf 54 Studienplätze im 1. Semester. Dies wäre angesichts des Numerus-clausus-Status der Pharmazie mit drei Bewerbungen pro Studienplatz in Berlin – im Landesdurchschnitt sind es rund zwei Bewerber pro Studienplatz – völlig widersinnig.

Nach unserer Ansicht wäre es eine Einschränkung von Qualifizierungschancen in einem besonders zukunftsträchtigen Berufsfeld. Dies hätte auch zur Folge, dass wir die geplante Professur in Klinischer Pharmazie nicht besetzen könnten. Die Prüfung in Klinischer Pharmazie ist jedoch bekanntlich nach der neuen Approbationsordnung Bestandteil des Staatsexamens, damit könnten also gesetzliche Vorgaben nicht erfüllt werden.

Melzig:

Die Einsparungen im Personalbereich sollen ja vor allem dadurch realisiert werden, dass Stellen, die durch Pensionierung von Professoren frei werden, nicht wieder besetzt werden. Das würde aber bedeuten, dass bis zum Jahre 2012 keine neuen Berufungen mehr erfolgen könnten.

Einer wissenschaftlichen Innovation wäre dies in keinster Weise zuträglich. Außerdem sind wir der Meinung, dass die Pharmazie in Berlin mit der Schließung des Instituts an der Humboldt-Universität im Jahre 2002 bereits einen umfangreichen Sparbeitrag geleistet hat.

In welcher Form soll gegen die geplanten Maßnahmen protestiert werden?

Gust:

Erfreulicherweise haben sich auch unsere Studenten zu Wort gemeldet und dabei beispielsweise kritisiert, dass die Leitung der Freien Universität nicht genug Widerstand gegen die Sparvorstellungen der Landesregierung leistet.

Von den Hochschullehrern unseres Fachbereichs wurde ein Protestschreiben an den Präsidenten der FU, Herrn Professor Lenzen, verfasst. Darin haben wir vor allem die Ungleichbehandlung unseres Fachbereichs innerhalb der Naturwissenschaften kritisiert. Wir haben auch darauf hingewiesen, dass der Beurteilung unseres Fachbereiches durch das Präsidialamt falsche Daten zugrunde liegen.

Dafür nur ein Beispiel: Wir haben in der Bilanz der Drittmittel keinen Abfall, wie dort fälschlicherweise dargestellt, sondern einen Anstieg zwischen 2000 und 2001 um 40 Prozent zu verzeichnen. Auch die internationale Ausrichtung von Lehre und Forschung ist bedeutend besser als von der Universitätsleitung dargestellt.

Melzig:

Wir verschließen uns nicht notwendigen Einsparungen, wehren uns jedoch entschieden gegen diese überproportionale Belastung unseres Fachbereiches, die in der Pharmazie in Lehre und Forschung zu Einbußen sowohl in der Quantität als auch in der Qualität führen würde.

Was werden die kommenden Tage bringen?

Gust:

Die genannten Maßnahmen sind zunächst einmal ein Vorschlag von Seiten des Präsidenten der FU. Wir befinden uns jetzt in einer Phase, wo noch Gegenvorschläge gemacht werden können, diese Phase wird im Januar 2004 abgeschlossen sein.

Der neue Strukturplan der FU soll im Juni 2004 beschlossen werden. In diesen Tagen sind von Seiten der Pharmaziestudenten viele Aktionen geplant, so beispielsweise eine Demonstration auf dem Pariser Platz, auf der ich auch eine öffentlichen Vorlesung halten werde.

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